Protocol of the Session on June 4, 2008

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Für die Kernzone!)

Wir haben auch aus Vorsorgegründen empfohlen – lieber Kollege Pix, ich komme gleich noch zum Maisanbau –,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So lieb ist der auch wieder nicht!)

dies großflächiger anzuwenden. Dafür habe ich auch gute Begründungen.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer wie Sie, Herr Kollege Kretschmann, und andere den Maisanbau ständig verteufelt, muss sich fragen lassen, welche Alternativen er gerade in der Rheinebene, aber auch im Bodenseegebiet, in einem Gebiet, das als großer Wasserspeicher, als Trinkwasserspeicher, in Betracht kommt, hätte. Die Alternative heißt Sonderkulturen, oder sie heißt im Zweifelsfall: Weizen mit deutlich geringerer Ertragsfähigkeit.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Schauen Sie sich einmal die Pflanzenschutzmittelbehandlung von Alternativkulturen an. Der Mais braucht im Regelfall, wenn überhaupt, ein Herbizid in der Normalphase. Damit war’s das. Dann beschattet er sich selbst. Dann passiert gar nichts mehr. Er hat sonst keine pilzlichen oder Insektenfeinde.

Wenn Sie Weizen anbauen, brauchen Sie im Regelfall ein Herbizid. Sie brauchen zwei bis drei Durchgänge mit Fungiziden, also pilzliche Bekämpfungen,

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

und Sie brauchen unter Umständen noch ein weiteres Insektizid. Jetzt sind im Zweifel alle Mittel zugelassen. Aber ich sage Ihnen auch: Für den Grundwasserkörper Rheinebene und gleichermaßen für den Grundwasserkörper Bodensee ist es mir ein Anliegen, Kulturarten anzubauen, die eine möglichst geringe Belastung mit Pflanzenschutzmitteln – egal, welche – aufweisen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Praktizierter Umweltschutz! – Zurufe von den Grünen)

Deshalb, lieber Kollege Kretschmann, reicht ein sektoraler Blick auf ein Ereignis nicht aus, um einen ökologischen Gesamtzusammenhang herzustellen. Umwelt besteht aus mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Man muss alle Umweltmedien im Auge behalten. Alle sind für Tier und Mensch, für Biodiversität letztendlich, relevant.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Eure Agrarpolitik steckt in der Giftfalle!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt fahren wir in der Chronologie fort. Das Frühjahr, vor allem der April, war in diesem Jahr nass und regnerisch. Das hatte eine Verzögerung der Rapsblüte zur Folge. Das hatte auch zur Folge, dass die Bienen – weil es nass und regnerisch war – erst am ersten schönen Wochenende, Ende April, überhaupt geflogen sind.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Jetzt ist noch das Wet- ter schuld, oder was? – Gegenruf von den Grünen: Künast oder das Wetter!)

Damit trafen Rapsblüte und erster Bienenflug zusammen. Das traf auch mit der Maisaussaat zusammen, die ansonsten in der Rheinebene im Regelfall schon Anfang/Mitte April stattfindet. Aber das ist noch kein Grund, um das auch einmal klar zu sagen. Das ist nur das zeitliche Zusammentreffen.

Hinzu kam – das hat sich auch erst im Lauf der Ermittlungen herausgestellt –, dass sich, wie gesagt, die Maisaussaat auf Ende April/Anfang Mai – am 1. Mai war Christi Himmelfahrt – verzögert hat. In dieser Woche hat sich die Maisaussaat konzentriert. Nach dieser Woche waren über 90 % des Maises bereits gesät. Genau an diesem Wochenende, am 3. und 4. Mai, sind erstmalig gravierende Schäden – ein sogenanntes Massensterben – aufgetreten, nachdem in den Tagen zuvor bereits Einzelfälle gemeldet wurden.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Und wie habt ihr rea- giert? – Gegenruf des Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Zuhören!)

Diese Einzelfälle, Herr Kollege Walter, wurden nicht etwa ignoriert, sondern es wurde bereits auf diese Einzelfälle reagiert. Es wurden bereits Untersuchungen und Analysen ein

geleitet. Wir haben unmittelbar am Montag, dem 5. Mai, nachdem dem Regierungspräsidium und dem Ministerium bekannt geworden war, dass es zu einem Massensterben von Bienen gekommen ist, umfangreiche Analysen und Untersuchungen eingeleitet, um überhaupt zu wissen, was denn letztendlich die Schadensursache war. Bis dahin waren in dieser Woche vonseiten der Imker zwar Vermutungen geäußert worden, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Rechtsstaat kann nur aufgrund von Fakten und nicht aufgrund von Vermutungen Gebote und Verbote aussprechen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Habt ihr die Fälle in anderen Ländern nicht mitbe- kommen? – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Sofort. Lassen Sie mich gerade noch diesen Gedanken zu Ende führen, Herr Kollege Winkler.

(Zurufe von den Grünen)

Sie, Herr Kollege Kretschmann und Herr Kollege Walter, wären die Ersten, die von Staatswillkür sprechen würden, wenn wir auf Vermutungen reagieren würden. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Bra- vo!)

