Protocol of the Session on November 5, 2008

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Das Wort erteile ich Frau Kollegin Berroth.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Kommt jetzt je- der dran?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat es bereits völlig zu Recht gesagt: Die wichtigste Maßnahme zur Bewältigung der Finanzkrise ist, Vertrauen zu schaffen.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Sehr gut!)

Dafür ist der vorübergehend aufgespannte Schutzschirm richtig und wichtig – er hat sich ja in Schweden auch bewährt –,

(Abg. Ingo Rust SPD: Da regnet es auch immer!)

aber mit einer Rückkehr zum Markt. Alle, die nun durch die Hintertür die Gewährträgerhaftung wiedereinführen wollen, müssen sich klarmachen, dass dies auch zu einer Verzerrung beispielsweise gegenüber Volksbanken und Raiffeisenbanken führte.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir müssen uns neuerdings ja mit der sogenannten Realwirtschaft vor allem deswegen beschäftigen, weil sich in Teilen des Finanzmarkts eine leider sehr konkrete Irrealwirtschaft ausgebreitet hat. Wir müssen die Chance nutzen, die eine Krise in der Regel ja auch bietet, und zunächst die Finanzmarktregeln auf europäischer Ebene ganz klar neu ordnen. Unser Kollege Michael Theurer hat hierzu einen Siebenpunkteplan vorgelegt. In einem nächsten Schritt muss dann aber dafür gesorgt werden, dass Europa als inzwischen größter Finanzmarkt diesen Regeln auch weltweite Gültigkeit verschafft, damit z. B. Basel II endlich auch in den USA eingeführt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Jetzt Herr Kollege Ehret.

(Abg. Dieter Ehret FDP/DVP: Wie viel habe ich noch? 3,7 Minuten?)

Schauen Sie, da läuft die Uhr. Sie dürfen reden, bis die Gesamtredezeit für Ihre Fraktion von zehn Minuten ganz abgelaufen ist.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Das Fazit des umweltpolitischen Sprechers und unserer

Fraktion ist: Die Finanzmarktkrise darf keinesfalls dazu führen, Herr Kretschmann, dass wir im Klimaschutz nachlassen. Hierfür gibt es zahlreiche sehr gute ökologische und ökonomische Gründe. Die Kosten für Folgeschäden aufgrund des Klimawandels sind angesprochen worden. Wichtig ist, die Branche der erneuerbaren Energien weiter auszubauen, auch deshalb, weil sie einen riesigen Wirtschaftsfaktor darstellt.

Kurzfristig wirkende Programme – das hat Herr Kollege Dr. Rülke angesprochen – wie etwa der Erlass der Kfz-Steuer bringen ökologisch nichts. Sie, Herr Kretschmann, haben die uralte Forderung der FDP übernommen, die Kfz-Steuer abzuschaffen und diese nach dem Verursacherprinzip auf die Mineralölsteuer umzulegen. Diese Forderung ist schon über 20 Jahre alt,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sie sind an der Regierung, wir nicht!)

und sie macht ökologisch natürlich sehr großen Sinn. Aber wir fordern statt dieser kurzfristigen Programme nachhaltige Maßnahmen, die dauerhaft wirken. Zu solchen Maßnahmen zähle ich selbstverständlich die energetische Sanierung, und zwar die energetische Sanierung aller Gebäude. Diese Programme laufen ja bereits; das ist ja nichts Neues. Sie laufen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Ich möchte dies jedoch nicht von Berlin aus als Konjunkturanschubprogramm verkauft bekommen. Für mich entspricht eine solche Maßnahme einer Forderung, die selbstverständlich ist. Es ist eine Daueraufgabe zum Wohl der Wirtschaft und zum Wohl der Umwelt.

Für mich zählen – das möchte ich hier noch einmal deutlich bekennen – alle Gebäude, auch alle landeseigenen Gebäude, hierzu. Die energetische Sanierung dieser Gebäude muss weiter forciert werden. Dafür werde ich und wird meine Fraktion auch weiterhin eintreten, weil sie ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist und weil wir auch eine Vorbildrolle übernehmen müssen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nun haben Finanzkrise und Klimaschutz eines gemeinsam: Beide müssen international angegangen werden; sie können nur international gelöst werden. Einige Gedanken dazu, die wir auch schon mehrfach in die Diskussion eingebracht haben: Es muss eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Energieverbrauch stattfinden. Außerdem ist zumindest bei uns, auf europäischer Ebene der Liberalen, eine Diskussion begonnen worden und steht auf der Agenda, dass wir unsere Wirtschaft zu einer Low Carbon Economy hinführen müssen, also, übersetzt, zu einer Verabschiedung vom Kohlenstoffzeitalter. Das kann durch verschiedene Maßnahmen und durch fiskalische Fördermodelle erreicht werden.

