Deswegen ist unsere dringende Aufforderung im Interesse der Zukunftsfähigkeit des Landes und insbesondere auch der ländlichen Räume, über die wir gerade diskutiert haben – da braucht man auch Verkehrsinfrastruktur –: Packen wir es an, für dieses Land im Schienenpersonennahverkehr auf allen Strecken wettbewerbsfähige Ausschreibungsunterlagen zu erarbeiten, und zwar so rechtzeitig, dass gesichert ist, dass der Wettbewerb auch funktioniert.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Haller hat seinen Antrag ja quasi zurückgenommen. Das Ziel, das mit dem Antrag begehrt wird, ist völlig richtig, nämlich eine Verbesserung des ÖPNV und hier ganz besonders des Schienenpersonennahverkehrs zu erreichen. Das Mittel – das wissen Sie aber auch, Herr Haller – ist untauglich: Man kann nicht mit einer einmaligen Ersparnis eine Daueraufgabe finanzieren. Deshalb möchte auch ich die Gelegenheit ergreifen und ein paar mir wesentlich erscheinende Gesichtspunkte zum Schienenpersonennahverkehr beitragen.
Meine Damen und Herren, der Schienenpersonennahverkehr ist ein Erfolgsmodell, wie man es sich kaum besser vorstellen kann. Die Bahnreform hat dem Land im Jahr 1996 die Zuständigkeit dafür beschert, und mit dieser Zuständigkeit haben wir wirklich Großes erreicht – auch deshalb, weil mit dieser Zuständigkeit, die neu auf die Länder zugekommen ist, entsprechende Finanzmittel dazugegeben worden sind.
Nun bin ich beim ersten Problem: Eine Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs ist nur zu erreichen, wenn in den ÖPNV mehr Geld fließt als bisher. Wenn schon der ÖPNV und der SPNV so erfolgreich sind, wie wir alle täglich merken, kann dieser Erfolg letztlich nicht dadurch gebremst werden, dass wir sagen: Uns steht nur so viel Geld zur Verfügung, und wir können einfach nicht mehr. Ich glaube, dann haben wir alle, Herr Staatssekretär, die Aufgabe, uns wirklich zu überlegen, wie wir für den ÖPNV zu mehr Geld kommen.
Jetzt bin ich zunächst bei den Regionalisierungsmitteln. Diese sind im Jahr 1994 nach dem Schienenpersonennahverkehr berechnet worden, der im Jahr 1994 gefahren worden ist. Dann hat man sie zwar dynamisiert, aber nachdem man sie ein paar Jahre lang dynamisiert hatte, ist man auf die Idee gekommen, dies zu überprüfen, und hat die Regionalisierungsmittel gekürzt. Ich kann auch sagen: Man hat quasi die Dynamisierung über ein paar Jahre wieder rückgängig gemacht.
Nun glaube ich schon, dass es eine mehr als berechtigte Forderung an den Bund ist, zu sagen: Genauso, wie sich die Regionalisierungsmittel aus einer bestimmten Menge des Verkehrs von 1994 ergeben haben, muss bei einer Revision – es steht ja bald wieder eine an – einmal das Verhältnis zwischen dem heutigen Verkehr und der Höhe der Regionalisierungsmittel hergestellt werden.
Ein Zweites, was ich sagen möchte: Der ganz große Gewinner dieses Erfolgs – sprich mehr Frequenz im SPNV – ist die Deutsche Bahn. Wenn ich es richtig überblicke, ist der Nahverkehr für die Bahn eine der größten Ursachen für den Gewinn, den die Bahn mittlerweile hat. Dann kann sie aber nicht so tun und einfach sagen: „Diesen Gewinn streichen wir ein, und wenn die Länder als für den Schienenpersonennahverkehr Zuständige meinen, mehr tun zu müssen – entweder mehr Kurse oder in bestehenden Kursen mehr Kapazität anzubieten –, dann sollen sie uns bitte das Geld dazu geben.“ Hier muss unsere Forderung heißen: Wer eine Menge Gewinn einheimst, ist praktisch dazu verpflichtet, auch einen Teil dieses Gewinns wieder in die gewinnbringende Unternehmung, sprich den SPNV, zu investieren.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hans-Martin Haller SPD: Sehr richtig!)
