Protocol of the Session on December 4, 2008

Doch Klagen allein hilft nicht weiter. Gerade der Badische und der Schwäbische Sängerbund bzw. Chorverband haben deshalb schon vor Jahren begonnen, in den Kindergärten und Schulen mit verschiedenen Angeboten junge Menschen für das Singen zu begeistern. Das Programm FELIX beispielsweise ist speziell für das Singen im Kindergarten entwickelt worden. Dies ist umso wichtiger, da neurobiologische Forschungen ergeben haben, dass eine frühe musikalische Bildung die Ausprägung kognitiver und auch sozialer Kompetenzen fördert.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, ein Großteil dieser Arbeit erfolgt ehrenamtlich. Brauchtum und Heimatpflege wären ohne das Ehrenamt allenfalls Makulatur. Deshalb gebührt den ehrenamtlich Tätigen unser besonderer Respekt und unser besonderer Dank. Eine Gesellschaft, soll sie denn gelingen, muss ihre Wurzeln kennen, muss wissen, wo sie steht und wie sie ihre Zukunft gestalten will. Die Heimat bietet das Fundament, also den Boden für diese Wurzeln. Das Brauchtum zeigt auf, wie sich die Gesellschaft entwickelt hat. Wer die Zukunft gestalten will, kann dies nur, indem er sich des Brauchtums und der Heimatpflege besinnt, sinnvoll tun.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Herr Präsident, eine Nachfrage!)

Ihre Redezeit ist beendet, Herr Kollege.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Fragezeit auch!)

Jetzt hat die Landesregierung das Wort. – Herr Staatssekretär, bitte.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Ich habe auch eine Frage an den Herrn Staatssekretär!)

Der Herr Staatssekretär hat ja noch gar nicht geredet.

(Heiterkeit)

Bitte, Herr Staatssekretär.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zu Anfang meiner Ansprache bewusst wieder etwas Seriosität in diese Debatte hineintragen. Ich bedanke mich zunächst einmal sehr herzlich bei der CDU-Landtagsfraktion für diese Große Anfrage, weil es im Besonderen auch darum geht, das große zeitliche Engagement der Ehrenamtlichen, gerade in den traditionellen Strukturen unseres Landes, zu würdigen. Wenn wir gemeinsam darüber sprechen, welche Rahmenbedingungen zu einem erhöhten Engagement dieser Ehrenamtlichen führen, sind wir uns darüber einig, dass alle den Respekt dieses Hohen Hauses und gleichzeitig auch der Landesregierung verdient haben.

(Beifall bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund bin ich auch sehr dankbar, dass wir Gelegenheit haben, heute einige Aspekte zu thematisieren.

Es sind nun einmal zum allergrößten Teil Ehrenamtliche, die sich in Vereinen, Klubs und Zünften engagieren, unser Brauchtum erhalten und Heimatpflege betreiben. Es sind viele Menschen – Hunderttausende in Baden-Württemberg –, die sich um das Brauchtum und die Heimatpflege in unserem Land verdient machen.

Herr Staatssekretär, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Bachmann zu?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er ist schon ganz aufgeregt! Lasst ihn fragen! – Unruhe)

Ich glaube, dass ich diese Frage nicht ablehnen kann.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie wie Kollege Kleinmann und ich der Meinung sind, dass die Volkstanzgruppe in Sulz am Neckar einen wichtigen Beitrag zur Brauchtumspflege leistet.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Ei, ei, ei! – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Ojemine! – Abg. Reinhold Gall SPD: Herr Präsident, kann sich da jetzt jeder zu Wort melden?)

Bitte, Herr Staatssekretär.

Jeder Einzelne, denke ich, der seinen Beitrag in seinem Verein leistet, leistet Hervorragendes.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das gilt allgemein, ob in Sulz, in Schriesheim oder sonst wo.

Ich darf am Anfang noch einmal hervorheben: Wir hatten im Jahr 2004 eine Umfrage seitens der Bundesregierung – den Freiwilligensurvey –, aus der hervorgegangen ist, dass sich 42 % der Baden-Württemberger ehrenamtlich engagieren. Wenn wir die unterschiedlichen Strukturen des ehrenamtlichen Engagements in Baden-Württemberg anschauen, stellen wir fest, Herr Kollege Walter, dass es sehr viele zeitgemäße Strukturen im bürgerschaftlichen Engagement gibt, daneben aber auch viele traditionelle Strukturen, in denen seit

vielen Jahrzehnten auch und gerade Heimat und Brauchtum gepflegt werden.

Dies steht überhaupt nicht in einem Widerspruch zueinander, sondern das ist Teil einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte in unserem Land. Wenn sich nahezu jeder Zweite in einer solchen Gruppe engagiert, leistet er einen besonderen Beitrag für den sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerade diese traditionellen Strukturen in den Heimatvereinen und den traditionellen Vereinen haben auch das Fundament gelegt, auf dem es gilt, die Strukturen auszubauen und damit auch das Ehrenamt zukunftsfähig zu gestalten.

Um es gleich zu sagen: Die weitverbreitete Furcht, dass sich auch die Menschen in Baden-Württemberg in Scharen ins Private zurückzögen und ehrenamtlichem Engagement und gemeinschaftlichen Aktivitäten den Rücken kehren würden, ist nicht begründet. Denn was die Gesamtzahl der Mitglieder in allen Vereinen, die sich der Heimatpflege widmen, angeht, so ist diese in etwa gleich geblieben, da abnehmende Mitgliederzahlen in einigen Vereinen und Bereichen durch eine Steigerung der Mitgliederzahl in anderen Bereichen ausgeglichen wurden.

