Protocol of the Session on April 23, 2009

Zweitens: Was ist Ihr Leitbild? In der Krise heißt es doch klar: Nur durch Innovation und Qualität kommen wir weiter. Klasse statt Masse. Das ist das Erfolgsrezept der Wirtschaft in Baden-Württemberg. Herr Hauk, wollen Sie ernsthaft Milchpulver nach China verkaufen?

(Beifall bei den Grünen – Heiterkeit der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Glauben Sie im Ernst, dass wir mit Massenprodukten bei unserer Landwirtschaft mit Regionen wie dem Weizengürtel in den USA, mit Neuseeland oder Kanada konkurrieren können? Glauben Sie im Ernst, dass wir diesen Wettbewerb gewinnen können? Den können wir nicht gewinnen. Es gibt überhaupt keinen Industriezweig, bei dem wir eine solche Strategie verfolgen. Es muss vielmehr heißen: Klasse statt Masse. Qualität und Genuss statt Quantität und Verdruss. Das ist es, was wir brauchen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Bravo!)

Wir brauchen ein Leitbild mit artgerechter Tierhaltung und Pestizidreduktionsprogrammen, und wir brauchen mehr ökologischen Landbau.

Wenn wir ökologisch produzierte Lebensmittel importieren müssen, weil hier nicht genügend produziert werden, dann machen Sie etwas falsch, Herr Minister Hauk.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Hier wachsen keine Ananas! – Gegenruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Dir ist wohl eine auf den Kopf gefallen!)

Drittens: Was ist eigentlich die Perspektive für Verbraucher, für den ländlichen Raum und die Landwirte in Baden-Würt temberg? Was ist für sie die Perspektive? Die Perspektive ergibt sich aus dem magischen Dreieck Naturschutz/Landwirtschaft/Tourismus. Das wird die Grundlage der Wertschöpfung im ländlichen Raum sein. Warum? Weil Menschen erwarten, wenn sie in den ländlichen Raum kommen, artenreiche, vielfältige und offene Kulturlandschaften vorzufinden. Nur solche Landschaften empfinden die Menschen als ästhetisch schön, und gerade diese Landschaften haben einen Erholungswert.

Wo, bitte, ist Ihr Programm, um den Naturschutz in diese Richtung zu stärken? Wo ist das?

(Beifall bei den Grünen)

Zum zweiten Bereich: Die Leute, die dort hinkommen, wollen eine naturnahe Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung sowie Gesundheit, Genuss und Sicherheit bei Lebensmitteln und sicher keine gentechnisch veränderten Pflanzen auf den Feldern und schon gar keine patentierten Schweine im Stall. Das wollen sie sicher nicht. Sie wollen aber auch kein Streptomycin im Honig, und sie wollen auch nicht, dass die Bienenvölker an Clothianidin verrecken. Das alles wollen sie sicher nicht, sondern sie wollen eine Landwirtschaft, die mit der Natur und nicht gegen die Natur arbeitet.

(Beifall bei den Grünen)

Wenn man das vorfindet – erstens eine artenreiche, vielfältige Landschaft durch Naturschutz, zweitens eine naturnah arbeitende Landwirtschaft, die Qualitätsprodukte auf den Tisch bringt, die schmecken, die genussreich sind und bei denen man sicher sein kann, dass kein Gift dran ist –, kommt der dritte Bereich ins Spiel, der Tourismus. Dann können wir den Tourismuswert weiter steigern.

Ich erinnere noch einmal daran: Diese Branche ist neben dem Maschinenbau und der Automobilbranche die dritte wichtige Säule für Baden-Württemberg, und sie wird in Zukunft noch wichtiger. Der Ministerpräsident hat gestern beim Finanzgipfel gesagt: Selbst wenn wir die Krise der Automobilindustrie bewältigen, wird es allenfalls bei 90 % des jetzigen Stands sein. Wir müssen also andere Bereiche stärken. Dazu gehört auch der jetzt angesprochene Bereich. Das geht nur, wenn wir Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus zusammen denken.

(Beifall bei den Grünen)

Das sind das Leitbild und die Perspektive einer nachhaltigen sozialen und ökologischen Marktwirtschaft. Sie braucht nicht Ihre Pseudofreiheiten, Herr Minister Hauk, die gar nicht funktionieren. Sie braucht klare Regeln. Das müssen wir aus der Finanzmarktkrise lernen: Nur mit klaren Regeln und Vorgaben, die in die richtige Richtung gehen, die auf Qualität setzen, sichern wir unseren Wirtschaftsstandort auch im ländlichen Raum – und nicht mit Ihrer Hinhaltetaktik, mit Ihrem Zögern. Was Sie machen, ist doch nur, mit technokratischem Geplauder das zu begleiten, was ohnehin auch ohne Sie geschähe.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen)

Sie werden getrieben von außen, von anderen. Das sieht man jetzt wieder an der Entscheidung der Bundeslandwirtschaftsministerin. Sie regieren nicht; denn Regieren heißt Leiten und Lenken. Sie rennen nur dem hinterher, was ohnehin schon geschieht. So kommen wir jedenfalls nicht weiter.

