Protocol of the Session on June 29, 2006

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

im Rahmen ihres Bildungsauftrags die Aufgabe hat, Kinder und Jugendliche in ihrer körperlichen Entwicklung zu fördern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Diese Förderung ist nicht gegeben, wenn ganz klar signalisiert wird: Bei Schulfesten, auf Schulhöfen darf geraucht werden. Das heißt, ab 16 ist man erwachsen, ab 16 darf geraucht werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das Alter spielt keine Rolle!)

Von daher hat die Schule einen Bildungsauftrag, wonach im Schulgesetz eine ganz klare gesetzliche Regelung getroffen werden muss,

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Das kann die Schule selbst entscheiden! – Zuruf der Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP)

lieber Kollege Theurer, liebe Kollegin Berroth.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht. Ich verstehe sie wirklich nicht.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Hier ist niemand aufgeregt, Frau Kollegin! Die Einzige, die aufge- regt ist, sind Sie!)

Was spricht denn dagegen, alle Maßnahmen zu ergreifen, die möglich sind, um Jugendliche vor dem Rauchen zu schützen?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das wollen wir! Richtig! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP)

Das sind freiwillige Maßnahmen, das sind runde Tische, das sind Präventionsmaßnahmen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Sie haben nichts genützt. Deshalb: Vollziehen wir doch den Schritt, und nehmen wir die gesetzlichen Möglichkeiten mit hinzu, damit das Rauchen für Kinder und Jugendliche erschwert wird!

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Kinder, Jugendli- che und Lehrer!)

Es gibt überhaupt kein logisches Argument, das dagegen spricht. Ich habe auch von Ihnen noch keines gehört.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Reden Sie nicht nur, machen Sie nicht nur Ankündigungen, sondern tun Sie etwas, und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich vorwegzunehmen: Die FDP/DVP-Fraktion in diesem Haus wird den vorgelegten Gesetzentwurf der SPD-Fraktion mehrheitlich ablehnen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ach! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Mehrheitlich? Das ist interessant! – Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Sie wird den Gesetzentwurf aus zwei Gründen ablehnen, meine Damen und Herren.

Zum einen: Wir unterstützen die Initiative von Ihnen, Frau Ministerin Stolz. Sie wollen einen weiter gehenden Gesetzentwurf einbringen, der nicht nur die Schulen, sondern auch die öffentlichen Gebäude insgesamt einbezieht. Das findet unsere Unterstützung. Wir wollen keine Sonderlösung für die Schulen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Zum anderen: Wir haben trotz allem, was hier eben über die Vorteile eines absoluten Rauchverbots gesagt worden ist, nach wie vor unsere Bedenken, ob wir mit diesem absoluten Rauchverbot an unseren Schulen wirklich einen wesentlichen Schritt weiterkommen.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Wir wissen es alle – es ist eben schon angesprochen worden –: Es gibt schon ein generelles Rauchverbot bis zum Ende der zehnten Klasse. Auch die Oberstufenschüler dürfen in der Schule nur rauchen, wenn alle Beteiligten ihr Plazet dazu gegeben haben, nämlich die Lehrerkonferenz, der Elternbeirat, die Schülervertretung und die Schulkonferenz.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Es gibt kein generelles Rauchverbot!)

Trotz dieses Rauchverbots, meine Damen und Herren, ist die Zahl der Jugendlichen an der Schule, die schon sehr früh zur Zigarette greifen, weiter gestiegen.

Das Hauptproblem – auch das wurde hier im Haus schon angesprochen – ist, dass der erste Griff zur Zigarette eben sehr oft im Umfeld der Schule passiert. Das bedeutet doch im Klartext, meine Damen und Herren, dass das generelle Rauchverbot an unseren Schulen, das wir schon haben, ständig umgangen wird. Es greift nicht. Gerade im Schulalter ist das Rauchen ein wichtiges Hilfsmittel für die jungen Leute. Es werden damit soziale Kontakte aufgebaut und gepflegt. Das Rauchen wird von Jugendlichen als Ausdruck von Status, von Reife, von Erwachsenwerden verstanden. Hier ist

der Einfluss der Gleichaltrigen, der Gruppe, rauchender Freunde und Klassenkameraden immens.

Das heißt, auch hier sind wir völlig d’accord mit Ihnen. Der Schule kommt bei der Suchtprävention ungewollt eine ganz wichtige Stellung, eine ganz große Bedeutung zu, abgesehen davon, dass die Schule auch, wie schon erwähnt wurde, eh den Bildungsauftrag zur Gesundheitserziehung hat.

Deshalb – auch da sind wir völlig mit Ihrer Ansicht einverstanden – ist die rauchfreie Schule ein erster Schritt, um Jugendliche überhaupt vom Rauchen abzuhalten. Doch wie erreichen wir das Ziel? Viele Bundesländer haben schon ein absolutes Rauchverbot mit den entsprechenden Sanktionen verordnet. Nur, meine Damen und Herren, jeder von uns weiß doch aus dem alltäglichen Leben – das wissen wir mittlerweile auch aus Forschungsergebnissen –, dass direktive Regelungen, Regelungen, die von oben kommen, auf Widerstand stoßen, Trotzreaktionen provozieren. Diese Regeln werden oft bewusst umgangen.

