Protocol of the Session on November 6, 2008

Eine letzte Bemerkung: Nicht erst seit der letzten Landtagswahl in Bayern schauen wir manchmal gern in unser Nachbarland und sagen: Man kann auch von Bayern in manchen Punkten etwas lernen. Auch an diesem Punkt lohnt es sich, einen Blick nach Bayern zu werfen. Die Landtagsabgeordneten im Bayerischen Landtag haben schon seit Langem eine Mitarbeiterausstattung, die über der liegt, die wir in der Endausbaustufe bei uns haben werden. Schon heute verfügt jeder Abgeordnete über ein Personalbudget von 4 600 € pro Monat. Wir werden auch in der Endausbaustufe unter dem bleiben, was im Bayerischen Landtag schon heute Standard ist.

Wir brauchen ein starkes Parlament. Wir brauchen Abgeordnete, die zuverlässig, schnell und kompetent arbeiten können. In diesem Sinne unterstützen wir das Vorhaben.

Ich möchte noch eines auch in Richtung Presse und Öffentlichkeit sagen: An diesem Punkt wird ja normalerweise gern

mit großem Argwohn und Skepsis auf das geschaut, was das Parlament sich sozusagen in eigener Sache genehmigt. Ich finde, es ist ein gutes Signal und ein Zeichen dafür, dass die Presse hier verstanden hat: Sie hat über das informiert, was hier geplant ist. Offensichtlich haben unsere Argumente auch im Vorfeld schon überzeugt, denn von Polemik und bösen Unterstellungen spüren wir hier nichts. Ich hoffe, dass das auch bis zum Abschluss der Beratungen so bleibt.

In diesem Sinn vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Günther-Mar- tin Pauli CDU)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Frau Abg. Berroth das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon angeführt: Die Arbeit ist nicht nur für Regierung und Landtagsverwaltung komplexer geworden. Nein, auch bei uns im Wahlkreis kommen immer häufiger Anfragen an, für deren sachgerechte Bearbeitung eine gewisse wissenschaftliche Grundausbildung vorhanden sein sollte. Das verlangt eigentlich, dass man zumindest in Teilzeit auch eine entsprechende Beschäftigung anbieten kann, zur Entlastung für uns Abgeordnete, die wir an anderer Stelle so belastet sind, dass wir ausführliche Recherchen eigentlich nicht mehr selbst bewältigen können.

Es ist völlig zu Recht angedeutet worden: Die bisherige Einstufung unserer Mitarbeiter grenzt teilweise an Ausbeutung. Wenn wir jetzt einen Schritt hin zu einer korrekteren Einstufung kommen, ist das richtig.

Dabei kann ich allerdings die unterschiedliche Formulierung in diesem Gesetzentwurf nicht ganz verstehen, wonach man für die Übergangszeit sagt, dass das Entgelt, also die Pauschale,

... dem Bruttoentgelt eines Beschäftigten der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 des TV-L zuzüglich eines Viertels eines Bruttoentgelts eines Beschäftigten der Entgeltgruppe 13 Stufe 5...

entsprechen soll

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber das haben wir doch schon besprochen!)

lassen Sie mich das bitte ausführen – und in der endgültigen, dauerhaften Regelung in Artikel 1 dann von einem „Beschäftigten der Entgeltgruppe 14 Stufe 5“ des TV-L gesprochen wird.

