Protocol of the Session on June 4, 2008

Kollege Frankenberg ist anwesend. Er wird vielleicht noch etwas zum Thema Hochschulen sagen. Aber das ist im Augenblick nicht das entscheidende Thema. Mir geht es, wie Sie verstehen werden, um den Technologietransfer. Den Technologietransfer zu bewerkstelligen ist die Aufgabe des Wirtschaftsministers.

Dabei gibt es zwei Punkte, die ich jetzt nur in aller Kürze ansprechen kann.

Der erste Punkt ist: Wir haben in den letzten Jahrzehnten in Baden-Württemberg in der Tat 29 wirtschaftsnahe Forschungseinrichtungen geschaffen, die im Grunde Transferstellen sind, die im Grunde die Brücken sind, über die man gehen muss, wenn man von Grundlagenforschungsergebnissen hin zu neuen Produkten kommen will. Diese 29 Einrichtungen waren

das Saatgut, das wir in der Vergangenheit ausgebracht haben. Das war der Hebel zum Erfolg.

Diese 29 Forschungsinstitute kommen in die Jahre; das muss man wissen. Es wird in der nächsten Zeit darauf ankommen, dass wir diese Forschungsinstitute für die Zukunft fit machen. Das ist mit Kosten verbunden; auch das muss man wissen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Wie?)

Es geht im Wesentlichen um die Fraunhofer-Institute, die beim Wirtschaftsministerium angesiedelten baden-württembergischen Forschungsinstitute, die Helmholtz-Institute. Sie kennen sie alle. Das sind hoch qualifizierte Institute, die bei jeder Evaluation hervorragend abschneiden; das ist gar keine Frage. Aber sie kommen auch in die Jahre. Da muss saniert werden, da müssen zum Teil neue Forschungsschwerpunkte gesetzt werden, da müssen neue Akzente gesetzt werden; auch das ist völlig klar.

Wir haben einmal grob ausgerechnet: Wir müssten für die nächsten sieben bis acht Jahre rund 200 Millionen € in die Hand nehmen, um diese Institute fit zu machen. Jetzt bedeutet das nicht, dass die gesamten 200 Millionen € vom Land Baden-Württemberg aufgebracht werden müssten. Sie müssen da natürlich die Anteile des Bundes abziehen. Er ist ja genauso beteiligt. Sie müssen die EFRE-Mittel, von denen wir gesprochen haben, abziehen. Gott sei Dank ist das Wirtschaftsministerium gut mit EFRE-Mitteln ausgestattet. Es kann noch besser werden, aber immerhin, wir haben den größten Teil bekommen. Damit ist deutlich, dass diese EFRE-Mittel in den Forschungsbereich hineingehen. Wenn Sie die EFRE- und Bundesmittel abziehen, dann kommen Sie auf einen Betrag von rund 80 Millionen €, den Baden-Württemberg bis zum Jahr 2014, 2015 an Landesmitteln aufbringen muss. Wir versuchen, bis zum Jahr 2011 jedes Jahr rund 15 Millionen € aus Landesmitteln aufzubringen, um diese Institute fit zu machen.

Das ist unser Problem. Da gebe ich Ihnen recht. Nur, mit Richtungslosigkeit, lieber Herr Dr. Prewo, hat das überhaupt nichts zu tun. Diese Einrichtungen sind fit, sie sind absolut top, gerade auch in ihrer Brückenfunktion. Das wird Ihnen jeder bestätigen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Gehen Sie einmal nach Denkendorf!)

Deshalb werden wir diesen Weg gehen müssen. Da kann ich Sie nur um Unterstützung bitten, damit wir diesen Weg tatsächlich gehen können. Das ist das eine, was wir machen müssen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Wollen Sie eine Zwischenfrage stellen?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja!)

Bitte, Herr Abg. Schmie del.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Der Herr Präsident wollte es ja eigentlich nicht!)

