Protocol of the Session on June 4, 2008

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Nein, nein! Abstimmen! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist die übliche Uneinigkeit in der SPD!)

Die SPD-Fraktion begehrt Abstimmung über den Änderungsantrag Drucksache 14/2789. Wer diesem Antrag zustimmt, möge bitte die Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Soll der Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 14/2742, für erledigt erklärt oder an den Ausschuss überwiesen werden? – Er soll für erledigt erklärt werden. Es ist so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 14:30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:32 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:32 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Heimgesetz für Baden-Württemberg (Landesheimgesetz – LHeimG) – Drucksache 14/2535

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 14/2708

Berichterstatterin: Abg. Katrin Altpeter

Das Präsidium hat eine Allgemeine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Für die CDU-Fraktion erteile ich in der Allgemeinen Aussprache Herrn Abg. Raab das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Sehr guter Mann!)

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ohne dass dies explizit auf der Tagesordnung steht, ist das Thema „Demografische Entwicklung“ heute im Fokus unserer Debatte bei der Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für das erste badenwürttembergische Heimgesetz. Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in unserem Land um 54 % zunehmen. Dies ist Grund genug, ein zukunftweisendes Gesetz zu erlassen, dessen Aktualität bereits heute gegeben ist.

Bei allen berechtigten Interessen der Leistungsanbieter: Für uns sind die Anliegen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen und der Verbraucherschutz das primäre Ziel der gesetzlichen Regelung. Dennoch haben wir ein Gesetz entwickelt, das auch dem Gedanken der Vereinfachung und Entbürokratisierung gerecht wird. Die durch die Föderalismusreform vom Bund auf das Land übergegangene Zuständigkeit hat uns die Chance gegeben, eine klare Definition und eine Abgrenzung zum betreuten Wohnen und zum ambulant betreuten Wohnen vorzunehmen.

Ein der CDU-Fraktion besonders wichtiger Bereich ist die Ermöglichung neuer Wohnformen. An diesen Leitlinien haben wir uns orientiert und entgegen anderslautender Äußerungen auch von Leistungserbringern Zustimmung erfahren. Auch der Landesseniorenrat hat durch seinen Vorsitzenden, Herrn Hörrmann, letzte Woche beim Landesseniorentag in Heilbronn grundsätzlich zustimmende Worte gefunden.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wir wa- ren dabei! Es stimmt! – Zurufe der Abg. Bärbl Mie- lich GRÜNE und Katrin Altpeter SPD)

Danke für die Bestätigung. Wir waren ja alle vier auf dem Podium. Dem ist nicht zu widersprechen.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Sie hören mit anderen Ohren!)

Was haben wir im Hinblick auf das Bundesrecht verbessert? Wer Qualität sichern möchte, muss eine Fachkraftquote zur Vorhaltung von ausreichend qualifiziertem Personal vorschrei

ben. Wir wollen 50 % – Ausnahmen nur, wenn es die Belange der Bewohner erlauben.

Gute Qualität wird auch durch die Arbeit der Heimaufsicht und deren unangemeldete Begehungen erreicht. Die im Landeshaushalt zur Verfügung zu stellenden 150 000 € werden den erforderlichen Sachverstand gewährleisten.

Auch von den in zwei Jahren zu erstellenden Qualitätsberichten versprechen wir uns eine Verbesserung zugunsten der Bewohner und ihrer Angehörigen. Dahinter ist kein Misstrauen gegenüber den Heimen zu sehen. Wer gute Arbeit leistet, kann sie gern dokumentieren und veröffentlichen. Wer nicht veröffentlichen kann oder will, hat ein Problem der Rechtfertigung und sicherlich auch ein Problem mit seiner wirtschaftlichen Zukunft. Es gibt genügend Beispiele aus der Politik, bei denen solche Vergleichsmöglichkeiten eine heilsame, leistungsverbessernde Wirkung gezeigt haben. Wettbewerb ist eine gute Motivation für Verbesserungen. Im Heimbereich sind sie absolut gewollt.

