Protocol of the Session on November 5, 2008

Man sieht genau: Das ist dieser blinde Aktionismus: einfach etwas machen. Der einzige Effekt, den das hat, sind gigantische Steuerausfälle für die Länder in Höhe von 1 Milliarde € – für uns sind es wahrscheinlich 170 Millionen € –, und das in einer solchen katastrophalen Finanzsituation. Effekt null! Reine Mitnahmeeffekte, die keinerlei Wirkung erzielen und ökologisch völlig blind sind.

(Beifall bei den Grünen)

Das ist das „alte Denken“, und dieses „alte Denken“ führt uns dann von der Finanzkrise in die ökologische Krise. Das ist einfach „Vollquatsch“, was da gemacht wird – anders kann man das nicht mehr bezeichnen –, statt einmal längerfristig zu denken und zu sagen, was hier geboten wäre.

Geboten ist die Umlegung der Kfz-Steuer auf die Mineralölsteuer. Das ist genau die langfristig angelegte Maßnahme, die man treffen muss. Dann kann sich die Autoindustrie darauf einstellen, können sich die Käufer von Autos darauf einstellen. Die Autoindustrie wird spritsparende Fahrzeuge produzieren, und die Verbraucher werden Spritsparkurse machen – so schnell können wir gar nicht gucken, so schnell kommen wir gar nicht hinterher.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wer es sich nicht leisten kann?)

Das ist das langfristige Denken. Das tut etwas für den Klimaschutz und die Ökologie, und das tut etwas für unsere Wirtschaft.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist Quatsch! So ein Blödsinn!)

Es macht Druck auf die nachhaltige Produktion ihrer Güter.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das glauben Sie wohl selbst nicht!)

So muss man in Zukunft denken. Dann bringen wir dieses Land ökologisch und ökonomisch voran.

(Beifall bei den Grünen)

Davon sind Sie meilenweit entfernt. Sie rennen den Problemen nur hinterher und sind nicht mehr in der Lage, das zu leis ten, was wir brauchen,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Den gleichen Käse ha- ben Sie bei der Ökosteuer schon erzählt, und es nützte nichts!)

was wir aus dem Schwung der amerikanischen Wahl mitnehmen müssen: klare Visionen und die Verabschiedung von den

alten Illusionen – dafür ist dieser Aktionismus ein Beispiel –, die zu nichts geführt haben, sondern uns nur in die Krise geführt haben. Das angesichts dieser Haushaltslage zu machen ist unverantwortlich.

Ich sage noch einmal, wofür wir unser Geld in Zukunft ausgeben müssen: für nachhaltiges Wirtschaften.

Für das Projekt Stuttgart 21,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Jetzt kommt diese Num- mer!)

bei dem Sie sich beharrlich weigern, auf die Kritik des Vier egg-Rößler-Gutachtens und jetzt des Bundesrechnungshofs mit der Kostenexplosion, die da angesagt wird, dezidiert einzugehen, haben wir nichts über Ihre Einschätzung auf dem Tisch. Da geht es um Milliardensummen. Und Sie weigern sich in einer solchen wirtschaftlichen Situation, in der wir damit rechnen müssen, dass die Steuereinnahmen drastisch zurückgehen, darüber Auskunft zu geben, was dieses Projekt realistisch kosten wird. Dabei wissen wir z. B. von unserem Rechnungshof, dass wir bei unseren Hochschulen einen Sanierungsrückstand von 3 Milliarden € haben. Sie haben jetzt 500 Millionen € Rücklagen für Stuttgart 21 gebildet. Wenn wir diese in die energetische und sonstige Sanierung dieser Hochschulen stecken, dann handeln wir nachhaltig.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dann sind wir aber im nächsten Jahr abgehängt!)

Das ist das „neue Denken“. Denn wir wissen, entscheidend, um die Prosperität unseres Landes zu sichern, sind Infrastrukturmaßnahmen an unseren Hochschulen und ist nicht das Vergraben von Bahnhöfen. Das ist genau der Punkt, um den es geht.

