Protocol of the Session on November 5, 2008

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Der ist schuld, dass es so schlampig gemacht ist!)

Wir wollen nicht länger zuwarten.

Ich möchte zunächst einmal auf die Vorhaltungen der Opposition eingehen. Eine große Rolle bei den Ausführungen der Vertreter der Opposition hat ja die Frage der Finanzierung der Sprachförderung gespielt. Wir haben natürlich auch im Schulausschuss die Einlassungen der kommunalen Landesverbände zur Kenntnis genommen. Die Situation ist nur folgende, meine Damen und Herren: Natürlich stehen wir an der Seite der Kommunen, die darauf dringen, dass wir eine verlässliche Finanzierung der Sprachförderung hinbekommen. Das ist überhaupt keine Frage.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann macht halt end- lich einmal!)

Wir haben uns bis jetzt des Know-how und der Mittel der Landesstiftung bedient, um Sprachförderung in Baden-Württemberg umzusetzen. Baden-Württemberg ist eines der ersten Bundesländer gewesen – seit 2003 –, das das überhaupt gemacht hat. Mit Mitteln und mit Know-how der Landesstiftung sind bisher weit über 30 000 Kinder in den Genuss dieser Sprachförderung gekommen. Wir haben allen guten Grund, diese Erfahrungen, die wir hier gesammelt haben, zusammen mit der Landesstiftung umzusetzen und fortzuführen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber natürlich sehen auch wir hier langfristig die Landesstiftung finanziell überfordert.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Schon mittelfris tig!)

Das kann nur eine Übergangslösung sein. Für uns ist die Frage der Finanzierung in der Tat ein echter Test, wie ernst wir

es mit dem Konnexitätsprinzip meinen, das da lautet: Wer bestellt, muss auch bezahlen. Das heißt, wir sind uns einig: Langfristig wird sich das Land in dieser Frage finanziell engagieren müssen.

Ich möchte nur an Folgendes erinnern – deshalb halten wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Festlegung der Aufgabenträgerschaft in dieser Frage für verfrüht –: Es gibt eine Vereinbarung zwischen den kommunalen Landesverbänden und der Landesregierung, dass man das gesamte Paket „Bildung und Betreuung“ spätestens im Jahr 2010 wieder neu verhandelt, dass dann gemeinsam überlegt wird, wer wofür zuständig ist. Denn in der Tat gibt es mittlerweile Grauzonen, Überschneidungsbereiche, bei denen man schon sehr genau hingucken muss: Was ist Bildung, was ist Betreuung? All das soll spätestens im Jahr 2010 von den beiden Seiten neu verhandelt werden. Deshalb lehnen wir im Moment die Festlegung der Aufgabenträgerschaft ab.

Damit hängt natürlich die Finanzierung zusammen. Das gehört in dieses Verhandlungspaket. Bis dahin, denke ich, sollten wir es der Landesstiftung überlassen, diese Aufgabe umzusetzen. In den gemeinsamen Verhandlungen werden wir mit Sicherheit einen Weg finden, der auch die Kommunen unterstützt. Wir stehen an der Seite der Kommunen und lassen sie hier nicht allein; das ist überhaupt keine Frage.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für uns von der FDP/DVP-Fraktion ist die neue Einschulungsuntersuchung mit dem Bestandteil Sprachstandsdiagnose und, wenn nötig, Sprachförderung eine der wichtigsten Maßnahmen, die wir in dieser Legislaturperiode umsetzen. Es ist deshalb eine so wichtige Maßnahme, weil sie eine sozialpolitische Komponente, eine bildungspolitische Komponente und auch eine wirtschaftspolitische Komponente hat.

Die sozialpolitische Komponente ist: Wir verbessern mit den Maßnahmen, die wir hier vorhaben, die Startchancen für alle Kinder,

(Beifall bei der FDP/DVP)

auch für Kinder, die einen Migrationshintergrund haben. Wir alle wissen, dass dies mittlerweile eine große Bevölkerungsgruppe und keine Randgruppe mehr ist. Diese Kinder sind genauso klug, genauso lernfähig und genauso begeisterungsfähig wie Kinder deutscher Herkunft. Sie bekommen durch die se Maßnahmen dieselben Startchancen. Das ist uns ganz wichtig. Deshalb hat sich unser Integrationsbeauftragter hier auch so engagiert.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wet- zel FDP/DVP: Prima!)