Bei dem Kongress der CDU-Landtagsfraktion am vergangenen Samstag wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Menschen zuvörderst in ihren eigenen vier Wänden alt werden wollen. Der Weg ins Heim wird von vielen möglichst weit hinausgeschoben. Ambulant betreute Wohngemeinschaften sind eine von mehreren Möglichkeiten zwischen Selbstversorgung und Heimaufenthalt.

Dem wollen wir mit der klaren Abgrenzung Rechnung tragen, in welchen Fällen das Heimgesetz gilt und in welchen nicht. Dabei ließen wir uns von dem Gedanken tragen: Menschen mit Behinderungen und Menschen mit psychischer Erkrankung haben eine andere Lebenssituation als Heimbewohner. Wir wollen den unterschiedlichen Lebenszielen gerecht werden. Bei Menschen in Wohngemeinschaften ist der Weg zu mehr Selbstständigkeit das Ziel. Ihre Individualität auszubauen und zu verstärken steht im Vordergrund.

Ich möchte an dieser Stelle meinen persönlichen Dank für die Zustimmung zu dem gemeinsamen Änderungsantrag zur Anhebung der Grenze, bis zu der betreute Wohngruppen nicht unter das Heimgesetz fallen, von ursprünglich sechs auf höchs tens acht Plätze zum Ausdruck bringen. Die wenigen Enthaltungen lagen näher bei den Zustimmungen. Dies ist jedenfalls meine persönliche Bewertung.

Einen Fortschritt sehen wir ebenso in der Aufnahme von Wohngemeinschaften von Menschen mit Behinderungen in den Schutz des Heimgesetzes. Auch hier geht es nicht um Misstrauen. Es geht um die Qualitätssicherung für die Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Angehörigen.

Die Mitwirkung von Bewohnerinnen und Bewohnern in Angelegenheiten ihres Heimes ist uns wichtig. Es ist selbstverständlich keine Mitwirkung, wie sie das Arbeitsrecht kennt. Es geht um die Möglichkeit, an Entscheidungen zu partizipieren. Heimbeiräte können auf die Qualität der Einrichtung unmittelbar einwirken und schützen die Würde der Bewohner, indem sie deren Interessen und Bedürfnisse zum Ausdruck bringen. Zusammen mit qualifiziertem und engagiertem Personal sorgen sie für eine hohe Pflegequalität in unserem Land. Wo dies nicht der Fall ist, machen sie darauf aufmerksam und tragen dabei eine hohe Verantwortung.

Neue Entwicklungen sind durch die Erprobungsregelungen möglich. Kaum ein anderer Bereich ist so dynamisch. Was noch geschehen muss, ist eine Zusammenfassung der bisher geltenden sechs Verordnungen in einer einzigen. Dabei ist eher an eine Verschlankung als an den Fortbestand aller Regelungen zu denken. Wir erwarten von der Landesregierung eine zügige Erarbeitung und eine rechtzeitige Beteiligung, wie wir sie auch beim Gesetzgebungsverfahren erfahren durften.

Allen Beteiligten – Ihnen, Frau Sozialministerin Dr. Stolz, Ihren Fachleuten im Ministerium und den an den Anhörungen Beteiligten – darf ich an dieser Stelle danken. Wir haben alle zusammen in hoher Verantwortung für die Menschen in den Heimen ein erstes Landesheimgesetz zur Verabschiedung reifen lassen, von dessen Qualität wir überzeugt sind, ohne uns in den Vordergrund zu stellen.

Danken möchte ich auch den Damen und Herren, die täglich ihr Können und ihre Kraft zum Wohle unserer Mitmenschen einbringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Altpeter das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz zum Heimrecht vom Bund auf die Länder hätten Sie, Frau Ministerin, die Möglichkeit gehabt, mit einer Neufassung des Heimrechts für Transparenz und für wirklichen Verbraucherschutz zu sorgen und die Versorgung und Unterstützung von Menschen in Einrichtungen der Alten- und der Behindertenhilfe mit einer wirklichen Perspektive weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Ich möchte an dieser Stelle klar sagen: Die Chance, ein Gesetz zu schaffen, das für die sehr unterschiedlichen Einrichtungen der Alten- und der Behindertenhilfe maßgeschneiderte Lösungen vorsieht, haben Sie schlicht und einfach vergeben.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Der vorliegende Gesetzentwurf übernimmt weitgehend die Strukturen des alten Bundesheimgesetzes und lässt wenig Raum für neue, für innovative Entwicklungen und auch viel zu wenig Raum für die sich verändernden Bedarfe der heute und künftig Pflegebedürftigen, Behinderten und chronisch psychisch kranken Menschen in unserem Land.

