Protocol of the Session on February 13, 2009

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Schmid das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beratungen des Haushalts 2009 sind geprägt von der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Unsicherheit, die Wirtschaft und Gesellschaft erfasst hat, wirkt sich auch auf den Haushalt aus. Selten war eine mittelfristige Finanzplanung so wackelig wie die se.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Zeiten wie diesen ist ein handlungsfähiger Staat notwendiger denn je. Nach Jahrzehnten der Deregulierung und der Mäßigungsappelle an

den Staat merken wir jetzt: Wir brauchen einen schlanken, schlagkräftigen Staat und keinen fetten Staat, der wie ein Krake in alle Lebensbereiche eindringt

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut! – Beifall der Abg. Heiderose Berroth und Hagen Kluck FDP/ DVP)

oder der gar in Allmachtsfantasien ausbricht, wenn es darum geht, einzelne Unternehmen zu retten. Wir brauchen einen Staat, der für sich reklamiert, dort zu helfen, wo Sozialstaatlichkeit, Rechtsstaatlichkeit, Bildungsinvestitionen sowie Beschäftigung und Wachstum gesichert werden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Ein solcher Staat, meine sehr verehrten Damen und Herren, setzt aber voraus, dass die finanzielle Basis stimmt und dass die Steuerbasis nicht weiter erodiert. Die Finanzierung öffentlicher Aufgaben durch Steuern und Abgaben – ein jeder trage dazu nach seiner Leistungsfähigkeit bei – ist der Kern des handlungsfähigen Staates. Deshalb fordert die SPD-Landtagsfraktion seit Jahren eine Stärkung der Steuerverwaltung in diesem Land.

In den letzten zwölf Jahren wurden in der Steuerverwaltung über 1 770 Stellen abgebaut – 11 % des ursprünglichen Bestands. Selbst nach Auskunft des Rechnungshofs ist eine gleichmäßige Besteuerung nicht mehr gewährleistet. Mit dem vorliegenden Haushaltsplan 2009 wird dieser Abbau zum ers ten Mal gestoppt. Wir begrüßen, dass Sie einsichtig sind.

Aber trotzdem sind die Beförderungssituation und die Einkommensverhältnisse in dieser wichtigen Verwaltung schlecht. Wartezeiten von über zehn Jahren sind die Regel. Auch diejenigen, die in Besoldungsstufe A 6 neu anfangen, müssen zehn Jahre lang warten, bis sie ein paar Euro mehr pro Monat verdienen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Unglaublich!)

Deshalb fordern wir Sie erneut auf, in der Steuerverwaltung mehr Stellen vorzusehen und endlich einen Einstellungskorridor aufzumachen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Eine starke Steuerverwaltung ist aber auch wichtig, damit in diesem Land Steuergerechtigkeit herrscht.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wir brauchen eine Landesregierung, die offensiv gegen Steuerhinterziehung vorgeht. Sie sollte das Austrocknen von Steueroasen nicht bekämpfen – wie Sie, Herr Stächele, das tun –, sondern Herrn Steinbrück dabei unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Sie, lieber Herr Stächele, scheinen mir ein armer Tropf zu sein. Sie sind in dieser Koalition der FDP/DVP ausgeliefert, die seit Jahren eher der Handlanger der Steuerverkürzer ist,

(Zurufe von der SPD – Unruhe bei der FDP/DVP)

anstatt Steuerhinterziehung kraftvoll zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Jetzt haben Sie es uns aber gezeigt! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, der handlungsfähige Staat muss auch ein schneidiger Rechtsstaat sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es!)

Der handlungsfähige Staat beweist sich aber auch in Krisenzeiten, indem er Impulse für Wachstum und Beschäftigung setzt. Während sich die Landesregierung noch in Schockstarre befand, hat die SPD schon Anfang Dezember 2008 als ers te Partei Vorschläge für ein Konjunktur- und Investitionspaket für Baden-Württemberg vorgelegt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: So war es! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Da hat Herr Herrmann noch geschlafen! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmer- mann CDU – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Denn eines ist klar, sehr verehrte Damen und Herren: Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir als Staat agieren? Wir müssen die Rücklagen anpacken, die wir für schlechte Zeiten zurückgelegt haben. Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir Reserven heben, um Impulse für Investitionen und Beschäftigung im Land zu setzen?

(Beifall bei der SPD)

Wir liegen da gar nicht so weit auseinander, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP/DVP. Sie selbst nehmen, wenn Sie so wollen, eine Rücklage bzw. eine Reserve in die Hand,

(Abg. Ingo Rust SPD: So ist es! Richtig!)

nämlich 350 Millionen € aus der Nichttilgung von Schulden.

(Abg. Ingo Rust SPD: Ja! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist doch gut!)

Das wäre ansonsten eine Reserve für künftige Jahre. Sie nehmen sie in die Hand, um ein Konjunkturpaket zu finanzieren. Herzlich willkommen im Klub!

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Einma- lige Ausgabe! – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Schmid, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Wetzel?

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Danke! – Zurufe der Abg. Karl Zimmer- mann CDU und Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Sie haben Rücklagen für eine Bildungsoffensive gebildet, um mehr für die Bildung im Land zu tun. Sehr gut! Wir schlagen Ihnen vor, diese Rücklage jetzt anzuzapfen; denn jetzt brauchen wir mehr Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben kritisiert, dass wir Darlehensforderungen für den Wohnungsbau vorzeitig verkaufen würden, um jetzt in den Wohnungsbau zu investieren. Man sollte, wenn man im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen, Herr Herrmann. Es war Ihre Regierung, die Forderungen des Landes gegen die LBBW auf Jahre hinaus veräußert hat, nur um Haushaltslöcher zu stopfen und nicht etwa, um zu investieren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Bei den Bauern genau- so!)

Wir freuen uns, dass auch diese Landesregierung erkannt hat: Man kann – wenn auch begrenzt – mit gezielten Maßnahmen die Konjunktur jetzt stützen. Wir sind mit dem Infrastrukturprogramm, das die Landesregierung vorgelegt hat, weitestgehend einverstanden. Sie folgen den Vorschlägen, die wir in der vergangenen Woche gemacht haben, wie dem einer Pauschalzuweisung an die Kommunen, beispielsweise im Bildungsbereich.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Oje!)

Wir müssen jetzt nur noch klären, wie die Umsetzung auf der kommunalen Ebene zügig geschehen kann.

Eines müssen wir auch klären, liebe Kolleginnen und Kollegen und werte Mitglieder der Landesregierung, sofern sie noch da sind: Wie wird sich Baden-Württemberg im Bundesrat verhalten?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da bin ich einmal ge- spannt! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Es stimmt zu!)

Es gibt dazu ganz unterschiedliche Wasserstandsmeldungen. Herr Noll sagt, die FDP würde nicht im Wege stehen; es würde eine Zustimmung geben. Frau Homburger lässt sich zitieren, man müsse das offenhalten. Herr Goll als stellvertretender Ministerpräsident – er ist gerade vor der Tür – sagt, der Fisch sei noch nicht geputzt.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Vielleicht putzt er ihn gerade. Ich weiß es nicht.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ich sage an die FDP/DVP im Landtag von Baden-Württemberg gerichtet: Es geht nicht mehr darum, den Fisch zu putzen, sondern es geht darum, ihn zu kochen und Maßnahmen zu ergreifen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Reinhold Gall SPD sowie Hagen Kluck und Heiderose Berroth FDP/ DVP)