Protocol of the Session on June 5, 2008

Was ich Ihnen aber noch mit auf den Weg geben möchte – ich bitte auch die Frau Staatssekretärin, sich noch einmal Gedanken darüber zu machen –, sind zwei Tatbestände, die hier bislang noch nicht besonders intensiv diskutiert worden sind.

Das Erste ist ein Thema, bei dem die Verbraucherschutzverbände bundesweit fordern, bei einem Teil dieses Missbrauchs besonders aktiv zu werden. Durch die Liberalisierung gibt es im Telekommunikationsbereich EU-weit Tausende von Anbietern, die sich ein Stück vom Kuchen abschneiden wollen und mit subversiven Ideen auf Verbraucherinnen und Verbraucher zukommen. Diese haben dann nach einem Anruf, obwohl sie es gar nicht wissen, durch ihr Ja oder was auch immer einen Dienstleistungsvertrag unterschrieben, nämlich das Vertragsverhältnis mit ihrer bisherigen Telefongesellschaft aufzuheben und mit einer wie auch immer tätigen Telefongesellschaft zusammenzuarbeiten. Das ist ungefähr ein Drittel aller Missbräuche, die hier bundesweit stattfinden. Um genau diese zu verhindern, fordern die Verbraucherschutzverbände eben so wie wir Grünen, das Widerrufsrecht auch für Dienstleis tungen, welche bereits erbracht worden sind – das sogenannte Slamming –, einzuführen.

Eine zweite Maßnahme: Wenn man das Verwaltungsgerichtsgebaren genau beobachtet, erkennt man, dass die zur Ahndung von Tatbeständen angedrohten Bußgelder leider zu niedrig sind. Wenn man hier ein Bußgeld von 50 000 € fordert und die Strafgerichtsbarkeit beobachtet, dann sieht man, dass z. B. bei einem der neuesten Gerichtsurteile der bis zu einem Betrag von 250 000 € reichende Strafrahmen bei Weitem nicht ausgeschöpft worden ist. Da hat ein „Multimilliardenunternehmen“ lächerliche 40 000 € zu bezahlen. Wenn wir das jetzt auf diese Situation hier übertragen, dann müssen wir weit über diesen Rahmen hinauskommen und diese 50 000 € noch einmal stark überdenken. Wir müssen den Betrag mindestens verfünffachen, damit wir hier eine entsprechende Wirkung erreichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 2 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Landes Baden-Württemberg (Informationsfreiheitsgesetz Baden-Württemberg – IFG BW) – Drucksache 14/2468

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Gesetzentwurfs fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich Herrn Abg. Sckerl.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Anfang sage ich frohgemut: Aller guten Dinge sind drei.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Bisher war die Rede gut!)

Lassen Sie es uns heute und in den nächsten Wochen beim inzwischen dritten Anlauf für ein Informationsfreiheitsgesetz gemeinsam – die Betonung liegt auf gemeinsam – schaffen, den Bürgern in Baden-Württemberg ein modernes Recht des Zugangs zu staatlichen und amtlichen Informationen bei Lan des- und kommunalen Behörden zu geben. Lassen Sie es uns endlich verwirklichen. Lassen Sie uns das tun, was in 24 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, was bei uns auf Bundesebene für Bundesbehörden und was in acht Bundesländern für die Landes- und Kommunalbehörden längst gute und bewährte Praxis ist.

Darunter befinden sich, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, mit Hamburg und dem Saarland übrigens seit dem Jahr 2006 zwei Bundesländer, die auf Initiative jeweils einer CDU-Regierung ein Informationsfreiheitsgesetz eingeführt haben.

Was wir Ihnen heute zur Ersten Beratung vorgelegt haben, stützt sich also auf inzwischen bewährte Verwaltungspraxis und ist auf Konsens angelegt. Unser Gesetzentwurf nimmt ausdrücklich auf das Bundesgesetz Bezug. Wir haben Ihnen in weiten Teilen ein sogenanntes Verweisgesetz vorgelegt. Es ist identisch, meine Damen und Herren, mit dem saarländischen Informationsfreiheitsgesetz, das aus der Feder der CDU stammt. Ich sage Ihnen auch, warum wir das gemacht haben.