Bitte, Herr Abg. Winkler.

Herr Minister, bevor die Bienen selbst an ihrem Untergang schuld sind, eine Frage an Sie. Sie haben gesagt, Sie hätten nach den ersten kleinen, lokalen Schäden und dann beim großen Schaden unmittelbar reagiert. Darf ich Sie daran erinnern, dass eine Woche lang tägliche Wasserstandsmeldungen über den Erfolg Ihrer Untersuchun gen dazu geführt haben, dass täglich Vermutungen geäußert wurden. Kein einziges Ergebnis Ihrer Untersuchungen wurde konkret bestätigt – über eine Woche lang tagtäglich nur Vermutungen, nicht Wissen.

Lieber Kollege Winkler, wir haben in der Summe – und die Analysen sind komplex – zum Teil bis zu 500 einzelne Wirkstoffe analysiert und untersucht. Das verstehe ich unter einer verantwortungsvollen Analyse.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Bevor gehandelt wird, brauchen wir erst einmal klare Fakten. Zur Beschaffung der klaren Fakten wurden unmittelbar Untersuchungen eingeleitet, erst recht nach dem Bekanntwerden des Massensterbens nach dem 3. und 4. Mai. Die ersten Untersuchungsergebnisse lagen dann auch bereits am Abend des 8. Mai vor.

Ich habe am Montag oder Dienstag jener Woche zu einem Expertengespräch eingeladen, nachdem wir das Landwirtschaftliche Technologiezentrum auf dem Augustenberg – unser ei

genes Institut –, die Kollegen aus Rheinland-Pfalz und das Julius-Kühn-Institut des Bundes in Braunschweig eingeschaltet hatten. Das sind diejenigen, die in Deutschland die entsprechenden Untersuchungskapazitäten haben. Sie waren ab dieser Woche vollumfänglich mit Untersuchungen beschäftigt, und die ersten Ergebnisse sind am Donnerstagabend, 8. Mai, eingetroffen. Da gab es den ersten Verdachtsmoment. In allen untersuchten Bienen wurde nämlich Clothianidin festgestellt. Die Wissenschaftler waren aber übereinstimmend der Auffassung, dass die dort festgestellte Wirkstoffkonzentration deutlich unter der letalen Dosis liegt und damit noch kein Kausalzusammenhang herstellbar war.

Trotzdem haben wir bereits am 9. Mai – einen Tag später und 14 Tage bevor der Bund reagiert hat – der Landwirtschaft dringendst empfohlen und dem Bund diese Empfehlung auch vorgeschlagen, keine pneumatischen Sägeräte mehr einzusetzen – und wenn, dann nur solche, deren Abluft nicht nach oben, sondern direkt auf den Boden geführt wird. Denn an diesem Abend wurde durch die Experten und Wissenschaftler – übrigens waren dabei auch die Imker mit vertreten – festgestellt, dass unter Umständen das Thema Abrieb, also unsachgemäße Behandlung des Insektizids durch Saatgutunternehmen, mit die Ursache sein könnte.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Murschel?

Wenn Sie mir hinterher dann nicht vorwerfen, dass ich die Redezeit hoffnungslos überzogen hätte, ja.

„Hoffnungslos überzogen“ werfe ich Ihnen nicht vor. Wir nehmen schon Rücksicht auf die Zwischenfragen.

Bitte, Herr Abg. Dr. Murschel.

Herr Minister Hauk, Sie haben Ihren Terminkalender ja anscheinend perfekt ausgearbeitet, was die Chronologie der Ereignisse anbelangt.

Schließlich war ich jeweils involviert, Herr Kollege Dr. Murschel. Daher weiß ich das.

Sie haben ja sehr deutlich darauf abgehoben, dass Sie im Prinzip alles getan hätten, was man hätte tun können, und dies zum richtigen Zeitpunkt. Sie sagen, Sie hätten nach dem Vorsorgeprinzip gehandelt. Meine konkrete Frage: Die Imker haben Ihnen doch schon Ende April, spätestens am 4. Mai, den Vorgang deutlich mitgeteilt.

Natürlich.

Warum haben Sie dann nicht aus Vorsorgegründen gesagt: „Stopp mit diesem Mittel! Keine weitere Aussaat!“? Stattdessen haben Sie, wie Herr Kollege Winkler gesagt hat, Tage verstreichen lassen und begründen dies damit, dass es keine Schnellschüsse geben sol le.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Das hat er doch ge- rade groß und breit erklärt! Da muss man halt zuhö- ren! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Hätten Sie aus Vorsorgegründen nicht viel schneller reagieren müssen, weil Ihnen die Informationen von den Imkern schon mitgeteilt wurden?

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Man kann doch einfach ein- mal sagen: Das war falsch! – Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE – Unruhe)

Lieber Kollege Dr. Murschel, vorsorglich handeln geht dann, wenn man weiß, wogegen man vorsorglich handeln muss.