Insofern sollten wir nicht mit Zahlen aus Maierhebungen um uns schmeißen, sondern uns mit den relevanten Septemberzahlen beschäftigen.
Trotzdem hat Wirtschaftsminister Ernst Pfister infolge der Maizahlen und in Erkenntnis des Problems zum 1. Juni 2006 ein Sonderprogramm für zusätzliche Ausbildungsplätze aufgelegt.
Dieses Programm zielt auf Altbewerber und entspricht übrigens einer Forderung der SPD vor der Wahl. Darüber hinaus werden Lehrstellenwerber bei Kammern zu 25 % vom Land gefördert. Das ergibt ein Volumen von etwa 600 000 €.
Ich nenne noch einige weitere Maßnahmen: Der Wirtschaftsminister führt halbjährlich Spitzengespräche mit allen Akteuren am Lehrstellenmarkt. Er fördert Nachwuchskampagnen in Branchen, die noch offene Lehrstellen haben bzw. zusätzliche zur Verfügung stellen könnten, wie zum Beispiel das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Einzelhandel, das Handwerk
und die Bereiche Bau und Ernährung. Überdies wird im Sinne einer Doppelstrategie durch vielfältige Maßnahmen, wie zum Beispiel Sprachstandsdiagnosen, Fortbildung von Erzieherinnen und das Projekt „Schulreifes Kind“, die Ausbildungsreife von Schulabgängern verbessert.
So nimmt es auch nicht wunder, dass 2005 laut der aussagekräftigen Zahlen zum 30. September lediglich 3 333 unversorgten Bewerbern immerhin noch 2 100 offene Lehrstellen gegenüberstanden.
Zum 31. Dezember 2005 waren lediglich noch 1 058 unversorgte Bewerber in Baden-Württemberg zu beklagen. Alle Erfahrung lehrt, meine Damen und Herren, dass die Situation im Jahr 2006 ähnlich sein wird.
Schließlich, Frau Vogt, sei erwähnt, dass Baden-Württemberg mit einer Jugendarbeitslosigkeitsquote von 5,6 %, in absoluten Zahlen etwa 38 000 Jugendlichen, den besten Wert in der Bundesrepublik aufzuweisen hat. Im Vergleich dazu: Der Bundesdurchschnitt liegt bei 10,5 %, die Quote in Bayern liegt bei 10,8 %,
Herr Präsident, meine sehr verehrten, lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, wir hätten hier kein Problem.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist schon eine Erkenntnis! Das hat die FDP noch nicht gesagt!)
Denn wir haben es hier mit einem Thema zu tun, das aus meiner Sicht zu den wichtigsten Themen der Politik insgesamt gehört – auf Bundesebene, auf Gemeindeebene, aber natürlich auch auf Landesebene.
Worum geht es? Auf der einen Seite geht es darum, zu erkennen, dass wir angesichts der demografischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zum Teil schon heute, aber erst recht morgen und übermorgen qualifizierte,
das heißt ausgebildete Leute mit der Lupe suchen werden. Die Existenz und die Qualität des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg wird entscheidend davon abhängen, ob wir genügend ausgebildete Leute haben, die die entsprechenden Aufgaben übernehmen können.
Das Zweite ist: Gesellschaftspolitisch müssen wir wirklich alles tun, was wir können, um jungen Leuten, die aus der Schule kommen, in angemessenem Zeitraum das Gefühl zu geben, zu dieser Gesellschaft zu gehören. Wir dürfen sie nicht in die Perspektivlosigkeit entlassen.
Weil das so ist, meine Damen und Herren, sollten wir uns jetzt gar nicht darüber unterhalten – das ist auch gar nicht notwendig –, was der bessere Weg ist. Herr Müntefering sagt meines Erachtens völlig zu Recht: Lasst diese Uraltklamottendiskussion über Lehrstellenabgaben! Müntefering: Bürokratisches Monstrum! Das sagen auch wir hier in Baden-Württemberg, und das sagt auch die Opposition hier in Baden-Württemberg. Das sind Diskussionen von vorgestern; die wir nicht mehr zu führen brauchen.
Reden wir über die Möglichkeiten, die wir hier im Land Baden-Württemberg haben mit unserem Ausbildungspakt und den Instrumentarien, die wir bereits in der Vergangenheit entwickelt haben und in der Zukunft neu entwickeln werden.
Reden wir auch nicht über den Zahlensalat. Es lohnt sich nicht – da hat Herr Kollege Dr. Rülke völlig Recht –, zu diesem Zeitpunkt über Zahlen zu diskutieren. Denn wir haben es in den letzten zwei, drei Jahren immer wieder erlebt – ich kann das nachweisen –, dass wir Ende Mai, Ende Juni eine Situation hatten, die wirklich zu Stirnrunzeln Anlass geben musste, die sich aber aufgrund verschiedener Faktoren so entwickelt hat, dass wir es in der Vergangenheit immer wieder geschafft haben, am Ende des Jahres relativ wenige, also maximal 500 oder 800 unversorgte Bewerber zu haben.
„Unversorgte Bewerber“ heißt natürlich nicht, dass wir nur Ausbildungsplätze angeboten hätten. Da ist natürlich das schulische Angebot enthalten; das gebe ich zu. Aber, meine Damen und Herren, eines ist auch klar: Das Land BadenWürttemberg ist das Land, das die meisten vollzeitschulischen Plätze zur Verfügung stellt, und bevor die Leute auf der Straße stehen, ist es mir allemal lieber, sie bekommen auf diese Art und Weise eine entsprechende Ausbildung.