Aber Regeln, meine Damen und Herren, die gemeinsam aufgestellt werden, die nach langer Diskussion in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess gefunden werden – eine gemeinsame Willensbildung –, führen am Ende auch zu einer gemeinsamen Verantwortung für die Einhaltung der Regeln. Da büxt eben niemand so schnell aus, weil er ja an der Entscheidungsfindung beteiligt war.

Das gilt auch für die Regeln im Schulalltag, meine Damen und Herren. Hier sehen wir die große Chance auch beim Thema „Rauchen in der Schule“. Wenn es gelingt, an der Schule eine gemeinsame Diskussion zu führen, eine gemeinsame Willensbildung zu erreichen, beim Thema Rauchen gemeinsame Regeln aufzustellen und deren Einhaltung zu kontrollieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel größer, dass diese Regeln auch wirklich eingehalten werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU)

Noch einmal, meine Damen und Herren: Schule hat eine besondere Verantwortung. Die kann ihr nicht abgenommen werden, auch nicht von uns, indem wir ein absolutes Rauchverbot erteilen. Aber wenn wir eine solche gemeinsame Willensbildung mit all ihren positiven Effekten wollen, dann geht es nicht nur um das Rauchen der Schüler, sondern dann muss es auch um das Rauchen der Lehrer an der Schule gehen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, selbstverständlich! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das betrifft sogar den Hausmeis- ter! Der ist auch dabei! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Reinigungsdienst!)

Meinetwegen auch der Hausmeister. – Untersuchungen haben auch hier wieder gezeigt, dass die Einstellung eines Lehrerkollegiums – das wissen wir aus Untersuchungen in der Praxis – auf die ganze Schule ausstrahlt. Es liegt ja auf der Hand: Je mehr Lehrer bereit sind, Präventionsmaßnahmen gegen das Rauchen aktiv selber zu unterstützen, desto mehr Schüler und Eltern können in diesen aktiven Prozess eingebunden werden. Die rauchfreie Schule ist möglich,

meine Damen und Herren, aber wir erreichen sie nicht allein mit Verboten und Sanktionen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir können sie durch eine freiwillige Einigung zwischen Rauchern und Nichtrauchern am Ende eines Diskussionsprozesses erreichen, am Ende einer intensiven Auseinandersetzung an der Schule, an der alle beteiligt sind: Schüler, Eltern und Lehrer. Bei dem gemeinsamen Ziel, gemeinsame Regeln festzusetzen und sie gemeinsam einzuhalten – ich sagte es schon –, werden Regeln auch viel seltener gebrochen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen anderen Aspekt ansprechen. Wir erreichen gewollte Erziehungsergebnisse nicht nur, indem wir etwas verbieten – jeder, der pädagogisch tätig ist, weiß das –, sondern wir erreichen diese Ergebnisse auch, indem wir Positives tun, hervorrufen, aktivieren, verstärken und belohnen.

Wie so etwas aussehen kann, hat ein Verbindungslehrer an der Ludwig-Uhland-Realschule in Tuttlingen gezeigt. Dass Rauchen schädlich ist, dass man davon krank wird und davon auch sterben kann, wissen heute ja schon die Kindergartenkinder. Trotzdem hindert es die Jugendlichen nicht daran, mit dem Rauchen anzufangen. Dieser Verbindungslehrer hat den Spieß einfach umgedreht. Er hat nicht mehr ermahnt und gescholten und verboten, er hat die Raucher einfach links liegen lassen. Die bisher kaum beachteten Nichtraucher hat er in den Mittelpunkt des Interesses gestellt. Sie wurden mit kleinen Aktionen belohnt. Sie dürfen an besonderen Nichtraucherveranstaltungen teilnehmen. Das heißt, diejenigen, die schon auf dem richtigen Weg sind, werden unterstützt. Denen wird die Aufmerksamkeit geschenkt. Und siehe da, meine Damen und Herren: An dieser Schule ist schon viel gewonnen; denn an der Uhland-Realschule ist Nichtrauchen bei den jungen Leuten mittlerweile cool.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So weit muss es kommen! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das, meine Damen und Herren, ist unsere Vorstellung von der rauchfreien Schule der Zukunft. Diesen Weg wollen wir weiter gehen. Das passt zu unserer Vorstellung von Schule als einer eigenverantwortlichen, toleranten Gemeinschaft, in der niemand diffamiert wird und die ein großes gemeinsames Ziel, nämlich die rauchfreie Schule, gemeinsam anstrebt.

Ich fasse noch einmal zusammen: Auch wir wollen den Nichtraucherschutz ausbauen und verstärken.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Aber diese Bemühungen werden unserer Meinung nach nur erfolgreich sein, wenn die Schulen einen Spielraum behalten für ein selbstbestimmtes, im Konsens gefundenes, eigenverantwortliches Handeln.