Wir haben die Bedenken der Regierungsfraktionen aus der letzten Debatte über dieses Thema im Jahr 2005 allesamt aufgegriffen und abgearbeitet. Wir legen Ihnen, meine Damen und Herren, heute den Gesetzentwurf Drucksache 14/2468 aus dem klaren Grund vor, dass es kein Argument mehr geben kann, sich einem solchen Gesetzentwurf nochmals zu verweigern.

(Beifall bei den Grünen)

Er ist auf Konsens angelegt. Wir erwarten heute und in den nächsten Wochen, dass Sie zu dem Gesetzentwurf Ja sagen.

Wir sollten dieses Mal nicht wieder – so, wie wir das schon zweimal gemacht haben – eine Debatte über Vorurteile, Ladenhüter und Gespenster führen. Zu diesen Ladenhütern und Gespenstern gehört z. B. das Argument, Verwaltungen würden mit einem Informationsfreiheitsgesetz überrannt und könnten die betreffenden Aufgaben nicht bewältigen. Das Gegenteil ist richtig. Die Bilanz von acht Bundesländern besagt eindeutig: Bürgerinnen und Bürger nehmen das Auskunftsrecht sehr verantwortungsbewusst wahr. Keine Verwaltung in Deutschland ist zusammengebrochen, keine Verwaltung ist an den Kosten, die mit der Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes verbunden sind, „erstickt“. Schutzwürdige Interessen konnten überall durchgesetzt und geschützt werden. Der oft befürchtete Missbrauch hat nirgendwo stattgefunden. Auch ist keine Bürokratie aufgetürmt worden.

Konzentrieren wir uns also stattdessen lieber auf den Kern dessen, worum es geht, meine Damen und Herren. Bei uns

herrscht im Gegensatz zu weiten Teilen der Europäischen Union noch obrigkeitsstaatliches Denken.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel und Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Bei euch!)

Das Amtsgeheimnis ist der wichtigste Ausdruck dieses Denkens. Bei uns müssen Bürger noch immer unter großen Anstrengungen, über lange Wege hinweg persönliches Interesse, Betroffenheit nachweisen, um Zugang zu amtlichen Informationen zu erhalten. Es ist höchste Zeit, den Bürgern endlich in Form eines Rechtsanspruchs tatsächlich voraussetzungslos die Möglichkeit zu umfassender Einsicht in Verwaltungshandeln zu verschaffen und endlich auch in Baden-Württemberg ein modernes Mitwirkungs- und Bürgerrecht europäischen Standards einzuführen.

In Zukunft darf nicht mehr die Geheimhaltung von Informationen, sondern muss ihre allgemeine Zugänglichkeit die Regel sein. Jeder hat einen Rechtsanspruch, es sei denn, es liegen Ausschluss- oder Beschränkungsgründe vor. Ich finde, dies haben wir in unserem Gesetzentwurf sehr gut und klar geregelt.

Die vorgesehenen Regelungen sind sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für Verwaltungen wichtig. In die Verwaltungen unseres Landes wird mit dem von uns begehrten Gesetz ein neues Selbstverständnis einziehen. Wer weiß, dass er unter den Augen der Öffentlichkeit arbeitet, wird sich bemühen, verständlich, effizient und logisch zu handeln.

Meine Damen und Herren, Neugier muss künftig als Motiv genügen, weil Neugier auf die öffentlichen Angelegenheiten eine Grundlage der Demokratie ist und weil der Bürger ohne die Kenntnis der öffentlichen Angelegenheiten letztlich nur ein „halber“ Bürger bleibt. Darum geht es uns im Kern.