Für mich klärt sich nicht ganz, warum wir da nicht auch sagen: In der Endstufe entspricht das Bruttoentgelt der Entgeltgruppe 6 Stufe 6 zuzüglich der Hälfte des Bruttoentgelts der Entgeltgruppe 13 Stufe 5. Denn aus meiner Sicht wird es der seltenste Fall sein, dass wir nur einen Mitarbeiter mit einer so hohen Einstufung haben. In der Regel sind das zwei oder sogar manchmal drei Mitarbeiter. Weshalb sollten wir uns dann eigentlich vorhalten lassen, dass wir plötzlich so teure Leute brauchen? Ich hätte kein Problem damit, wenn man dann auch für die Endstufe, wie gesagt, die eben vorgetragene Formulierung „Entgeltgruppe 6 Stufe 6 zuzüglich der Hälfte des

Bruttoentgelts der Entgeltgruppe 13 Stufe 5“ wählt. Die Höhe wäre dieselbe, aber es wäre nicht so irreführend für Menschen, die sich mit dieser Sache nicht so auskennen, die das einfach lesen und fragen: Wofür brauchen die Abgeordneten Leute, die höher eingestuft sind als unsere Mitarbeiter in der Landtagsverwaltung oder in der Fraktion? Dieses schiefe Bild entsteht dann nämlich, und das wäre eigentlich schade.

Die Verbesserung der IT-Ausstattung sehe ich als einen Schritt in Richtung Waffengleichheit. Ich habe das kürzlich schon einmal formuliert: Es kann nicht angehen, dass die Abgeordneten, die die Regierung kontrollieren, mit dem Griffel schreiben, während auf der „Gegenseite“ Hochtechnologie verwendet wird. Die Aufstockung dient natürlich nicht dazu, dass wir miteinander fechten, sondern dient der Effizienz unserer Arbeit.

Wenn wir unsere Arbeit effizient machen, dann wird das auch dem Ansehen von Politik in der Gesellschaft nur nützen können. Deswegen denke ich: Was zunächst so aussieht, als ob wir einfach nur mehr Geld verbrauchten, ist letztlich eine Stufe der Qualitätsoffensive Demokratie. Als solches will ich das auch sehen. Ich will, dass unsere Arbeit qualitativ noch besser wird, sodass die Menschen im Land weiterhin gern Demokratie mittragen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Bernd Hitz- ler CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Sie stimmen dem zu. Dann ist es so beschlossen.

Punkt 7 der Tagesordnung ist abgeschlossen.

Für den weiteren Fortgang der Tagesordnung will ich Ihnen bekannt geben, dass die vier Fraktionen übereingekommen sind, Tagesordnungspunkt 10 abzusetzen. Es wird angestrebt, diesen Punkt, in dem es um die Stärkung des ländlichen Raums, Breitbandkabelanschlüsse usw. geht, in einer der nächsten Sitzungen weiter vorn zu platzieren. Ich sage das nur, damit Sie sich im Laufe des Nachmittags darauf einstellen können.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Inklusion von Kindern mit Behinderungen durch Weiterentwicklung vorschulischer und schulischer Sondereinrichtungen zu echten Kompetenzzentren – Drucksache 14/2128

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Ich rufe gleichzeitig den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/3493, auf.

Das Wort für die Fraktion der SPD erhält Herr Abg. Staiger.

Ich darf die Ansammlungen in der Mitte des Plenarsaals bitten, die Gespräche nach außerhalb des Plenarsaals zu verlegen oder sich einfach hinzusetzen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir heute Morgen eine hitzige Debatte über grundsätzliche bildungspolitische Ziele und Entwicklungen geführt haben, können wir heute Nachmittag ein bisschen in die Praxis gehen und zu dem kommen, was uns in diesem Land auch berührt. Wir müssen etwas thematisieren, was heute Morgen auch von unserer Seite zu kurz gekommen ist, nämlich die Situation von Kindern mit Behinderungen in unserem Schulsystem.

In der Diskussion über den Sinn des dreigliedrigen Schulsys tems wird immer vergessen, dass wir ein weitaus differenzierteres Schulsystem haben mit einer bunten Palette von Sonderschulen, wo Kinder mit Behinderungen beschult, betreut und gefördert werden.

Mit diesem Antrag wollen wir das Thema „Inklusion bzw. Integration von Kindern mit Behinderungen“ verstärkt in die bildungspolitische Diskussion einbringen und erste Schritte dazu vorschlagen.