Letztlich, meine Damen und Herren – das sage ich auch als Vertreter einer Regierungsfraktion –, kommen wir als Land nicht darum herum, uns zu überlegen, ob wir nicht auch vonseiten des Landes etwas mehr für den ÖPNV tun müssen.
Wenn wir sagen, das sei eine Erfolgsgeschichte, die beibehalten werden müsse, dann müssen wir wenigstens danach trachten, wie wir die größten Anstände beseitigen können. Ich darf jetzt noch einmal auf meinen Antrag zu sprechen kommen, mit dem ich um Auskunft über die Kapazitätsengpässe gebeten habe. Was dabei als Ergebnis herausgekommen ist – das sagt die Landesregierung selbst –, das ist schon mehr, als wir bei der Formulierung des Antrags tatsächlich vermutet haben.
Deswegen, Herr Staatssekretär, möchte ich einmal ganz sachte anfragen, ob wir nicht in der nächsten Zukunft überlegen müssen, die vor ein paar Jahren getroffene Entscheidung, Landeszuschüsse für das rollende Material einzustellen, rückgängig zu machen. Wir sind es dem SPNV und dem ÖPNV schuldig, die weitere gute Entwicklung nicht zu bremsen, indem wir sagen: „Ins rollende Material investieren wir nicht mehr“, sondern vielmehr zu sagen: „Wir müssen diese gute Entwicklung weiterhin unterstützen und deshalb auch wieder Landesmittel zur Verfügung stellen.“
Ich möchte nur noch einmal sagen: Nach den Überlastzahlen, die in diesem Antrag für die einzelnen Strecken aufgeschlüsselt sind, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als uns wirklich darum zu bemühen, dass für die Beseitigung dieses Problems in Zukunft – von mir aus schon beim nächsten Doppelhaushalt – ein bisschen mehr Geld vonseiten des Landes kommt, als dies bisher der Fall war oder der Fall sein musste.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Christine Rudolf SPD: Sehr gut!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es eigentlich relativ kurz machen. Beide Vorredner haben davon gesprochen, dass wir mehr in die Qualität des Schienenpersonennahverkehrs in Baden-Württemberg investieren müssen. Ich hatte gestern selbst wieder einmal das Erlebnis, mit einem dieser umgespritzten Silberlinge fahren zu dürfen.
Ich finde, es ist einfach ein Unding, auf der einen Seite den Fahrgästen die Preise zuzumuten, die man ihnen heute zumutet, und auf der anderen Seite eine Qualität zu bieten, die der Kollege Haller mit dem Begriff „Bangladeschi“ gekennzeichnet hat. Ich finde, das geht so nicht, weil man die Leute da
durch abschreckt, anstatt sie als Kunden für den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr zu gewinnen.
Der Vorschlag, den Sie in Ihrem Antrag gemacht haben – Sie haben es dann selbst zurückgenommen –, diese 2,5 Millionen € dauerhaft wieder für die Zugbestellung einzusetzen, ist, denke ich, vom Tisch, weil er so nicht realisierbar ist. Nichtsdestotrotz kann der Herr Staatssekretär nachher vielleicht kurz darauf eingehen. Sie schreiben in der Stellungnahme, dass dieses Geld wieder in den Schienennahverkehr münden soll. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie kurz ausführen würden, was das konkret bedeutet.
Herr Kollege Scheuermann, wir sind uns hier einig, dass wir mehr in die Qualität investieren müssen. Es darf nicht sein, dass die Bahn auf der einen Seite enorme Gewinne einstreicht, insbesondere was den Fernverkehr betrifft, und auf der anderen Seite solche Entwicklungen auf diejenigen „ablädt“, die im Nahverkehr Leistungen bestellen. Das Problem wird nur sein, dass wir sie nicht zwingen können. Daher habe ich die Befürchtung, dass es bei der Auseinandersetzung bleibt, die wir hier im Landtag zwischen den Fraktionen über die Frage führen, was wir an Mitteln aus dem Landeshaushalt gewinnen, um die Qualität im Nahverkehr weiter zu verbessern.