Es gibt auch im 21. Jahrhundert immer noch Rechte, die vergessen im Keller der Geschichte lagern und ewig brauchen, bis sie Gesetz werden. Das Informationsfreiheitsgesetz in Baden-Württemberg gehört dazu. Lassen Sie uns diese alte Geschichte heute beenden.

Herr Innenminister, Sie haben bei der letzten Debatte über dieses Thema im Dezember 2005 gesagt, Sie hielten ein Informationsfreiheitsgesetz für nicht mehr ausgeschlossen, und haben als Voraussetzung für ein solches Gesetz Nachbesserungen verlangt. Ein entsprechender Entwurf liegt Ihnen heute vor. Wir sagen Ihnen: Die Zeit ist jetzt endgültig reif. Wann, meine Damen und Herren, wenn nicht jetzt?

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Heinz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Sckerl, Sie haben auf den dritten Anlauf und auf das Jahr 2005 verwiesen. Sie haben, glaube ich, gesagt – das war nett und fair –, Sie hätten alle handwerklichen Fehler, die damals vorgelegen hätten, beseitigt und hätten in weiten Teilen die Bundeslösung übernommen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Die saarlän- dische!)

Und die saarländische, genau. Das mag ja nun zutreffen.

Ich habe mich mit Ihrem Entwurf näher beschäftigt und ihn einmal durchgearbeitet. Dabei stieß mir schon beim zweiten Paragrafen etwas auf, wo sich mir persönlich die Haare sträuben. Es soll nämlich wieder ein neuer Landesbeauftragter geschaffen werden.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Oh!)

Sie sagen zwar, man solle seine Aufgaben noch dem Datenschutzbeauftragten aufladen. Ich weiß, dass die Schaffung von Beauftragten modern ist. Mir persönlich sträuben sich aber die Nackenhaare, wenn ich vom Beauftragtenwesen höre.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Und was sagt die CDU?)

Ich habe meine persönliche Meinung gesagt. Ich habe ein Problem mit der Schaffung von Beauftragten.

Wenn ich aber auch noch sehe, welche Bürokratiekosten, die Sie nur sehr dezent angesprochen haben, wir realisieren, fallen mir persönlich immer die Sonntagsreden auf dem Heckenbeerenfest ein, z. B. die Ihres Fraktionsvorsitzenden. Da reden wir immer von Bürokratieabbau. Am Donnerstag, hier, heute, wollen Sie neue Gesetze machen, die Bürokratie ohne Ende bringen würden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich kann nur hoffen, dass die FDP/DVP diesen Punkt – ganz wichtig – genauso sieht wie wir. Das wäre nämlich ein echtes Bürokratievermehrungsgesetz, was wir hier verabschieden würden.

In der Begründung Ihres Gesetzentwurfs heißt es:

Jeder soll gegenüber den Behörden und Einrichtungen des Landes einen Anspruch auf Information haben, ohne hierfür ein rechtliches oder berechtigtes Interesse geltend machen zu müssen.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das ist letztendlich wirklich ein Freibrief für alles. Außerdem sagen Sie noch: Wenn man dann etwas ablehnt, darf es natürlich keine Gebühren kosten. Kos ten tut es nachher gar nichts, nach dem Motto: Geld spielt keine Rolle.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Wir haben übrigens, Herr Sckerl und meine Damen und Her ren von den Grünen, genügend Informationsangebote. Über 70 % aller Anliegen – das zeigen vor allem die Erfahrungen aus NRW – richten sich an die Kommunen.

Was machen wir heute? Wir laden den Kommunen so mir nichts, dir nichts schnell wieder ein paar neue Lasten auf. Der Landtag beschließt, die Kommunen sollen es regeln. Die Kom munen müssen die Aufgaben alle wieder erledigen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Es gibt in der Gemeindeordnung eine Vielfalt an Mitwirkungsmöglichkeiten und Möglichkeiten, über die sich die Bürger einbringen können. Es gibt im heutigen Internet sehr viele Angebote, über die sich der Bürger die Information, die er haben möchte, problemlos besorgen kann.