(Beifall bei den Grünen)

Mit dieser Summe machen wir dann etwas Vernünftiges und nicht irgendwelche aktionistischen Konjunkturprogramme. Das ist doch eine Lachnummer. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland ein Bruttoinlandsprodukt von 2 200 Milliarden €. Was sollen denn da 15 Milliarden € zur Konjunkturbelebung beitragen? Das ist doch einfach ein Witz. Das ist das „alte Denken“: nur Aktionismus, keine Größenordnung sehen.

Aber wenn wir das tun, was immer richtig ist, nämlich diese Gelder in die Infrastrukturen, die für die Zukunft unseres Landes entscheidend sind, zu investieren,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Da gehört die Schiene nicht mehr dazu, oder?)

dann¸ Herr Kollege Mappus, entstehen solche Krisen gar nicht.

(Abg. Stefan Mappus CDU: So ein Blödsinn! Was hat denn die Finanzkrise damit zu tun? Das ist ja ab- artig!)

Aber auch in der Krise sind diese Maßnahmen immer ökologisch und ökonomisch richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Dieses „neue Denken“ brauchen wir als ein Ergebnis der Finanzmarktkrise,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist nicht Obama, das ist Ku-Klux-Klan, was Sie da erzählen! So ein Blöd- sinn!)

weg von dieser Kurzatmigkeit, weg von dieser Orientierungslosigkeit, weg vom Fehlen jeglicher Werte in der Wirtschaftsdebatte, hin zu einem nachhaltigen Denken und Investieren. Das wird die Zukunft unseres Landes sichern. Schauen Sie hier auf die Grünen-Fraktion. Die stellt Ihnen das alles vor.

(Abg. Stefan Mappus CDU: „Yes, we change!“)

Genau. – Dafür stehen wir seit unserer Gründung, wir, die intelligenteste Fraktion in diesem Haus.

(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: Wie wir gerade gehört haben! Das hört man gerade! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Jetzt werden Sie nicht überheblich! – Abg. Reinhold Gall SPD: Aber jetzt nicht das Kind mit dem Bade ausschütten! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sagen Sie es noch dreimal, dann glauben wir es alle! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Das ist etwas anderes als der Ministerpräsident, der sich ges tern als Spekulant betätigt hat, was den Daimler-Besitz betrifft. Wir brauchen aber keine Spekulanten als Ministerpräsidenten, sondern Leute mit einem nachhaltigen und weiten Blick in die Zukunft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Stefan Mappus CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem intelligentesten Redner dieses Hauses

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

will ich mich nun bemühen, ein Stück weit zum Realismus zurückzukehren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Bravo! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Intelligenz ist die Grundlage für Realismus!)

Keine Frage: Diese weltweite Finanzmarktkrise hat ihre Auswirkungen auf die Realwirtschaft und wird auch die badenwürttembergische Realwirtschaft erfassen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Hat sie schon er- fasst!)

Die Ausläufer sind schon jetzt spürbar; da darf man sich überhaupt nichts vormachen. Die Frage, die sich stellt, ist jedoch die: Was können wir vonseiten des Landes tun, und was kann die Bundespolitik tun?

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Sicherlich nicht die Kfz-Steuer erlassen!)

Sie von der CDU und der SPD haben ja Einfluss auf die Große Koalition in Berlin, und ich hoffe, dass Sie diesen Einfluss nutzen, um diese Krise und deren Auswirkungen bei uns abzufedern.

Herr Kollege Scheffold hat dargestellt, dass sich die badenwürttembergische Wirtschaft und auch das baden-württembergische Finanzsystem in einer ausgezeichneten Situation befinden, dass daher keine Gefahr droht und das Land BadenWürttemberg allerbeste Chancen hat, diese Finanzmarktkrise mit einem blauen Auge zu überstehen.

Aus unserer Sicht ist es aber auch wichtig, deutlich darauf hinzuweisen, dass diese Finanzmarktkrise nicht etwa ein Versagen oder gar den Untergang der Marktwirtschaft bedeutet. Die se Finanzmarktkrise hat vielmehr sehr viel mehr mit menschlichem Versagen zu tun als mit Marktversagen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Lachen des Abg. Win- fried Kretschmann GRÜNE – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Märchenstunde!)