Deutlich wird dies bereits an der Überschrift des Gesetzentwurfs: Der Begriff „Heim“ ist ein überholter und auch ein anachronistischer Begriff und entspricht bereits heute nicht mehr den Lebensbedingungen der Menschen, die aufgrund einer Einschränkung gezwungen sind, in einer stationären Einrichtung zu leben.

Wir hätten uns gewünscht – und dahin zielen auch unsere Anträge –, dass Sie die Chance, die sich durch die Föderalismusreform ergeben hat, wirklich wahrgenommen und gesagt hätten: Jawohl, wir wollen das Leben von Menschen in stationären Einrichtungen in unserem Land wirklich neu gestalten, wir wollen etwas bewegen, wir wollen hier ein zukunftweisendes Gesetz schaffen. Dies ist nicht geschehen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Es ist ja auch nicht so, dass nur wir – wie es aus den Reihen der Opposition heraus üblich ist – Kritik an der Landesregierung üben würden, sondern wir sind mit unserer Kritik auf ganz breiter Basis nicht allein: Vom Städtetag über die Wohlfahrtsverbände und die anderen Anbieter bis hin zu den Betroffenenvertretungen und den Selbsthilfeverbänden habe ich selten – und ich bin ja jetzt auch nicht erst seit ganz Kurzem dabei – zu einem Gesetzentwurf aus dem Sozialressort so viel Kritik in allen Richtungen gehört. Ich glaube und bin mir da sogar sicher: An dieser Stelle sieht man sehr deutlich, was Ihnen mit diesem Gesetzentwurf nicht gelungen ist. Sie wollten es allen recht machen, haben aber niemanden befriedigen können.

(Abg. Werner Raab CDU: Sie wollen das!)

Jetzt haben wir einen Gesetzentwurf, der niemandem gerecht wird.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE – Abg. Werner Raab CDU: Sie wollen das!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auf einige Punkte, auf die sich auch unsere Änderungsanträge beziehen, eingehen.

Der erste Punkt ist das Heimvertragsrecht. Zu Recht weisen Städtetag und andere Organisationen in ihren Stellungnahmen darauf hin, dass aus ihrer Sicht der Bund die Gesetzgebungskompetenz für das Heimvertragsrecht hat und die heimvertraglichen Regelungen im Gesetzentwurf der Landesregierung daher unzulässig sind. Aber nicht nur die rechtlich ungeklärte Situation, die zu Unsicherheiten bei Bewohnern und Angehörigen führt, hat uns veranlasst, zu beantragen, das Kapitel Heimvertragsrecht ganz aus dem Gesetzentwurf herauszunehmen, sondern auch das Wissen, dass der Grundsatz des Verbraucherschutzes auch im Heimvertragsrecht gelten muss. Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, dass, wenn ich in Ludwigshafen wohne und einen Angehörigen in Mannheim in einer stationären Einrichtung habe, dort ein anderes Vertragsrecht gilt, dass, wenn ich in Ulm wohne und meinen Angehörigen in Neu-Ulm habe, ich dort als Verbraucher mit einem anderen Vertragsrecht zu tun habe. Das Heimvertragsrecht ist so zu behandeln wie Mietverträge und andere Verträge. Damit bedarf es einer bundeseinheitlichen Regelung.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Ihr seid Superföderalisten! Lippenbekennt- nisse! – Abg. Werner Raab CDU: Was soll das denn?)

Ich möchte zum Verbraucherschutz noch einige Worte sagen. Zu einem guten Verbraucherschutz gehören in erster Linie Qualität und Transparenz. Deswegen ist es uns ein großes An

liegen, dass die Berichte der Heimaufsichten landesweit einheitlich geregelt werden. Bislang ist keine Vergleichbarkeit gegeben. Ein entsprechender Passus dazu findet sich im Gesetz jedoch nicht.