Noch schlimmer: Es war das Land, das im Kreis Lörrach und im Ortenaukreis wegen des Maiswurzelbohrers die Beizung des Maissaatguts per Allgemeinverfügung gefordert und für
andere Kreise dringend empfohlen hat. Den richtigen Weg zeigt übrigens die Schweiz, denn dort setzt man in der gleichen Situation auf die richtigen Fruchtfolgen statt auf Gifteinsatz. Herr Minister, das sind eben die beiden Wege der Agrarpolitik. Gehen Sie, wie Sie es offensichtlich wollen, hin zu Maismonokulturen, oder geht es in die Richtung biologische Vielfalt?
Was Pestizide betrifft, haben wir Grünen bereits 1984, also vor einem Vierteljahrhundert, von der Landesregierung einen Stopp bienengefährlicher Insektizide gefordert. Das war vorgestern DDT, gestern Endrin und Lindan und heute Clothianidin. Es heißt immer, es ist ungefährlich – bis dann die Katastrophe passiert. Es ist immer dasselbe Strickmuster.
Seit Mitte der Neunzigerjahre haben die Beamten Ihres Hauses auf den Fachveranstaltungen durchaus von diesen Bienenschäden durch Nervengifte gehört, die beim Beizen eingesetzt wurden. Es war also klar, dass im Sinne des Vorsorgeprinzips etwas hätte getan werden müssen. In dieser Situation haben Sie einen der wichtigen Eckpfeiler der Umweltpolitik nicht beachtet, der da heißt Vorsorge.
Was bieten Sie jetzt den Imkern an? Zinslose Darlehen. Ich weiß nicht, wer Sie in solchen Fragen berät. Ein total geschädigter Imker braucht Schadensersatz und keine zinslosen Darlehen!
Ich frage Sie: Wollen Sie weiterhin – ich sage das exemplarisch – in Maismonokulturen, Monsanto-Monopole gehen, also einen Weg gegen die Natur gehen? Ist das Ihr Weg? Wollen Sie für Bienen – das heißt ja übersetzt: für biologische Vielfalt – stehen und die Landwirtschaft dorthin entwickeln, oder halten Sie das immer noch für das Konzept von vor 300 Jahren? Das ist die Frage, um die es hier geht. Sie formulieren einen Anspruch auf Genuss und Genießerland und setzen gleichzeitig auf Gentechnik und Gifteinsatz. Ihre CSU-Kollegen haben unter dem Eindruck der drohenden Abwahl schon die richtigen Konsequenzen gezogen und setzen auf ein gentechnikfreies Bayern.
Herr Minister, Ihre falsche Agrarpolitik und Ihr Verhalten beim Bienensterben zeigen exemplarisch auf: Sie wollen an den Symptomen herumkurieren. Damals haben Sie den Imkern empfohlen, sie sollten ihre Bienenstände hoch oben in den Schwarzwald verlagern, statt dass Sie, wie Ihr Vorvorgänger es in einer ähnlichen Situation gemacht hat, das Pflanzenschutzgesetz umsetzen. Das erlaubt Ihnen nämlich, einzelne Wirkstoffe für bestimmte Anwendungen zu verbieten. Das haben Sie nicht gemacht.
Während der Bund Milliarden für Biovielfalt verspricht, sterben in der Rheinebene die Bienen wie die Fliegen.
Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) meistert die Krise wenig souverän. Sie stellt seine Agrarpolitik, die zu sehr auf Chemie setzt, infrage.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Wir beraten drei Anträge. Als Redezeit sind für die Begründung der Anträge jeweils fünf Minuten und in der Aussprache fünf Minuten je Fraktion festgelegt. Die Kollegen, die die Gesamtredezeit bereits bei der Antragsbegründung ausschöpfen, haben in der Aussprache keine Redezeit mehr. Darauf wollte ich nur hinweisen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vorsitzende des Landesverbands Badischer Imker hat auf dem Höhepunkt der Krise – es ist noch gar nicht so lange her – im „Deutschlandfunk“ Folgendes gesagt – ich zitiere –:
Wir haben überall ein Massensterben an Honigbienen, eine Umweltkatastrophe Nummer 1, und keiner reagiert, weil gesagt wird, wir müssen jetzt erst mal abwarten, bis wir knallharte Fakten haben. Das heißt, die lassen ein fach weitersterben, … der Minister taucht auch nicht vor Ort auf, sondern gibt Presseerklärungen vom fernen Stutt gart ab, das ist die Tragik, die wir jetzt als Imker breit bändig in der Rheinebene erleben.
Inzwischen – der Minister war inzwischen mehrfach vor Ort – sind zwei Drittel der Bienen zwischen Lörrach und Karlsruhe verendet. Man weiß: Seit Jahren belastet die Varroa-Milbe mit den Infektionen und den Krankheiten, die damit zusammenhängen, die Honigbienen und natürlich die Imker und dezimiert die Bienenbestände Jahr für Jahr über die Wintermonate. Nicht wenige Imker haben sich deswegen überlegt, ob sie überhaupt weitermachen. Die Überalterung bei den Imkern ist dramatisch: 52 % der Imker sind über 62 Jahre. Deswegen hat man überall überlegt, wie die Imkerei zu fördern ist, wie die Bienenhaltung gefördert werden kann.