Es geht uns auf dem Weg zu einer zukünftigen inklusiven Schule – möglicherweise eine Vision einer Schule für alle, die natürlich auch differenzierende Anteile haben kann und muss – zunächst um die Weiterentwicklung des bisherigen, schwach entwickelten und unzureichenden Integrationsangebots in Kindertagesstätten und Schulen. Bei dieser Weiterentwicklung sehen wir die Sonderschulen in der Rolle als Kompetenzzentren, die diesen Prozess konstruktiv begleiten.

Wir wollen damit erreichen, dass die wohlklingenden Sätze, die Sie bei Veranstaltungen mit Menschen mit Behinderungen immer hören – z. B. „Mittendrin statt außen vor“ oder „Es ist normal, verschieden zu sein“ –, schrittweise mit ganz einfachen Maßnahmen in konkrete Politik umgesetzt werden können. Denn die schulische und vorschulische Wirklichkeit in Bezug auf die Integration von Kindern mit Behinderungen ist bei Weitem nicht so ideal, wie es die Stellungnahme des Kultusministeriums erscheinen lässt.

Die Zwischenbilanz des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes wurde auf Anregung des Sozialministeriums von den Verbänden und Selbsthilfeverbänden für Menschen mit Behinderungen kommentiert. Die Rückmeldung der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen betraf vor allem den Bildungsbereich. U. a. wurde festgestellt: Es ist noch weitgehende Praxis, dass Kinder mit Behinderungen nicht bei der zuständigen Grundschule angemeldet werden können, sondern aufgrund von Absprachen der Schulkindergärten und Sonderschulen gleich in Sonderschulen eingeschult werden.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Als weiterer Punkt wurde angeführt, begonnene Integrationsprojekte in der Grundschule könnten in der Sekundarstufe nicht weitergeführt werden, weil sie nicht genehmigt würden. Solche Bemerkungen und Bewertungen – das sind vielleicht Einzelfallbeispiele, die man jedoch nicht pauschalisieren sollte – teile ich nicht im vollen Umfang. Ich weiß nämlich, dass die Kolleginnen und Kollegen engagiert mit förderbedürftigen behinderten Kindern arbeiten und die Eltern kompetent beraten. Ich bin an einer Förderschule tätig, mache auch noch Beratungsarbeit in der Frühberatungsstelle und arbeite in Kooperation mit Grundschulen.

Wir haben jedoch ein Dilemma: Wir haben nur ein eingeschränktes Angebot zu machen, denn nach wie vor gibt es einen letztendlichen Vorrang der Segregation, also der Ausgliederung, vor der Integration, nämlich dann, wenn die Bedingungen der Verwaltungsvorschrift – das heißt, das Schulgesetz – nicht erfüllt werden können.

Wir haben keine Verankerung von integrativem, zieldifferentem gemeinsamem Unterricht im Schulgesetz. Sonderpädagogische Förderung an Regelschulen ist – wenn überhaupt – nur möglich, wenn die Schüler hierdurch in die Lage versetzt werden, dem Bildungsgang der Allgemeinschulen zu folgen. Es wird nach wie vor die passende Schule für das jeweilige Kind gesucht und nicht die Schule bzw. die Lernumgebung für das Kind passend gemacht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Dabei sind solche heterogenen Lerngruppen, in die diese Kinder integriert werden, sehr positiv; sie stellen eine Bereicherung des Schullebens und eine Bereicherung auch für die Kinder dar, die normal entwickelt und nicht z. B. entwicklungsverzögert sind. Es stärkt die kognitive Kompetenz und die Sozialkompetenz.

