Ich will für heute nur zwei Aspekte in der Debatte herausgreifen. Der erste Aspekt ist das Thema Berufsakademien, das Kernstück dieses Gesetzes: die Aufwertung der Berufsakademien und die Anerkennung der Berufsakademien als vollwertige Hochschulen, als duale Hochschulen. Ich stimme da ganz mit meiner Vorrednerin und allen Rednern hier an diesem Pult zu diesem Thema überein.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut! – Beifall der Abg. Karl Zimmermann CDU, Johannes Stober SPD und Dieter Kleinmann FDP/DVP)
Wir finden diesen Schritt richtig. Wir freuen uns, dass damit die letzte Stufe erreicht ist, den Berufsakademien den vollen Hochschulstatus zu gewähren. Wir halten das für einen überfälligen, einen richtigen Schritt und für ein wichtiges Signal auch in die Bundesrepublik und in die anderen Länder hinaus. Wir wissen hier ja allesamt, dass es viel Argwohn außerhalb Baden-Württembergs gegeben hat und nach wie vor gibt. Das Signal, das heute hier von diesem Gesetzentwurf und von der Debatte im Landtag ausgeht, ist richtig.
Wir brauchen eine Hochschullandschaft, die unterschiedliche Hochschultypen ermöglicht. Wir brauchen Vielfalt, wie wir sie auch im Schulsystem haben, auch im Hochschulbereich.
Wir brauchen nicht nur Universitäten, wir brauchen auch nicht nur Fachhochschulen. Wir brauchen vielmehr durchaus verschiedene Modelle für die verschiedenen Bedürfnisse. Deswegen gefällt uns der Weg, der hier eingeschlagen ist, sehr gut. Wir sind uns sicher: Das wird in den anderen Bundesländern Schule machen.
Was mich besonders gefreut hat, war die organisatorische Form, die Sie der dualen Hochschule gegeben haben, indem Sie auf das US-System der State University zurückgegriffen haben. Wir als Grüne haben hier in diesem Haus vor zwei Jahren ein Reformmodell vorgestellt. Wir nannten das damals „Offene Universität Baden-Württemberg“ und haben gesagt: Wir brauchen einen neuen Hochschultyp, der flexibel ist, der dezentral agiert, mit einer zentralen, gemeinsamen Dachstruktur, und der dann flexible Möglichkeiten in die Fläche hinaus bietet. Wir finden uns hier in dieser Konstruktion wieder und haben den Eindruck, Sie haben unsere Idee sehr schön umgesetzt.
Eine kritische Bemerkung zum Thema „Duale Hochschule“ möchte ich Ihnen aber heute auch mit auf den Weg geben. Ich finde, dass diese Reform beim Thema „Zugangsrecht für Menschen mit Fachhochschulreife“ ein bisschen kleinmütig ausgefallen ist. Es gibt eine kleine Öffnung, zu sagen: „Im Einzelfall, bei Nachweis der Eignung, nehmen wir auch Menschen mit Fachhochschulreife.“ Ich finde, dass man da mutiger herangehen muss. Die Zeit ist reif für eine generelle Zugangserlaubnis für Menschen mit Fachhochschulreife.
Konkret gilt immer noch das Auswahlverfahren. Die Betriebe werden immer noch auswählen, ob sie die Studienbewerber für geeignet halten. Da noch eine Extrahürde anzulegen kann ich nicht verstehen.
Kollege Zimmermann, wir wissen doch, historisch betrachtet gab es Gründe, zu sagen: „Solange wir als Hochschule nicht voll anerkannt sind, wollen wir nicht in Verruf kommen, dass wir eine Billighochschule sind.“ Jetzt erhalten die Berufsakademien den vollen Hochschulstatus. Ich finde, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, ein Signal zu geben: gleiche Zugangsvoraussetzungen wie bei den anderen Hochschulen, keine Spezialregelung mehr für die duale Hochschule bei den Zugangsvoraussetzungen.
(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Was nicht ist, kann noch werden! – Gegenruf des Abg. Johannes Stober SPD: Z. B. in den Ausschussberatungen, Herr Ausschussvorsitzender!)
Aber nicht so langsam. Haben Sie ein bisschen Mut! Da können wir ruhig ein bisschen aufs Tempo drücken.
Das zweite Thema will ich nur noch kurz streifen. Es ist das Thema Studiengebühren. Staatssekretär Dr. Birk sagt: „Wir werden die Studiengebührenregelung noch sozialverträglicher ausgestalten, als sie bislang schon war.“ Wir seitens der Opposition haben Sie bei der Einführung der Studiengebühren gewarnt und gesagt, dass Sie damit einen falschen Weg beschreiten. Die Voraussetzungen für sozial verträgliche Studiengebühren sind nicht gegeben. Sie haben es trotzdem gemacht. Sie haben damals versprochen, Sie würden dafür sorgen, dass kein Mensch aus finanziellen Gründen vom Studium ausgeschlossen wird. Heute steuern Sie beim Thema Kinderfreundlichkeit nach, aber Sie steuern natürlich nicht bei der Sozialverträglichkeit nach. Damit verlieren wir junge Menschen, die nicht den entsprechenden finanziellen Hintergrund ihrer Eltern haben, für ein Studium. Dazu geben Sie überhaupt keine Antwort. Sie legen nichts vor, was diese Hürden abbaut.