Ausgerechnet in dieser Situation geschah das, was die Imker mit den Worten „Umweltdrama“, „tickende Zeitbombe“ oder „Naturkatastrophe“ bezeichnet haben. Es ist zu einem Schaden gekommen, wie man ihn sich in diesem Bereich zuvor fast nicht hatte vorstellen können, einem Schaden in zweistelliger Millionenhöhe. Und das, meine Damen und Herren, geschah – das ist der entscheidende Punkt – durch behördliche Anordnung. In der gut gemeinten Absicht, den neu aufgetretenen Maiswurzelbohrer massiv zu bekämpfen und seine Ausbreitung zu verhindern, wurde das Beizmittel Clothianidin beim Maissaatgut eingesetzt, und zwar in einer extrem hohen Konzentration. Nicht nur die Naturschutzverbände in Deutschland hatten schon Wochen zuvor gewarnt. Aber das alles hat die Regierungsstellen nicht angefochten und hat sie nicht davon abgehalten, den Landwirten im Landkreis Lörrach und
im Ortenaukreis sogar noch vorzuschreiben, ausschließlich das mit diesem Wirkstoff gebeizte Maissaatgut einzusetzen.
Die Folgen für die Imker: ein Supergau im Oberrheingraben, der doch eigentlich ein Eldorado für Bienen ist. Die Landesregierung antwortete auf diese Katastrophe, indem sie über Wochen hinweg das Bienensterben zu einem „unerklärbaren Rätsel“ erklärte.
Natürlich – das weiß ich auch –: Der nicht fachgerechte Einsatz dieses Mittels hat auch zu beträchtlichen Verwehungen und zur Verteilung des Giftes geführt.
Aber ich komme gleich noch dezidiert zu der Frage, in welcher Hinsicht er verantwortlich ist. Es hat nämlich an grundsätzlichen Warnungen schon seit langer Zeit nicht gefehlt. Frankreich hat das Gift bereits 2004 verboten, und aus Italien lagen umfangreiche Problemberichte vor.
Deswegen handelt es sich bei diesem Supergau nicht etwa um höhere Gewalt, sondern es handelt sich um ein konkretes Versagen.
Erstens war dies ein grundsätzliches Versagen auf der landwirtschaftspolitischen Ebene. Hier geht es um die Frage: Was für eine Landwirtschaft wollen wir? Wollen wir wirklich eine Landwirtschaft, die auf Monokulturen und industrielle Produktion setzt, mit allen hierfür notwendigen Insektizideinsätzen, bei vorhersehbarem ökologischem Risiko?
Zweitens war es ein Versagen auf der technischen Seite; hier waren technische Unzulänglichkeiten maßgeblich. Die Haftfähigkeit des Giftes hat offensichtlich nicht gestimmt, und die Abdrift wurde seitlich herausgeblasen.
Drittens jedoch, Herr Minister, geht es um die konkrete po litisch-administrative Verantwortung. Diese Verantwortung liegt bei der Landesregierung, und zu ihr muss sie auch stehen.
Diese Verantwortung, meine Damen und Herren, bezieht sich nicht nur auf den Honig oder auf die paar Imker, auf die betroffenen Bienen bzw. Bienenvölker, sondern auf gesamtökologische Zusammenhänge. Die Honigbienen sind bekanntlich die entscheidenden Bestäuber in unseren Obstbeständen. Ohne Bienen gibt es keinen Fruchtansatz. Welche Folgeschäden
das Bienensterben an Rhein und Bodensee für die dortigen Obsterzeuger hat, ist derzeit noch völlig unklar. Wenn durch das verdriftete Gift momentan ganze Bienenvölker absterben, dann kann man sich relativ leicht ausmalen, welche Wirkung dieses Gift auf zahlreiche andere Tiere hat – Wildinsekten, Amphibien, Reptilien, Kleinsäuger oder auch Vögel.
Alle Welt und auch Sie haben in den letzten Wochen von Bio diversität und von Artenvielfalt geredet. Das Land gibt schöne Broschüren heraus, und der Minister setzt sich ehrgeizige Ziele. Das ist auch gut so. Besser allerdings wäre es, wenn sich das auch im harten Alltag der Politik wiederfinden ließe.
Wir haben, meine Damen und Herren, einen Minister für Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Naturschutz. Sobald es aber um die Abwägung zwischen divergierenden Ansprüchen und Zielen geht, zeigt sich der klassische Landwirtschaftsminister alter Prägung, fest an der Seite der Agrarlobby und der Wirtschaft. Der Natur- und Verbraucherschutz ist dann relativ zweitrangig. Ich sage es einmal drastisch:
im Zweifel für die Giftspritze, im Zweifel für die Holzhammermethode. Ich erinnere hier nur an die Maikäferbekämpfung bei Karlsruhe, an die Nacht- und Nebelaktion gegen die Kormorane – die noch nicht einmal erfolgreich abgeschlossen werden konnte – oder nun an die völlig verunglückte Aktion gegen den Maiswurzelbohrer.
Immer wird die Beeinträchtigung der Natur, die mit solchen Eingriffen einhergeht, eher kleingeredet und unterschätzt, und das Naturschutzrecht wird, um Eingriffe überhaupt rechtfertigen zu können, sehr großzügig ausgelegt – ein Vorgehen, das zu den proklamierten Artenschutzzielen definitiv nicht passt.
Albert Einstein wird der Satz zugeschrieben: „Erst stirbt die Biene, dann der Mensch.“ Diese Verknüpfung mit Einstein ist vermutlich falsch.