Protocol of the Session on April 3, 2008

(Zuruf des Abg. Ingo Rust SPD)

Es ist heute nicht gesagt worden. Aber er sagt es ansonsten immer.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Er kommt noch! Keine Angst!)

Er kommt vielleicht noch. Ich darf nachher nicht mehr reden.

Ich will einfach einmal ein paar Fakten zu Ihrem Vorhalt „Sicherheitspolitik nach Kassenlage“ nennen:

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sagen Sie doch gleich mit, was ich sagen wollte! Dann ist es erledigt!)

Wir haben in der Vergangenheit 350 Millionen € in die Technik investiert. Wir investieren jetzt über 300 Millionen € in diesen Einstellungskorridor. Wir erhöhen in dieser Legislaturperiode den Anteil des gehobenen Dienstes. Wir ermöglichen 1 400 zusätzliche Beförderungen im mittleren Dienst der Polizei. Angesichts dessen reden Sie, Kollege Gall, immer noch von „Sicherheitspolitik nach Kassenlage“.

Noch ein Letztes: Herr Schmiedel, Sie waren bei dem Neujahrsempfang der Gewerkschaft im Kreis Ludwigsburg.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Haben Sie auch die Ei- seskälte gespürt?)

Sie reden vom Verhältnis der Polizei zur Landespolitik. Reden Sie bitte vom Verhältnis einzelner Polizeigewerkschaftsfunktionäre zur Landespolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Nein, nein! – Weitere Zurufe von der SPD)

Es ist auch nicht d i e Polizei, wenn ein Umfrageergebnis veröffentlicht wird, nach dem angeblich 90 % der Polizisten mit dem Innenminister unzufrieden seien.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wahrscheinlich sind es 95 %!)

Anschließend stellt sich heraus, dass das Ergebnis dieser Umfrage – eigentlich ist das gar keine Umfrage – auf der Grundlage sehr zweifelhafter Fakten erstellt worden ist.

(Glocke des Präsidenten)

Das Gleiche gilt übrigens für die Farbe der Polizeiuniformen. Wir stellen jetzt die Uniformfarbe von Grün auf Blau um –

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Und warum?)

so, wie es die meisten anderen Bundesländer tun; Blau ist weltweit die Farbe der Polizei. Wer regt sich darüber auf?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Die Polizei!)

Nicht d i e Polizei. Es gibt zwei Gewerkschaften, die die uniformierte Polizei vertreten. Die eine geht mit dem Thema sehr sachlich um, und sie trägt die Farbe Blau. Das ist der Beamtenbund. Die andere trägt die Farbe Grün, und die regt sich über die Umstellung auf. Ich verstehe, dass sie sich darüber aufregt. Ihr geht die Farbe aus dem Gewerkschaftslogo verloren.

(Heiterkeit des Abg. Stefan Mappus CDU)

Aber man muss einfach einmal darauf hinweisen: Es ist nicht d i e Polizei,

(Zurufe von der SPD)

sondern es geht hier um Einzelne.

Mir wird „Sprechzeitende“ angezeigt. Aber ich glaube, Kollege Schmiedel möchte mir noch eine Frage stellen.

Nein, das geht nicht mehr.

Das geht nicht mehr. Schade eigentlich.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Schade!)

Seien Sie versichert: Wir setzen Schwerpunkte. Wir machen keine Sicherheitspolitik nach Kassenlage. Wir setzen Schwerpunkte. Ich habe nur einige Beispiele genannt.

Wir werden auch mit dem Thema Stellenausstattung sehr sorgsam umgehen. Wenn Sie einmal in die Polizei hineinhören,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Machen wir!)

wird Ihnen jeder bestätigen: Die Entscheidung zum Einstellungskorridor war eine wegweisende Entscheidung, die für die Polizei und damit auch für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu nachhaltigen positiven Wirkungen führen wird.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr guter Mann, der Blenke! – Abg. Wolfgang Drex- ler SPD: Was machen wir jetzt in Stuttgart, in Esslin- gen und anderswo?)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Sckerl.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss über das Thema Polizei im Land Baden-Württemberg mit Sicherheit zu jeder Zeit reden. Es ist immer ein aktuelles Thema. Wenn sich der Landtag keine Sorgen über die Ausstattung der Polizei und ihre Personalstärke macht und sich nicht die Frage stellt, ob die Polizei angesichts stetig wachsender Aufgaben in der Lage ist, diese auch noch morgen zu erfüllen, dann ist er fehl am Platz. Deshalb ist es völlig richtig, auch heute über dieses Thema zu reden.

Herr Blenke, Sie beschönigten eben einmal wieder die tatsächliche Situation. Wann gab es das denn im Land BadenWürttemberg, dass – egal in welchem Regierungsbezirk, in welcher Direktion, in welchem Präsidium, bei welchem Pos ten, bei welchem Revier – nicht die Gewerkschaftsfunktionäre, sondern mittlerweile die Verantwortlichen,

(Abg. Reinhold Gall SPD: So ist es!)

die Polizeiführung Pressekonferenz auf Pressekonferenz abhalten und die personelle Misere beklagen? Wann gab es das jemals in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg? Ich kann mich an kein solches Beispiel erinnern. Ich glaube, das macht sehr deutlich, dass wir ein Problem haben, über das wir in Ruhe, sachlich und ohne Emotionen reden sollten.