Der zweite Bereich ist die bildungspolitische Relevanz. Es ist doch völlig klar: Ein Kind, das bei der Einschulung die deutsche Sprache nicht spricht, hat von vornherein eine Hypothek, die die Bildungsbiografie dieses Kindes ganz schwer belastet. Das heißt, es ist ganz wichtig für unser Vorhaben „Jedes Kind soll schulreif sein, wenn es eingeschult wird“, dass es bei der Einschulung auch die deutsche Sprache spricht. Ob ein Kind ein guter Schüler wird, meine Damen und Herren, entscheidet sich nicht erst in der Grundschule, sondern im Kindergar

ten – natürlich in gemeinsamer Arbeit, in gemeinsamem Zusammentun zwischen Elternhaus und frühkindlicher Erziehung.

Zum wirtschaftspolitischen Komplex möchte ich kurz auf einen Artikel hinweisen, der neulich zu lesen war: „Schulreform mit hoher Dividende“. Bildungsökonom Ludger Wößmann hat darauf hingewiesen: Je früher man Kinder fördert, umso größer sind die wirtschaftspolitisch wichtigen Effekte.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das wissen wir aber schon lange! Das ist nichts Neues!)

Das heißt, je mehr Geld ich in die frühkindliche Bildung und Erziehung stecke, je mehr ich hier investiere, desto mehr wird sich das letztendlich auch wirtschaftspolitisch auswirken. Deshalb ist von uns auch immer die Forderung gewesen: Wir müssen im frühkindlichen Bereich investieren. Wir tun das mit diesen Maßnahmen ganz konkret.

Für uns ist die neue Einschulungsuntersuchung, die wir heute endgültig auf den Weg bringen, ein wichtiger Bestandteil eines Gesamtpakets im vorschulischen Bereich. Wir haben den Orientierungsplan, wir haben das Projekt „Schulreifes Kind“, wir haben das Bildungshaus, wir haben mittlerweile eine große Flexibilität im Schuleingangsbereich, und wir haben jetzt die neue Einschulungsuntersuchung. All das, meine Damen und Herren, dient dazu, jedes Kind ganz individuell von Anfang an zu begleiten, für jedes Kind den richtigen Zeitpunkt der Einschulung zu finden und festzulegen. All das ist nicht schlampig gemacht und zusammengeschustert, Frau Lösch, sondern das ist ein Paket, bei dem eines das andere bedingt.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Ich bin fest davon überzeugt, das sich das auszahlen wird. Um es noch einmal zu betonen: Frühe Förderung wird sich auszahlen – deshalb unsere Maßnahmen, unsere Förderungen im frühkindlichen Bereich mit dem, was wir hier vorhaben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Wacker.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bildung beginnt nicht in der Schule. In der Koalitionsvereinbarung ist der vorschulische Schwerpunkt mit dem Orientierungsplan, der neuen Schuleingangsuntersuchung, der Sprachstandsdiagnose, der Sprachförderung, dem Projekt „Schulreifes Kind“ und den Bildungshäusern für Drei- bis Zehnjährige verankert. Im Kindergarten und in der Grundschule muss der nachgewiesene Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufgebrochen werden.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.

Das ist die zentrale Aufgabe, die wir in der frühkindlichen Bildung setzen. Die Vorbereitung auf die Schule ist im letzten Kindergartenjahr Aufgabe von Kindergarten, Familie und Schule gleichermaßen. Die Förderung der Schulfähigkeit ist eine gemeinsame Aufgabe. Wenn alle an einem Strang ziehen, erleichtert dies dem Kind den Weg in den neuen Lebensabschnitt.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es!)

Allerdings bringen nicht alle Kinder die Voraussetzungen mit, um erfolgreich und glücklich in die Schule starten zu können. Gerade weil wir alle miteinander die sehr differenzieren Zahlen kennen, lässt uns die erschreckend hohe Zahl von Kindern mit großen Entwicklungsverzögerungen und sprachlichen Problemen nicht ruhen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: 30 %!)

Die Einschulungsuntersuchungen der vergangenen 15 Jahre dokumentieren eine Zunahme von Entwicklungsverzögerun gen. Hinzu kommen immer wieder Kinderschicksale von Vernachlässigung und Misshandlung, die nicht rechtzeitig bemerkt werden. Es gilt, meine Damen und Herren, Kinder und Familien, die Hilfe und Unterstützung brauchen, beizeiten wahrzunehmen, damit kein Kind verloren geht.

