Lieber Kollege Dr. Murschel, vorsorglich handeln geht dann, wenn man weiß, wogegen man vorsorglich handeln muss.
Zu diesem Zeitpunkt hätten wir auf Vermutungen reagiert. Hinterher, wenn man Ergebnisse hat, ist man immer schlauer. Zu diesen Ergebnissen kamen wir schnell. Nach Aussage aller Experten, übrigens auch von Imkern außerhalb BadenWürttembergs, hat in ähnlichen Fällen – gleiche Fälle gibt es keine – kein anderes Land so schnell gehandelt.
(Beifall bei der CDU – Lebhafter Widerspruch bei der SPD und den Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Na, na! Das ist doch unglaublich! – Zuruf von der SPD: Sollen wir jetzt dankbar sein? – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE – Heiterkeit der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)
Lieber Kollege Dr. Murschel, wir haben uns natürlich auch darum gekümmert, was anderswo abgelaufen ist. Die Imker haben zunächst einmal vor allem auf Vorkommnisse in Italien verwiesen. Dort stand das Ganze auch schon zur Sprache. Wir haben uns zunächst einmal beim Bund erkundigt. Der Bund wusste zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts.
Langsam. Entschuldigung. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch einmal betonen, dass das Mittel Clothianidin im Jahr 2004 zugelassen wurde. Das war ein zugelassenes Mittel. Die zuständige Bundesbehörde ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Damit ist der Bund für die internationalen Beziehungen zuständig.
In der Tat hat Ende Januar 2008 in Italien ein Symposium stattgefunden, nachdem sich in den Jahren 2005 und 2006 ei
ne Arbeitsgruppe an der Universität Bologna mit den Vorkommnissen beschäftigt hat. Das italienische Umweltministerium gab damals, im Januar 2008, in einer Pressemitteilung bekannt, dass eine eindeutige Beziehung zwischen diesem Pflanzenschutzmittel und den Bienenschäden nicht hergestellt werden konnte.
Wir haben jetzt die italienischen Wissenschaftler, die an diesem Kolloquium beteiligt waren, zu dem Symposium, das wir am 20. Juni in Karlsruhe abhalten werden, eingeladen. Ich will nur darauf hinweisen: Es gab keine belastbaren Hinweise, auf denen allein rechtsstaatliches Handeln basieren kann.
Ich habe darauf hingewiesen, dass wir unmittelbar nach dem Bekanntwerden der ersten Ergebnisse, nachdem überall in den untersuchten Bienen Clothianidin gefunden wurde, auch Empfehlungen für die Sätechnik ausgegeben haben.
Der Bund, der übrigens an allen Besprechungen beteiligt war, hat dann eine Woche später reagiert und hat die Zulassung des Mittels vorläufig ruhen lassen, wohlweislich aber seine Anwendung, nämlich die von gebeiztem Maisgut, nicht verboten. Um das einmal klar zu sagen: Nach dem Pflanzenschutzrecht ist derjenige, der in solchen Fällen verbietet, die Bundesregierung oder die zuständige Behörde des Bundes.
(Abg. Christine Rudolf SPD: Aber jetzt! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber der Bund schreibt auch nicht vor, dass man es anwenden muss!)
Der Bund hat die Anwendung ganz wohlweislich nicht verboten, weil es sich offensichtlich um Anwendungsfehler gehandelt hat.
Auch jetzt ist die Ausbringung dieses gebeizten Maises – am 24. Mai hat der Bund die entsprechende Verordnung erlassen, also drei Wochen nach dem Auftreten – noch erlaubt, allerdings mit der Auflage, dass eben pneumatische Sägeräte mit Abluftabführung nach oben dabei nicht verwendet werden dürfen.
Alle verfügbaren Untersuchungskapazitäten sind sofort eingesetzt worden, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind auch Gerüchten und Hinweisen nachgegangen. Es wurde alles untersucht.
