Protocol of the Session on April 23, 2009

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP sowie Abgeordneten der SPD – Abg. Heidero- se Berroth FDP/DVP: Die finnische Lösung! – Abg. Peter Hofelich SPD: Ich habe unsere Beitrittsformu- lare vergessen! – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zeller?

Bitte.

Bitte schön, Herr Abg. Zeller.

Herr Minister, ich will ausdrücklich Ihrer Bemerkung zustimmen. Die Frage ist, welche Schlüsse Sie daraus ziehen. Stimmen Sie mir zu, dass dann eigentlich die bestqualifizierten pädagogischen Kräfte in der Elementarbildung tätig sein müssten – natürlich mit den entsprechenden Konsequenzen, auch was die Bezahlung angeht?

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP: Die Nachtigall hören wir trapsen!)

Ich stimme Ihnen zu, dass wir dafür hervorragend qualifizierte Persönlichkeiten brauchen. Aber es gibt unterschiedliche Qualifikationsarchitekturen für die verschiedenen Altersstufen. Die „No-child-left-behind-Strategie“ ist deshalb wichtig, weil wir angesichts der demografischen Situation, vor der wir stehen, eigentlich auf keine Talente von Kindern verzichten können.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist eine Fra- ge der Menschenwürde! – Gegenruf der Abg. Helen Heberer SPD: Und das in Klassen mit 33 Kindern!)

Der dritte Schwerpunkt ist die Konzentration auf Lehrerinnen und Lehrer in Naturwissenschaften und Technik. Hier haben wir das größte Problem, die geeigneten Talente zu finden und für den Lehrerberuf zu interessieren.

Wenn wir jetzt die Frage von Bachelor bzw. Master stellen, so ist diese Strukturfrage eigentlich nicht so wichtig. Der Bologna-Prozess ist letztlich eine zweitrangige Frage. Es geht in erster Linie um die Qualität des Lehramtsstudiums, um die Qualität der Studierenden und auch um die inhaltliche Ausrichtung auf das Lehramt.

Ich will zunächst beim Lehramt an Gymnasien bleiben; denn da stellte sich die Frage der Umstellung auf Bachelor und Mas ter. Die inhaltliche Umstellung, also die inhaltliche Strukturreform der Modularisierung, der studienbegleitenden Prüfungen, der ECTS-Punkte, und damit die Anpassung an die Studienstruktur der Universitäten ist vollzogen worden. Wir wissen alle, dass wir mehr tun müssen. Deshalb stellen wir auch intensive Überlegungen an und führen diese mit den Universitäten unter der Führung von Herrn von Graevenitz weiter, um das Studium mit dem Ziel des Lehramts an Gymnasien in seiner Struktur und seiner Ausrichtung weiter zu optimieren. Herr von Graevenitz ist Rektor einer Hochschule, die sich wirklich der Verbesserung des Lehramtsstudiums verschrieben hat.

Wir sind froh, dass es eine Universität gibt, die die Aufgabe, dies zu verbessern, wirklich in den Fokus gerückt hat und die anderen Universitäten hier mitzieht.

Der entscheidende Punkt der Struktur heißt eigentlich nicht „Staatsexamen versus Bachelor/Master“. Denn wie schon mehrfach ausgeführt widerspricht sich das eigentlich nicht.

Wir könnten an eine Bachelor-/Master-Struktur durchaus ein Staatsexamen anhängen, und zwar in der Frage des Zugangs zum Referendariat, also der zweiten Ausbildungsphase. Der Master wäre dann sozusagen eine universitäre Abschlussprüfung mit anderen Optionen.

Die Kernfrage ist die Bedeutung des Bachelors. Der Bachelor ist an sich ein erster berufsqualifizierender Abschluss. Das ist hier schwierig, weil er keinen Zugang zum Lehramt vermitteln kann. Er könnte nur eine Drehscheibe für andere Qualifikationen innerhalb des Bildungssystems, also innerhalb des Studiensystems sein. Deshalb haben wir auch immer betont: Die Umstellung auf die Modularisierung und die Umstellung auf ECTS-Punkte ist für uns nur der erste Schritt in einer Reform des Studiums für das Lehramt an Gymnasien. Wir haben von unserem Ministerium aus immer auch gesagt, dass der zweite Schritt eine vernünftige Umstellung auf Bachelor und Master sein muss, der die Beibehaltung des Staatsexamens nicht ausschließt,

(Beifall der Abg. Dr. Birgit Arnold und Dieter Klein- mann FDP/DVP)

weil es sich sozusagen um ein Staatsmonopol einer zweiten Ausbildungsphase handelt.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Das wäre übrigens auch ein Vorbild für andere Studiengänge.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Wenn wir das Lehramt an Gymnasien betrachten, stellen wir fest, dass dort auch sehr viel inhaltlich reformiert worden ist und eine Verstärkung der Fachdidaktik und der Schulpädagogik erfolgt ist.

(Abg. Johannes Stober SPD: Auf dem niedrigsten Ni- veau!)