Soziale und ökologische Marktwirtschaft braucht klare Rahmenbedingungen, die sich am Markt, das heißt an den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie an den Produzenten, orientieren. Weder die Verbraucher noch die Landwirte wollen überhaupt gentechnisch veränderte Organismen und eine solche Landwirtschaft. Sie wollen das gar nicht. Mit Ihrer Hinhaltetaktik machen Sie eine Politik gegen Verbraucher und Produzenten.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Jetzt sind wir in der Mitte der Legislaturperiode angelangt. Jetzt wollen wir einmal von der Union wissen: Wo geht die Reise in der Landwirtschaft hin?

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Hörstunde für die CDU! Hörstunde!)

Das ist derzeit nicht erkennbar. Es sind jetzt endlich einmal klare Ansagen gefordert. Wir wissen auch nicht, wo die CDU Baden-Württemberg bei der Agrogentechnik steht.

Ich kann zum Schluss nur noch Dante zitieren, der gesagt hat – das ist immerhin schon einige Hundert Jahre her –:

Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das war aber kein CDUler!)

Bei den Letztgenannten sind jedenfalls wir zu finden.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Betretene Gesichter!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Winkler das Wort.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit Galilei ist Koexistenz der größte Irrtum der Gesellschaft. Seit Galilei gab es keinen größeren Irrtum in dem Fortschrittsglauben und der Beharrlichkeit.

Am Dienstag vergangener Woche wurde nach Lesart der fortschrittsgläubigen Landesregierung auf einer eingleisigen Bahnstrecke durch eine Dampflokomotive ein hoch technisierter, fortschrittlicher Zug gestoppt, und zwar gewaltmäßig.

Was ist passiert? Am 14. April hat Bundesagrarministerin Aig ner kurz vor der Aussaat den Anbau der einzigen bei uns zugelassenen gentechnisch veränderten Maissorte MON 810 mit der Begründung verboten, dass es Anzeichen gebe, dass die genmanipulierte Pflanze eine Gefahr für die Umwelt darstellt.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Darstellen kann!)

Das sagen schon viele Umweltschützer und Wissenschaftler, und das ahnen und vermuten viele schon lange, nämlich Bauern, Verbraucher und 80 % der Gesellschaft, auch in BadenWürttemberg.

Noch im März 2007 hatte selbst der damals amtierende Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer eingeräumt, die grüne Gentechnik werde in einer kleinräumigen Landwirtschaft keine Rolle spielen.

Die Umweltverbände begrüßen die Entscheidung von Frau Aigner,

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Die FDP nicht!)

die CDU hat überhaupt kein Verständnis dafür, und die FDP vermutet schweren Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Die Positionen liegen weit auseinander. Da wäre es ratsam, diese einmal unter sich auszutauschen. Denn der erhöhte Stellenwert der wissenschaftlichen Begründung ist ja wohl auch nur der Wahlerfahrung der CSU geschuldet. Schließlich waren Frau Aigner und die CSU bisher Befürworter der grünen Gentechnik.

Wie dem auch sei: Noch immer fehlt der Landesregierung dieser erkenntnistheoretische Ansatz. Minister Hauk hat aktuell und schnell – entgegen allen seinen bisherigen Aussagen – erklärt, er fühle sich bestätigt, weil das Land schon länger vom Anbau von Genmais abgeraten habe. Bravo, gut gebrüllt! Er hat nämlich nur und ausschließlich wegen der Rechtslage davon abgeraten, nicht wegen der Umweltrisiken, nicht wegen der Gesundheitsrisiken, nicht wegen des Widerstands der Bevölkerung, nicht zum Schutz und zur Unterstützung der Landwirte, nicht zur Unterstützung der Bemühungen von Verbraucherorganisationen, die die Einrichtung gentechnikfreier Zonen befürworten. Er hat nur wegen der Rechtslage vom Anbau von Genmais abgeraten.

Seine Aufgabe wäre nicht das Verbot des Anbaus von Genmais, die Aufgabe wäre Schutz vor Genmais für uns gewesen.

Zitat Hauk, Sommer 2007:

Baden-Württemberg zu einer gentechnikfreien Region zu erklären, wäre aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus wahrscheinlich sinnvoll.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Ein Anflug von Logiküberschuss bei unserem Minister.

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen)

Aber in den Plenarprotokollen liest sich das anders. Oktober 2006:

… uns geht es darum, ihnen