Herr Minister, dass mehr Geld in diese Transfers fließen soll, ist löblich. Wir warten dann auf die konkreten Summen. Aber Geld allein ist es nicht. Es ist auch das notwendig, was Kollege Prewo mit der „mangelnden strategischen Ausrichtung“ angesprochen hat. Dazu möchte ich eine konkrete Frage stellen. Sie haben u. a. die Helmholtz-Gesellschaften gelobt. Ich war neulich im Krebsforschungszentrum in Heidelberg: eine tolle, international renommierte Forschungsinstitution, die nach eigener und auch nach internationaler Einschätzung in der Grundlagenforschung durchaus vergleichbar mit den amerikanischen Forschungsinstituten, möglicherweise sogar besser ist, die in der anwendungsorientierten Forschung allerdings zurückfällt und, was die Umsetzung ihrer Patente anbelangt, zu 100 % auf Amerika angewiesen ist. Ich frage Sie jetzt einmal ganz konkret, was Ihre Strategie ist, um aus dem Potenzial, das wir hier in Heidelberg haben, tatsächlich Investitionen, Innovationen und Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Strategie muss ganz eindeutig folgende sein: Wir haben Einrichtungen, die Grundlagenforschung betreiben. Die brauchen wir auch. Wir haben dann die wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen. Die machen nichts anderes, als der Wirtschaft – ich will es jetzt einmal verkürzt formulieren –, den Unternehmen zu helfen, die Grundlagenforschungsergebnisse so umzuwandeln, dass daraus ein Produkt bzw. eine Dienstleistung werden kann.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Es geht zu 100 % nach Amerika! – Gegenruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Genau diese Strategie werden wir fahren. Sie war in der Vergangenheit ja auch richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist doch nicht wahr!)

Es kommt ein zweites Problem hinzu. Wir waren in der Technologiepolitik – ich verkürze jetzt einmal – bisher immer der Meinung: Innovation, Umsetzung, Technologiepolitik ist eine Angelegenheit der großen Firmen und der mittelgroßen Firmen, aber ist keine vornehmliche Angelegenheit der kleinen Unternehmen. Das ist eine falsche Position, wie wir in der Zwischenzeit wissen. Sie kann auch nicht aufgehen. Das hängt schon damit zusammen, dass ein großer Teil der baden-würt tembergischen Unternehmen eben kleinere Unternehmen sind. Sie wissen das: 95 % der Unternehmen haben weniger als 50 Beschäftigte, 97 % haben weniger als 250 Beschäftigte. Ich sage Ihnen: Wenn wir als Land Baden-Württemberg weiter massiv Innovationspolitik betreiben wollen – und das müssen wir; es bleibt uns gar nichts anderes übrig –, dann wird dies nur möglich sein, wenn wir diese kleinen Firmen mitnehmen. Da darf keine verloren gehen. Wir müssen auch die kleinen Firmen in diese Innovationspolitik mit hineinnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf von der SPD)

Deshalb habe ich gesagt: Wir brauchen hier auch neue Instrumente, um diesen kleinen Firmen zu helfen, die in der Regel keine Forschungseinrichtungen haben. Denen müssen wir helfen. Das ist der Grund, weshalb wir neue Instrumente wie z. B. das Innovationscoaching entwickelt haben. Wir bieten kon

krete Hilfen für diese kleinen Firmen, sei es in Form von Innovationsassistenten – finanziert übrigens aus ESF-Mitteln, das kann man nicht mit Landesmitteln vergleichen –, sei es in Form von Gutscheinen, die wiederum aus originären Haushaltsmitteln finanziert werden. Aber das ist ja letzten Endes auch egal. Wichtig ist, dass wir diesen kleinen Firmen helfen, und das tun wir, und zwar sehr konkret.

Ich bin froh darüber, dass bei den Innovationsgutscheinen immerhin 30 % der jetzt zum ersten Mal ergangenen Bewilligungen dem Handwerk zugutekommen. Wo hat es das jemals gegeben, dass das Handwerk in dieser Größenordnung an der Innovationspolitik beteiligt worden ist?