Inzwischen liegen konkrete und belastbare Zahlen auf dem Tisch. Die Studienanfängerquote geht bundesweit zurück. Wir wissen inzwischen von der HIS-Studie, die Frau Schavan lange unter Verschluss gehalten hat, dass Geld eine Hürde ist, wenn auch nicht die einzige. Sie steuern mit dem, was Sie vorgelegt haben, nicht nach.
Deswegen bitte ich Sie und fordere Sie auf: Wenn Sie schon den Weg beschritten haben, allgemeine Studiengebühren einzuführen, was wir nicht richtig finden, dann geben Sie jetzt wenigstens ein klares Signal für die Bevölkerungsgruppen, deren Studierneigung nachweisbar zurückgeht. Geben Sie den Bevölkerungsgruppen ein Signal, indem Sie einen neuen Befreiungstatbestand einführen: Stellen Sie BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger von der Zahlung der Studiengebühren frei. Das versteht man draußen. Das wäre ein mutiges Sig nal.
Sie müssen sich den absurden Zustand einmal vorstellen: Da werden mit öffentlichem Geld durch BAföG Menschen subventioniert, die aus eigenen Mitteln nicht studieren können. Wir geben ihnen öffentliches Geld zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts.
Der letzte Satz: Was wir ihnen in die eine Tasche reingesteckt haben, ziehen wir ihnen aus der anderen Tasche in Form von Studiengebühren wieder heraus. Das versteht draußen kein Mensch.
Deswegen verlangen wir von Ihnen: Befreien Sie BAföGEmpfängerinnen und -Empfänger von Studiengebühren.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir eine bahnbrechende Erfindung. Sie kommt wie viele bahnbrechende Erfindungen aus Stuttgart. Gottlieb Daimler hat hier in einer Scheune das Automobil erfunden. Sigmund Lindauer hat in Stuttgart auf einem Küchentisch den Büstenhalter erfunden,
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: Welches Mo- dell hatte er als Vorlage für den Büstenhalter? – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Was hat der Bach- mann erfunden?)
und Peter Frankenberg hat an seinem Schreibtisch im Wissenschaftsministerium die duale Hochschule erfunden.
Genauer gesagt, er hat ein bewährtes Modell weiterentwickelt. So, wie Gottlieb Daimler in eine Kutsche einen Motor eingebaut hat, hat Peter Frankenberg die Berufsakademie in die duale Hochschule umgewandelt. Mit der Berufsakademie haben
wir das bewährte Modell unserer dualen Ausbildung bereits vor vielen Jahren in den akademischen Bereich übertragen, und jetzt wird das auch im Namen deutlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die duale Ausbildung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Standort Baden-Württemberg. Die Kombination von Ausbildung im Betrieb und in der Schule bzw. Hochschule ist ein Modell, um das uns viele in der Welt beneiden.
In Kanada kann man am College Flaschner studieren. Das sind dann zwar Akademiker, aber eben Akademiker, die Waschbecken benutzen, aber nicht montieren können. Es ist übrigens kein Wunder, dass solche Länder eine höhere Akademikerquote haben, wenn man als Flaschner Akademiker ist.
Bei uns dagegen ist die duale Ausbildung mit Schwerpunkt im Betrieb eine solide Ausbildung, eine praxisnahe Ausbildung, eine Ausbildung, der die Zukunft gehört. Wir in der FDP/DVP-Fraktion sind unserem Wirtschaftsminister Ernst Pfister außerordentlich dankbar, dass er allen Versuchen, diese großartige Ausbildung zu verschulen, mannhaft widersteht.
Wir sind dem Wissenschaftsminister Peter Frankenberg dankbar, dass er dies auch im Hochschulbereich bei den Berufs akademien tut.
Baden-Württemberg ist mit diesem Modell im Schul- und Hochschulbereich für die Zukunft gut gerüstet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch beim besten Wein in den schönsten Schläuchen sollte sich der Wengerter nicht auf dem Ruhm ausruhen. Deshalb haben wir schon in den Vorberatungen einige Optimierungen erreichen können.
Erstens: Wir haben deutlich gemacht, dass die geplante Zentrale der dualen Hochschule möglichst wenige Kompetenzen haben soll und die einzelnen Standorte möglichst viele Kompetenzen haben sollen. Mit dieser Position konnten wir eine weiter gehende Zentralisierung verhindern.
Zweitens: Besonders wichtig ist uns die Vertretung der Betriebe, mit deren Engagement die duale Hochschule steht und fällt. So ist jetzt im Gesetz z. B. vorgesehen, dass der Vorsitz im Aufsichtsrat zwischen einem Vertreter der Betriebe und einem Vertreter des Wissenschaftsministeriums wechselt.
Einer Initiative der FDP/DVP ist drittens zu verdanken, dass in diesem Gesetz die Studiengebühren sozialverträglicher ausgestaltet werden.
(Abg. Alfred Winkler SPD: Wo denn? – Abg. Ursula Haußmann SPD: Von was träumen Sie in der Nacht? Ojemine! Keine Ahnung! – Zuruf des Abg. Karl Zim- mermann CDU)