Dann sollten wir auch eines nicht vergessen – das wird sicherlich auch die Opposition gern so attestieren; wie gesagt, ich will nichts schönreden –: Wenn uns heute Morgen von der Bundesagentur mitgeteilt wird, Frau Vogt, dass Baden-Württemberg eine Jugendarbeitslosigkeit von 5,2 % hat – Stand heute: 5,2 %! – und damit mit Abstand, aber wirklich mit großem Abstand die geringste Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland – der Bundesdurch
schnitt liegt bei 10,5 % –, dann ist das ein Ergebnis, das wir ja dankend zur Kenntnis nehmen können. Denn aus diesem Ergebnis ergibt sich aus meiner Sicht, dass jedenfalls wir in Baden-Württemberg keine große Angst vor französischen Verhältnissen haben müssen, weil wir bereits in der Vergangenheit die notwendigen Maßnahmen eingeleitet haben, damit es nicht zu einer Katastrophe kommt. Wir können also sagen: Wir sind auf einem Niveau, das das beste in der Bundesrepublik Deutschland und das ausbaufähig ist. Wir sind bereit, die notwendigen Schritte zu tun, die noch getan werden müssen, um die 5,2 % noch weiter zu senken; wir alle miteinander sind bereit, dieses Instrumentarium auch zu nutzen.
Was ist das Instrumentarium? Frau Kollegin Vogt hat einige Punkte angesprochen. Sie haben zum Beispiel das Thema Ausbildungsverbünde angesprochen. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Warum? Wir wissen: 30 % der Unternehmen in Baden-Württemberg könnten zwar ausbilden, haben also die Ausbildungsberechtigung, tun es aber aus irgendwelchen Gründen nicht; der Kollege Kultusminister wird in der zweiten Runde auch auf dieses Thema Ausbildungsreife im Einzelnen noch eingehen.
Mit den Ausbildungsverbünden haben wir die Möglichkeit, Betriebe, die bisher aus irgendwelchen Gründen nicht ausgebildet haben, vielleicht auch weil sie nicht die gesamte Palette der Ausbildungsmöglichkeiten hatten, noch zusätzlich zu gewinnen. Das Land Baden-Württemberg hat im letzten Jahr in vollem Umfang die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung gestellt und wird dies auch in diesem Jahr tun, damit es solche Ausbildungsverbünde geben kann. Ich wiederhole: in vollem Umfang!
Wir haben festgestellt, dass die so genannten Lehrstellenwerber, für die wir 600 000 € pro Jahr zur Verfügung stellen und die im letzten Jahr, wenn Sie so wollen, durch Klinkenputzen 7 000 zusätzliche Lehrstellen geworben haben, den großen Vorteil haben, dass sie natürlich auch in genau die Betriebe hineingehen können, die bisher nicht ausgebildet haben. Das heißt, wir können auf diese Art und Weise unsere Palette, unsere Bandbreite entsprechend erweitern.
Dritter Punkt: Ich weiß, dass nicht jeder mit dem Stichwort Einstiegsqualifizierung die besten Erfahrungen gemacht hat. Nur, klar ist auch, dass die Bundesagentur sagt – das ist ja eine Bundesmaßnahme –, dass diese Einstiegsqualifizierung, in der Regel ein halbes Jahr, gewissermaßen einen Einstieg in eine zukünftige Ausbildung bedeutet. 60 % derjenigen, die diese Einstiegsqualifizierung gemacht haben, sind auch tatsächlich in eine neue, zusätzliche Lehrstelle übernommen worden, und zwar zunehmend in Betrieben, die bisher überhaupt nicht ausgebildet haben.
Meine Damen und Herren, wir haben ein ganzes Spektrum an Instrumenten, mit denen wir versuchen, diese Möglichkeiten in der Zukunft noch zu verbessern. Wir haben seit zwei Jahren einen Ausbildungspakt. Das wissen Sie. Dieser sieht vor, dass bei den Ausbildungsplätzen ein Plus von 3 800 und bei den Praktikumsplätzen ein Plus von 3 200 erreicht werden soll. Diese Verpflichtung gilt sowohl für 2004 als auch für 2005 und 2006. Die Wirtschaft und nicht die Politik stellt Ausbildungsplätze zur Verfügung. Die Wirtschaft hat die Zahl der Ausbildungsplätze in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt. Und sie wird sie – das zeigen alle Zahlen jetzt schon – auch in diesem Jahr wiederum verdoppeln.
Ich glaube schon, dass wir, wenn wir die Möglichkeiten nutzen, die wir hier haben, dann auch am Ende dieses Jahres zu einem Ergebnis kommen können, bei dem plus/minus niemand unversorgt ist. Es gibt da verschiedene Wege. Es gibt den klassischen Ausbildungsplatz. Dieser ist mir am liebsten; auf den müssen wir besonders setzen, weil ich das duale System nicht kaputtmachen will, meine Damen und Herren.
Der Kollege Lehmann von den Grünen hat vorhin darauf hingewiesen, dass wir, wenn uns nichts anderes übrig bleibt, die Ausbildungsplätze in die Schulen verlegen müssen.
Ich sage Ihnen, ich kann mir nicht vorstellen, dass in der Zukunft ein Geselle seine Gesellenprüfung bei der Handwerkskammer macht, aber in der ganzen Zeit nicht einmal einen Betrieb von innen gesehen hat.