Zwischenzeitlich kann man als vorläufiges und, sage ich einmal, sich erhärtendes Ergebnis festhalten, dass das Verschulden – und da kommt die Frage des Schadensersatzes ins Spiel
zweifelsohne in einer unsachgemäßen Anwendung des Insektizids durch die Saatgutindustrie oder die Saatgutwirtschaft begründet ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um das klar zu sagen: Ich halte dies für zutiefst verantwortungslos, und das wird auch zu ahnden sein. Wir entnehmen derzeit Rückstellproben von dort, wo noch Maisrückstände vorhanden sind, soweit er sich nicht im Boden befindet. Wir führen das auch entsprechenden Untersuchungen zu. Denn es kann und darf nicht sein, dass Pflanzenschutzmittel einem umfangreichen Zulassungsverfahren unterzogen werden, diese dann bei sachgemäßer Anwendung zugelassen und freigegeben werden, der Landwirt diese Pflanzenschutzmittel nach bestem Wissen und Gewissen anwendet und dann hinterher Umweltkatastrophen – Bienensterben, was auch immer – eintreten,
nur weil sich offensichtlich die Saatgutwirtschaft – und wir sind noch nicht so weit, dass ich heute Namen nennen könnte, aber es gibt einige, die auf der Hand liegen, denen wir nachgehen – in der Frage der Beizung des Maises verantwortungslos, bodenlos, unverschämt und umweltgefährdend verhalten hat.
Herr Minister, sachgerecht antworten. Wir wissen, dass dieses Beizmittel höchst bienengefährlich ist.
Deswegen steht auf allen diesbezüglichen Mitteln eine ausführliche Anwendungsvorschrift drauf, die einzuhalten ist.
Alle Anwender dieser Mittel haben so etwas Ähnliches wie einen Lehrgang absolviert, um die Berechtigung zu erhalten, Insektizide, Herbizide auszubringen. Sie sind also geschult. Damit kommt es ausschließlich auf das ordnungsgemäße Anwendungsverfahren an. Das ist nicht eingehalten worden. Das heißt, der erste Schritt von Ihnen wäre doch, zu untersuchen: Sind die Bedingungen, unter denen das Mittel eingesetzt werden darf, eingehalten worden? Also stellt sich doch nicht nur die Frage nach der Zulässigkeit des Mittels – die haben Sie selbst beantwortet; es ist zugelassen –, sondern auch die Frage nach der gesetzlich vorgeschriebenen Ausbringungsanordnung.
Jetzt können Sie doch denjenigen, der das Mittel nicht ordnungsgemäß angewendet hat, nicht aus der Verantwortung ent
Herr Kollege Winkler, ich gebe Ihnen völlig recht. Genau das habe ich gesagt. Genau diejenigen, die sich gesetz- und rechtswidrig verhalten haben, wollen wir eben nicht aus der Verantwortung entlassen. Das ist doch ganz klar.
Da kenne ich auch keine Schonung. Sobald es belastbare Beweise gibt, werde ich mich nicht scheuen, Namen zu nennen, es sei denn, die gesamte Industrie ist bereit und willens, den Schadensersatz so zu leisten, wie es die ersten Signale eventuell vermuten lassen, nämlich relativ unbürokratisch.
Ich sage das noch einmal. Ich habe keine Veranlassung, irgendjemanden zu schonen, und demjenigen, der falsch gehandelt hat, muss gewärtig sein, dass er zur Rechenschaft gezogen wird.
Meine Damen und Herren, damit zur Frage nach dem Ersatz des Schadens – da sind die nachhaltigen Wirkungen in der Zukunft noch gar nicht einkalkuliert –, der zunächst einmal den Imkern entstanden ist. Das Land hat als erste Soforthilfe – da geht es um diejenigen Imker, die Berufsimker sind – zugesagt, zinslose Darlehen zur Verfügung zu stellen, nämlich dort, wo es um Ertragsausfall und um die Frage der Sanierung von Bienenstöcken geht. Es müssen unter Umständen neue Völker eingekauft und aufgebaut werden. Das geht nicht mit 3,80 €. Damit keine Liquiditätsengpässe eintreten, haben wir für diesen Fall zinslose Darlehen als Soforthilfe zugesagt.
Aber gleichermaßen ist klar, dass jeder geschädigte Imker natürlich Anspruch auf Schadensersatz hat, und zwar durch den Verursacher. Wenn wir die Verursacher eindeutig identifiziert haben, dann ist auch klar, gegen wen sich der Schadensersatzanspruch richtet. Bis dahin sind wir in Gesprächen mit der Industrie, um Mittel – weil eine klare Beweiszuordnung derzeit noch nicht möglich ist; ich bin kein Jurist – so zu akquirieren, dass wir, sobald der Schaden ermittelt ist, relativ zügig zur Abwicklung dieses Schadensersatzes kommen können.