Die nächsten Haushalte werden schwieriger sein als die, die wir bisher hatten. Das wissen Sie, und das weiß ich. Daher werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Gleichzeitig – auch wenn ich mich jetzt unbeliebt mache, will ich das erwähnen – stemmen wir auf der anderen Seite wiederum Projekte – Stichwort Stuttgart 21 –, die auf Jahre hinweg – das wissen Sie, und das weiß ich – Mittel binden, die uns im anderen Fall für mehr Qualität im Schienennahverkehr in der Fläche zur Verfügung stehen würden. Das ist Fakt.
Jetzt kann man werten, indem man sagt: Dieses Projekt ist uns das wert. So entscheiden Sie sich. Wir haben uns anders entschieden und gesagt: Dieses Projekt ist uns das nicht wert, weil es uns wichtiger wäre, die Qualität des Schienenverkehrs insgesamt in der Fläche zu verbessern.
Nichtsdestotrotz bin ich für meine Fraktion gern dabei, wenn es darum geht, sich bei den nächsten Haushaltsberatungen zu verkämpfen, Mittel für die Verbesserung der Qualität des SPNV in Baden-Württemberg zu gewinnen. Ich denke, wir sollten weiter alles daransetzen, noch mehr Menschen in die Züge, in den Nahverkehr zu bekommen – aus Umweltgründen, aber auch zur Bekämpfung der Staus, die wir tagtäglich hier in Städten wie Stuttgart in den Ballungsräumen erleben. Es gibt dazu keine Alternative. Wir erleben tagtäglich die vollen Straßen. Letztlich ist es, glaube ich, die einzige Lösung, Möglichkeiten, die wir im Schienennahverkehr haben, weiter auszubauen, weiter zu verbessern. Das heißt, wir müssen hier weiter Geld hineinstecken und weiter investieren.
Für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir so etwas bei den nächsten Haushaltsberatungen mit Sicherheit unterstützen würden. Nur, wie gesagt: Ich bin skeptisch, welche Möglichkeiten wir da haben werden.
Auch wenn es darum geht, hier gemeinsam mit der Bahn zu verhandeln und Druck auf sie zu machen, ist es, glaube ich,
angesagt, dass alle vier Fraktionen hier im Landtag zusammenstehen sollten, um für die Fahrgäste im Nahverkehr in Baden-Württemberg noch mehr herauszuholen.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einen ganz entscheidenden Unterschied zwischen dem regionalen Schienenverkehr in Baden-Württemberg und in anderen Flächenländern.
Lassen Sie mich dies mit einem Zitat verdeutlichen: „Ein Reisender ist ein Mensch, der sein Leben in vollen Zügen genießt.“
Das Zitat wird zwar einem unbekannten Autor zugeschrieben. Aufmerksame Beobachter der Szene erkennen aber, dass es von Ihnen, lieber Kollege Haller, stammen muss. In jeder Sitzung des Innenausschusses berichten Sie uns von einem überfüllten Zug.
Ich freue mich dann jedes Mal, denn jeder dieser Züge beweist, dass die Menschen bei uns ihr Leben eben in vollen Zügen genießen können.
Genau. – Da haben Sie im Winter den ganzen Zug für sich allein. Wundern Sie sich also bitte nicht, wenn die aus Vorpommern stammende Bundeskanzlerin unsere Probleme nicht versteht.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Hans-Martin Haller SPD – Abg. Christine Ru- dolf SPD: Aua!)
Dort gibt es selbst in der Hochsaison kaum volle Züge. In Sachsen bei Herrn Tiefensee sieht es auch kaum besser aus. Also darf es eigentlich nicht verwundern, wenn die Große Koalition in Berlin die Regionalisierungsmittel kürzt.
Aber was für Vorpommern und für Sachsen richtig sein mag, ist für Baden-Württemberg noch lange nicht gut. Dort werden leer stehende Plattenbauten gesprengt – bei uns fehlt Wohnraum.
Dort werden Bahnhöfe stillgelegt – bei uns werden sie modernisiert. Dort werden leere Züge gestrichen – bei uns müsste man neue Züge anschaffen.