Ich halte das insgesamt, weil wir hier auch langfristig über das Funktionieren der einzelnen Volkswirtschaften nachdenken müssen, für den richtigen Weg. Für diesen Weg müssen wir die Volkswirtschaften weltweit gewinnen, gerade auch im Hinblick darauf, dass wir wissen, dass die Schäden und Folgekosten, wenn wir im Klimaschutz nicht Ernst machen, für die Volkswirtschaften langfristig größer bzw. höher sind als die Kosten für Investitionen, die wir jetzt und fortfolgend sinnvoll erbringen müssen.

Diese Aspekte sind für mich Grundvoraussetzungen für nachhaltige Lösungen.

Damit ist meine Redezeit leider beendet.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Prewo das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob wir mit dieser Debatte die Chancen dieses Themas genutzt haben, auch für Baden-Württemberg ein bisschen Licht in die Probleme zu bringen. Die Finanzkrise besteht – das merkt man, wenn man die Diskussionen verfolgt – aus drei Themenkomplexen. Der ers te ist die Frage: Wird diese Finanzkrise die – das Wort ist ja neu – sogenannte Realwirtschaft stark bedrohen? Das Zweite ist die Frage nach der Moral in der Wirtschaft, die vielerorts die Diskussion grundiert und teilweise auch dominiert.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dafür ist die theologische Fraktion zuständig!)

Zur theologischen Fraktion, Frau Kollegin Berroth: Wenn Sie das wünschen, kann ich Ihnen ein Zitat eines ausgewiesenen ehemaligen Neoliberalen vorlesen. Das werde ich jetzt tun und mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren. Ich sage nachher, von wem es ist:

Gesellschaften wurden zivilisiert, um genau das zu verhindern, was nun möglich scheint: dass sie durch rücksichtsloses Handeln … zerstört werden. Wenn dieser Schutz nicht mehr garantiert ist, beginnt das große Zweifeln an der Gesellschaft und an der Tragfähigkeit ihrer bisherigen Vernunft. Das ist die gegenwärtige Lage der Politik. Aber weil Millionen Deutsche während des letzten Jahrzehnts gedrängt wurden, ihr Leben neoliberal umzustellen, den Finanzmärkten zu trauen und dem Staat zu misstrauen,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dem Herrn Schröder, oder wie? – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Abwarten!)

ist es auch die Lage jedes Einzelnen.

Das sagte der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen“, Frank Schirrmacher,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

der Herausgeber der Zeitung, die seit vielen Jahren den Liberalismus in Deutschland als Fahne getragen hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Eingerollt! – Zurufe der Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel und Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ich würde einmal vorschlagen – das würde auch hier im Haus erhellend sein –, dass die FDP/DVP, die diese Fahne mitgetragen hat und hier eine lange Welle geritten ist,

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Unruhe)

wenigstens ein paar wenige Tage still wäre, damit sie sich im Denken umstellen kann.

(Beifall bei der SPD – Abg. Norbert Zeller SPD: So ist es!)

Die dritte Frage – nach der Frage zur Moral in der Wirtschaft – ist die Frage nach der Rolle des Staates, die gerade zurzeit neu beleuchtet und teilweise auch neu entdeckt wird. Das ist auch gut so. Dass der Staat einen Ordnungsrahmen für die Wirtschaft setzen muss, wissen wir seit Ludwig Erhard und Karl Schiller.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das waren Neo liberale, ja! Das sind dann echte Neoliberale gewe- sen!)

Das weiß die FDP schon lange nicht mehr. Das war die Freiburger Schule.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau! Jetzt ha- ben Sie es! Das ist Liberalismus und Neoliberalis- mus, Herr Kollege!)

All das kommt wieder herauf. Wir müssen wieder lernen, dass Marktwirtschaft und soziale Verantwortung das Gleiche sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben zum Glück einen Finanzminister in Berlin, bei dem diese Reflexe hervorragend funktionieren.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Er ist ein eingefleischter Marktwirtschaftler. Er hat das Godesberger Programm im Kopf und im Herzen, in dem der klassische Satz steht: „So viel Staat wie nötig und so viel Markt wie möglich.“ Genau gemäß diesem Satz hat er gesagt: Jetzt ist der Staat nötig, und das müssen wir jetzt machen.