Meine Damen und Herren, um Missverständnisse zu vermeiden, stelle ich klar: Es geht uns nicht um eine „Zwangsintegration“, sondern es geht um Wahlmöglichkeiten für Eltern und Kinder, um pädagogisch sinnvolle Alternativen, um Entwicklungsmöglichkeiten von allgemeinen Schulen in Kooperationen mit Sonderschulen und um die Weiterentwicklung integrativer Schulprojekte, die natürlich – dazu stehen wir auch – evaluiert werden müssen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Dabei sind die Sonderpädagogen mit ihrer Ausbildung unverzichtbar. Sie arbeiten heute in einem schwierigen Umfeld: Die äußeren Rahmenbedingungen sind gekennzeichnet durch mehr und intensivere Beratungstätigkeit bei seit über zehn Jahren gleich bleibender Zahl von Deputatsstunden, z. B. in der Frühberatungsstelle, bei zunehmender Nachfrage von den Grundschulen nach Kooperationen und der fehlenden Zeit dafür, bei kritischen und abwehrenden Eltern, die, wenn sie „Sonderschule“ hören, den Kontakt abbrechen – vor allem sind solche Prozesse bei Familien mit Migrationshintergrund festzustellen, die Kinder in der Schule haben.

Wir kämpfen in der Beratungstätigkeit um Verständnis und um Zustimmung für besondere Fördermaßnahmen, geraten aber hier sehr schnell an Grenzen, weil wir auch zeitlich nicht die Möglichkeit haben, ausreichend zu begleiten.

Deshalb geschieht etwas, was man „graue Integration“ nennen könnte: Das Kind mit besonderem Förderbedarf bleibt in der Grundschule. Eine individuelle Förderung ist bei einer Klassenstärke von 25 Schülerinnen und Schülern jedoch nur eingeschränkt möglich. Stütz- und Förderunterricht gibt es zweimal in der Woche, die Hausaufgabenbetreuung wird möglicherweise nur unregelmäßig wahrgenommen. Das Kind erreicht das Klassenziel nicht. Die Konsequenz daraus ist die Wiederholung der Klasse, die weitere Konsequenz ist eine be

schädigte Schulkarriere. Dies schadet den Kindern in ihrer psychischen Entwicklung, in ihrer Gesamtentwicklung, und es schadet – wenn man es gesamtgesellschaftlich sieht – uns allen.

Deshalb möchten wir, dass am Anfang der Bildungsbiografien von Kindern mit Behinderungen und Kindern mit besonderem Förderbedarf Begleitung und Beratung sichergestellt werden und dass ein solcher Förderbedarf nicht notwendigerweise bedeutet, dass das Kind auf eine Sonderschule muss. Es kann auf eine Sonderschule gehen – dazu sagen wir ausdrücklich Ja –, aber es muss nicht. Dazu müssen die Sonderpädagogen aber in die zahlreichen Projekte wie „Schulreifes Kind“, „Bildungshaus“ und in andere Vorstellungen zur Weiterentwicklung von Schule einbezogen werden, die vor Ort durchaus sinnvolle Ergebnisse bringen können.

Mit diesem Antrag wollen wir eine Entwicklung anstoßen, die zieldifferente, integrative Angebote in Kooperation mit Sonderschulen ermöglicht, die integrative Schulentwicklungsprojekte unterstützt und die Sonderschulen zu Kompetenzzentren entwickelt, die wirklich niederschwellige Beratung bieten können, weil diese nicht in die Sonderschule einweisen müssen, sondern Alternativen aufzeigen können. Wir können an diesen Kompetenzzentren Hilfen organisieren und bereitstellen und Kinder in Grundschulen begleiten. Dazu sind aber Ressourcen dringend notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Renate Rastätter und Franz Untersteller GRÜNE)

Der Ihnen vorliegende Änderungsantrag Drucksache 14/3493 sollte, denke ich, im Schulausschuss intensiv diskutiert werden, und zwar im Interesse der Betroffenen, weil sich Möglichkeiten ergeben könnten, die zu einer befriedigenden Lösung führen. Ich bitte Sie deshalb, einer Ausschussüberweisung zuzustimmen.

Danke schön.