Ich denke, dass wir hier richtige Schritte gehen, auf der anderen Seite allerdings die Fachkompetenzen des Gymnasiallehrers bzw. der Gymnasiallehrerin nicht schwächen sollten. Es ist ein Wesensmerkmal, dass die Fachkompetenz so ausreichend ist, dass eine hohe Fachautorität des Lehrers und der Lehrerin am Gymnasium gegeben ist. Herr Professor Baumert hat in seinen bildungswissenschaftlichen Studien die Feststellung getroffen, dass die Autorität des Gymnasiallehrers auch sehr stark von der Qualität seiner fachlichen Ausbildung abhängt. Wir sollten daher die pädagogisch-didaktische Befähigung nicht zulasten der Fachkompetenz ausbauen.

Wir haben auch neue Studienfächer wie Naturwissenschaften und Technik eingeführt und streben vor allem – das hat für die Ausbildung der Gymnasiallehrer und -lehrerinnen begonnen – eine Kooperation der Pädagogischen Hochschulen mit den Universitäten an,

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut! Dringend ge- boten!)

gerade in den Bereichen Fachdidaktik, Schulpsychologie und Schulpädagogik. Denn wir brauchen hervorragende Teile der

Lehrerausbildung, die wir an den Pädagogischen Hochschulen haben, nicht

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Doppelt!)

doppelt aufzubauen.

Auch im Bereich der Grund-, Haupt- und Realschulen haben wir wesentliche Reformen des Inhalts sowie strukturelle Reformen wie Modularisierung und Vergabe von ECTS-Punkten vorgenommen, sodass ich denke: Wenn man sagt „Form folgt Inhalt“, haben wir den Inhalt weitgehend optimiert, was nicht heißt, dass er nicht noch weiter optimierbar ist. Daran arbeiten wir sowohl mit den Universitäten als auch mit den Pädagogischen Hochschulen. Ich bin überzeugt, dass wir, wenn uns dies gelungen ist, auch die Form dem Inhalt folgen lassen können und in dem, was wir machen, auch darlegen können, dass es keinen Widerspruch zwischen Staatsexamen und gestufter Studienstruktur gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Beide Anträge sind reine Berichtsanträge und durch die Aussprache für erledigt zu erklären. – Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Innenministeriums – Nächtliches Verkaufsverbot für Alkohol an Tankstellen und weitere Maßnahmen gegen den Alkoholmissbrauch durch Jugendliche – Drucksache 14/2253 (geänderte Fassung)

b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des

Wirtschaftsministeriums – Maßnahmen zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen – Verbote allein nützen nichts – Drucksache 14/2357

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b je fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort erteile ich Frau Abg. Haußmann für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2007 wurden nach Angaben des Statistischen Landesamts in Baden-Württemberg über 3 800 Jugendliche unter 20 Jahren wegen Alkoholmissbrauchs klinisch behandelt. Das ist eine bedrückende Zahl, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade wenn man weiß, dass diese Zahl nur die Spitze des Eisbergs darstellt und das Problem des Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen insgesamt noch viel größer ist.

Diese Entwicklung ist noch bedrückender, wenn man sich vor Augen hält, dass sich von 2001 bis 2007 – so die Zahlen des Statistischen Landesamts –, also in einem Zeitraum von nur sechs Jahren, die Zahl der wegen Alkoholkonsums erfolgten

Krankenhausbehandlungen bei unter 20-Jährigen mehr als verdoppelt hat.

Alkoholexzesse bei Kindern und Jugendlichen kommen heute leider immer früher und leider immer intensiver vor. Die gesundheitlichen Folgen können – das zeigen spektakuläre Einzelfälle – bis zum Tod führen.

Wir dürfen dies nicht – ich sage dies sehr eindrücklich – tatenlos hinnehmen. Wir sind gefordert, auf diese Entwicklung endlich – endlich! – zu reagieren. Gefordert sind sicher alle, z. B. die Eltern, die ihre Erziehungsverantwortung wahrnehmen müssen, die Schulen, die gefordert sind, das Thema Alkohol im Unterricht aufzugreifen, die Suchthilfe und die Suchtprävention, die Kinder und Jugendliche in einer Sprache, die sie auch verstehen, über die Folgen von Alkoholmissbrauch aufklären müssen, die Polizei und die Ordnungsämter, die gefordert sind, genau hinzuschauen, wenn Jugendliche in der Öffentlichkeit Alkohol trinken, Wirte und Ladenbesitzer, die auf die strikte Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen achten müssen.

Gefordert ist aber last, but not least auch die Politik. Wir dürfen nicht länger tatenlos zusehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Jahr für Jahr mehr Kinder und Jugendliche wegen Alkoholexzessen medizinisch behandelt werden müssen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dieter Hillebrand CDU und Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ein Ansatz, darauf zu reagieren, ist sicher, die Verfügbarkeit von Alkohol für Jugendliche einzuschränken. Das Beispiel der sogenannten Alcopops, wo eine gesetzlich verordnete Verteuerung dazu geführt hat, dass der Missbrauch dieser Alkoholika durch Jugendliche spürbar zurückgegangen ist, zeigt, dass die Politik handeln kann, wenn sie die Verfügbarkeit von Alkohol einschränkt und sich auch einig ist, dass das ein wichtiges Ziel ist.

(Beifall der Abg. Marianne Wonnay SPD)

Natürlich verhindert dies nicht jeden Alkoholexzess, aber es baut Hürden auf, die in vielen Fällen ausreichen, einen Exzess zu verhindern.