Es gab in den letzten Jahren enorme Steigerungen, auch wenn öffentlich hin und wieder das Gegenteil behauptet wird. Im Bereich der Theatergruppen gab es in den letzten zehn Jahren eine Steigerung um 20 % auf 606 Mitgliedsbühnen des Landesverbands der Amateurtheater. Die Zahl der Freilichtbühnen hat sich in den letzten drei Jahren sogar auf 44 Spielstätten verdoppelt.

589 Museen in unserem Land weisen einen Sammelbestand mit volkskundlichem, heimatkundlichem oder regionalgeschichtlichem Schwerpunkt auf und zählen damit zu den Heimatmuseen. Über zwei Drittel dieser Heimatmuseen sind im ländlichen Raum angesiedelt. Bei den Heimatmuseen handelt es sich in der Regel um kleinere Museen in überwiegend ehrenamtlicher Regie.

Wenn man all dies zusammen nimmt, sind es 1,4 Millionen Personen, die sich direkt oder indirekt gerade für die Pflege des Brauchtums und damit auch für unsere Heimat engagieren. Deswegen nochmals ganz herzlichen Dank dafür.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Dieses hohe Engagement – sprich diese für unsere Kultur aktiven Menschen – hat unsere Unterstützung verdient. Diese ehrenamtlich tätigen Menschen profitieren nicht nur von den 500 000 €, die wir gerade in diesen Bereichen in die Verbändeförderung investieren, sondern auch von vielen anderen Programmen – von der Jugendarbeit bis zur Laienmusikförderung. Es gibt also verschiedene gewachsene Förderstrukturen in unserem Land, die diese günstige Entwicklung ermöglicht haben.

In Artikel 12 der Landesverfassung steht: „In der Liebe zu Volk und Heimat“ gilt es, die Jugend zu erziehen. Ich glaube, dass dieser Satz nach wie vor hochaktuell ist, auch wenn hier manche meinen, er sei altertümlich.

Deswegen haben wir gerade bei der Umsetzung unserer Bildungsplanreform im Jahr 2004 als erklärtes Ziel in unserem schulischen Unterricht verankert, die Verbundenheit der Kin

der und Jugendlichen mit dem Heimatraum und seinen Menschen zu fördern. Diese Aufgabe ist schwerpunktmäßig den einzelnen Fächern und auch den Fächerverbünden zugeordnet. Sie hat aber auch Relevanz für den ganzen Fächerkanon der verschiedenen Schularten. Brauchtumspflege findet sich daher ebenso in den Fächern Evangelische und Katholische Religionslehre, Musik, Bildende Kunst, Erdkunde und den entsprechenden Fächerverbünden sowie natürlich auch im Fach Deutsch.

Die Schülerinnen und Schüler der Grundschule erwerben bereits im Fächerverbund „Mensch, Natur und Kultur“, auch wenn man sich an diesem Begriff zunächst einmal stoßen mag – – Tatsache ist, dass die Heimatpflege, die Verbundenheit zur Region und zur Heimat, wesentlicher Bestandteil der Bildungsplanung gerade im Rahmen des Fächerverbunds ist. Insofern hat der Stellenwert der Heimatpflege gerade bei den Grundschulkindern nicht gelitten, sondern sie wurde sogar ausgebaut.

Meine Damen und Herren, dort, wo es aufgrund familiärer Defizite gegenläufige Entwicklungen in Richtung einer Entfremdung von Heimat und Tradition geben mag, kann Schule im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus gegensteuern und durch verschiedene Akzente und Impulse neues Interesse an Heimat und Brauchtum wecken.

Ich könnte die einzelnen Bereiche skizzieren. Viele Vorredner haben das bereits getan. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, zu erkennen, dass gerade die Traditionsvereine die Zeichen der Zeit sehr wohl erkannt haben. Ein Musikverein im ländlichen Raum, der sich auf traditionelle Blasmusik konzentriert und gegebenenfalls noch Literatur des frühen 20. Jahrhunderts als modern bezeichnet, hat natürlich gerade im Zuge der demografischen Entwicklung verloren.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Deswegen weiß jeder Musikverein und jeder Gesangverein, dass es, um die Attraktivität für die Menschen zu steigern, im Grunde darum geht, eine Brücke zwischen den Generationen herzustellen, Heimat- und Brauchtumspflege mit hochmoderner Musik auf einem hohen musikalischen Niveau zu verbinden.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Das wird auch gemacht!)

Wenn diese Herausforderung vor Ort gestaltet wird, werden diese Vereine nicht nur überleben, sondern sie bieten den Menschen auch Heimat an, Frau Haußmann,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das wird gemacht, Herr Staatssekretär! Dafür gibt es ganz viele Bei- spiele!)

damit auch die jungen Menschen die Motivation haben, sich in diesen Vereinen zu engagieren.

Die Mundart wird im Rahmen der Amateurtheatervereine intensiv gepflegt. Umzüge und Volksfeste sind nicht nur zum Vergnügen gedacht, sondern haben einen ganz klaren Traditionsgehalt. Über die Fastnacht brauche ich in diesem Raum überhaupt nicht zu sprechen. Wir alle kennen den besonderen Wert dieser närrischen Tage.

Auch das ausländische Brauchtum gilt es zu pflegen. Ich möchte deswegen mit Respekt auf das ausländische Brauchtum verweisen. Dieser Respekt ist ein notwendiger Schritt der Bevölkerungsmehrheit, um Menschen mit Migrationshintergrund die Integration zu erleichtern.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Er nimmt diesen Menschen die Angst, ihre eigene Identität zu verlieren, und zeigt ihnen auch, dass sie als Menschen und nicht nur als Arbeitskräfte akzeptiert werden.

(Zuruf des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)