Das ist also eine weitere wichtige Antwort auf die Frage, die Herr Kollege Dr. Prewo gestellt hat: In welche Richtung wollt ihr gehen? Ich will ausdrücklich, dass auch die kleinen Unternehmen in Baden-Württemberg, dass auch Handwerksbetriebe und kleine Industriebetriebe auf dem Weg in die Innovationspolitik nicht alleingelassen, sondern mitgenommen werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Thomas Blenke CDU)

Dritter Punkt: Das Thema Clusterpolitik passt in diesen Zusammenhang natürlich hinein. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen; Sie kennen die Zusammenhänge. Baden-Württemberg ist in der Clusterpolitik deshalb so erfolgreich, weil wir schon in der Vergangenheit Netzwerke geschaffen haben. BIOPRO ist ein Beispiel. Wenn im Wettbewerb der Gesundheitsspitzencluster von 20 Anträgen aus der Bundesrepublik Deutschland etwa acht aus Baden-Württemberg mit von der Partie sind und wenn – morgen wird darüber entschieden – von den bundesweit zwölf Spitzenclustern, die nach der Vor auswahl übrig geblieben sind, fünf aus Baden-Württemberg kommen – Sie kennen das alle –, dann ist das der beste Beweis dafür,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Zahlen lügen nicht!)

dass bei uns Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung, große Unternehmen und kleine Unternehmen in einer Art und Weise verknüpft sind, wie es nirgendwo anders in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Auch dies ist eine Voraussetzung dafür, dass wir wirtschaftlich so gut dastehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Thomas Blenke CDU)

Es bleibt meine letzte Sorge: Dies alles wird nur funktionieren, wenn wir auch die notwendige Anzahl von Fachkräften haben. Das ist leider wahr. Dabei spreche ich nicht nur von Akademikern, sondern auch von Kräften, die aus der dualen Ausbildung kommen. Wenn sie fehlen, ist das die größte Wachstumsbremse; darauf habe ich hingewiesen.

Wir haben eine Rekordzahl an Ausbildungsplätzen gehabt und werden diese Entwicklung in der Zukunft fortsetzen müssen. Allein schon der demografische Wandel wird dafür sorgen. Schon in 15 Jahren werden in Baden-Württemberg 580 000 Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stehen. Wir müssen deshalb jeden nur möglichen Ausbildungsplatz noch zusätzlich

generieren. Kein Jugendlicher darf im Grunde mehr ohne eine Ausbildung ins Leben entlassen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir müssen daran denken, dass es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie so gut ausgebildete Frauen gegeben hat. Auch auf dieses Potenzial können wir überhaupt nicht mehr verzichten.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das konnten wir noch nie!)

Es muss endlich auch Schluss sein mit dem Jugendwahn. Die Zeiten, in denen mit Milliardenbeträgen über Jahre hinweg alles getan wurde, um 55-Jährige so schnell wie möglich in den Vorruhestand zu befördern, müssen vorbei sein. Das können wir uns in der Zukunft nicht mehr erlauben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Glocke des Präsiden ten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Prewo?

Bitte.

Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Minister, die Innovationsgutscheine erinnern mich ein bisschen an Kinderbetreuungsgutscheine.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Beides gut! – Zu- ruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass die Landesregierung besser nicht in einer derart gouvernantenhaften Weise auf die kleinen und mittleren Unternehmen zugehen sollte? Wenn ein kleiner oder mittlerer Unternehmer bis zu 7 000 € bekommen will, um Know-how einzukaufen, muss er zum Wirtschaftsministerium gehen und einen Antrag stellen. Die Beamten prüfen, ob er etwas Innovatives macht. Ist das Innovationspolitik? Oder könnte es sein, dass auch der Wirtschaftsminister ab und zu gern einmal die Spendierhosen für die kleinen und mittleren Unternehmen anzieht?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wer soll es denn sonst machen? Der Oberbürgermeister? – Unruhe)

Lieber Herr Dr. Prewo, Gott sei Dank ist es so, dass der Köder dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler – und erst recht nicht Dr. Prewo.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Deshalb: Machen Sie sich da einmal keine Sorgen. Was Sie persönlich denken und was ich persönlich darüber denke, ist überhaupt nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob wir ein Instrument gefunden haben, das in diesem Zusammenhang der Innovationspolitik ankommt, und zwar bei denjenigen, die ich beschrieben habe: bei den kleinen Unternehmen. Wir machen das absolut unbürokratisch – ich erkläre es Ihnen nachher –

mit ganz, ganz geringem Aufwand. Da entsteht überhaupt keine Bürokratie.