Der Kindergartenbesuch von Anfang an fördert eindeutig die Entwicklung der Kinder. Kinder, die den Kindergarten drei Jahre lang besucht haben, sind anderen Kindern deutlich voraus. Deshalb müssen wir alles daransetzen, dass der Kin dergarten als Bildungsort wahrgenommen und angenommen wird. Mit unserem Orientierungsplan sind wir diesem Ziel deutlich näher gekommen.

Mehrfach haben wir bei den Debatten ausgeführt, dass wir beim Kindergartenbesuch eine Quote von 95 % haben. Zumindest im letzten Kindergartenjahr erreichen wir diese hohe Quote. Wie der „Länderreport Frühkindliche Bildungssyste me“ der Bertelsmann Stiftung, der am 5. Juni 2008 veröffentlicht wurde, zeigte, schneidet Baden-Württemberg gerade auch bei den Quoten der Teilhabe von Zwei- und Dreijährigen an Kindertagesbetreuung im Ländervergleich hervorragend ab. Im Spitzenfeld liegen, wie zu erwarten,...

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Unterhaltungen nach außerhalb des Plenarsaals zu verlegen.

... die ostdeutschen Länder, aber auch Baden-Württemberg. Über 85 % der Zwei- und Dreijährigen besuchen hier eine Kindertagesstätte – so die Bertelsmann Stiftung.

Betreuung ist die eine Seite der Medaille. Genauso wichtig ist die Qualität als die andere Seite der Medaille. Deshalb sind die Bildungs- und Entwicklungsfelder mit der darin verwobenen Motivation des Kindes das Herzstück des Orientierungsplans. Eltern unterscheiden sich in ihrer Erziehungskraft und in ihren Möglichkeiten, Kinder förderlich zu begleiten. Trotzdem müssen wir zuallererst auf die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern setzen, die Familien stärken und hilfsbedürftige Eltern unterstützen. Keine bildungs

politische Maßnahme kann konzeptionell ohne die Eltern vernünftig und erfolgversprechend umgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Mit der neuen Einschulungsuntersuchung stärken wir die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Kindergarten. Wir ermöglichen die Kooperation zwischen medizinischem und pädagogischem Personal. Beide Seiten profitieren von der jeweiligen Kompetenz des anderen. Nachgewiesenermaßen sind Eltern besonders bei ihren jungen Kindern aufgeschlossen für Beratung und Unterstützung.

Mit der neuen Einschulungsuntersuchung und ihrem frühzeitigen ersten Schritt werden zum ersten Mal alle Kinder, die erst zwei Jahre später zur Schule kommen sollen, untersucht. Sie werden also so rechtzeitig untersucht, dass medizinische und pädagogische sowie psychologische Unterstützung erfolgen kann und gegebenenfalls auch therapeutische Maßnahmen ergriffen werden können.

Die Einschulungsuntersuchung ist eben keine Momentaufnahme, sondern bezieht die Eltern und Erzieherinnen ein. So werden das Impfbuch und das Vorsorgeheft mitgebracht. Die Entwicklungsbeobachtungen der Erzieherinnen und die Gesprä che mit ihnen, sofern die Eltern zustimmen, sind für die Basisuntersuchungen der Kinder wertvoll – sei es bei der Feststellung des Hör- und Sehvermögens, der körperlichen Entwicklung oder der Sprachkompetenz. Das trägt zu einer ganzheitlichen Betrachtung des Kindes bei.

Die vertiefende Untersuchung des Sprachstands wird mit ei nem standardisierten Verfahren, das wissenschaftlichen Gütekriterien entspricht, durchgeführt. Die Ergebnisse geben den Erzieherinnen Hinweise, welche Fördermaßnahmen sie im Rahmen des Orientierungsplans ergreifen können. Dazu haben wir Handreichungen für die Erzieherinnen und Erzieher entwickeln lassen. Sind die Sprachentwicklungsverzögerun gen gravierend, so ist eine zusätzliche Sprachförderung nötig.

Warum sage ich all dies noch einmal? Ich glaube, all diese einzelnen Schritte sind dem Hohen Haus sehr wohl bekannt. Deswegen haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Vorgehen systematisch Schritt für Schritt darstellt und damit eine Systematik verfolgt, die bis hin zu einer gelingenden Einschulung eines jeden Kindes führt. In diesem Zusammenhang von „Schlamperei“ zu sprechen, Frau Lösch,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ja!)