Was ist die Ursache des Problems? Die Ursache ist, dass wir zunächst einmal den richtigen Beschluss gefasst haben – den haben wir als Fraktion mitgetragen –, die durch die Verlängerung der Wochenarbeitszeit gewonnene Kapazität dazu zu nutzen, Stellen abzubauen. Herr Innenminister, bei der Polizei – das ist meine Überzeugung – stellt sich die Umsetzung jetzt

als problematisch heraus. Denn die rein mathematische Umsetzung berücksichtigt nicht den Istzustand. Sie berücksich tigt nicht veränderte Sicherheitslagen, veränderte Aufgabenstellungen und die Tatsache, dass Sollstärke und Iststärke bei der Polizei mittlerweile immer weiter auseinanderklaffen.

Ich glaube, wenn wir uns die Zahlen in Ruhe anschauen, können wir realistisch feststellen: Es fehlen 162 Stellen im Verhältnis zwischen Iststärke und Sollstärke. Wir haben irrsinnige Überstundenberge beim Vollzugsdienst einschließlich Kripo. Der Altersdurchschnitt bei der Polizei ist sehr hoch. Vor allem die Reviere im ländlichen Raum klagen über eine ständige Überschreitung der Belastbarkeitsgrenze. Die Dienstunfähigkeitszahlen sind in den letzten Jahren in besorgniserregendem Maße angestiegen. Hinsichtlich der Polizeidichte liegt Baden-Württemberg mittlerweile im Bundesvergleich auf dem drittletzten Platz. Diese Bestandsaufnahme zieht sich durch alle Regierungsbezirke und Bereiche in Baden-Würt temberg. Ich habe erwähnt, wer sich mittlerweile zu Wort meldet. Ich glaube, da sind Handeln und Reaktion tatsächlich angesagt.

Jetzt rühmt sich der Kollege Blenke mit dem Einstellungskorridor ab 2008. Das ist eine richtige Maßnahme. Diese begrüßen wir. Sie war überfällig. Sie mussten ja förmlich zum Jagen getragen werden. Es waren erbitterte Diskussionen, es waren Proteste der Polizei und der Gewerkschaften notwendig, um Sie zu der Einsicht zu bringen, dass man nicht bis 2015 damit warten kann, weil die Pensionswelle ja früher einsetzt. Wir wissen, dass bis 2020 fast die Hälfte der derzeitigen Polizeibediensteten im Ruhestand sein werden. Von daher war schon völlig klar, dass wir bei den Polizeianwärtern und -anwärterinnen handeln müssen.

Allerdings hilft uns diese richtige Entscheidung nicht über das Problem der nächsten drei Jahre hinweg, Herr Kollege. Da haben wir ein massives Problem mit dem Abbau von fast 1 000 Stellen. Sie haben bisher nicht vorgetragen, wie das bewältigt werden soll, und die Polizei – wohlgemerkt nicht nur die Funktionäre, sondern auch die Polizeiführung – sagt: Es wird so nicht gehen.

In dieser Situation stellt die SPD den Antrag, den Stellenabbau zu stoppen. Herr Kollege Schmiedel, wir verstehen den Antrag so: Es muss Zeit gewonnen werden, um sich etwas Neues zu überlegen, etwas, was der gegenwärtigen Situation jedenfalls eher gerecht wird, als einfach einmal Beschlossenes weiterhin ungerührt durchzuziehen. In diesem Sinne unterstützen wir den Antrag.

Herr Innenminister, wir sollten über ein realistisches Maß dessen, was getan werden muss, reden. Ich meine, dass wir die Differenz zwischen Soll- und Iststärke verringern müssen. Ich habe erwähnt: Allein in diesem Bereich fehlen 162 Stellen. Vielleicht haben Sie andere Zahlen. Das waren die Zahlen vom Juli 2007. Da müssen wir etwas tun. Wir müssen uns die Themen Altersdurchschnitt und Belastbarkeit angucken.

Wenn wir das seriös werten, kommen wir auf eine bestimmte Zahl von Planstellen, an die wir in den nächsten drei Jahren herankommen müssen, um der Polizei angesichts der zunehmenden Aufgabenstellungen tatsächlich zu helfen. Ich glaube, dafür könnte es auch im Hause eine Verständigung geben.

Wir müssen uns nicht immer mit Maximalforderungen auf der einen Seite und einer Abwehrhaltung auf der anderen Seite auseinandersetzen. Das wäre für uns ein Vorschlag zur Diskussion in den nächsten Wochen und Monaten. Allerdings nichts zu tun und das Problem auszusitzen wäre die falsche Antwort. Deswegen fordern wir Sie auf: Gehen Sie mit uns einen gemeinsamen Weg, um die Situation der Polizei auch schon in diesem und im nächsten Jahr zu verbessern.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kluck.