Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 42. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.
Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt vervielfältigt auf Ihren Tischen. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf des Staatsvertrags über die Bestimmung einer innerstaatlichen Institution nach dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 9. September 1996 über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (Bilgenentwässerungsverband-Staatsvertrag) – Drucksache 14/2469
2. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2008, Az.: 2 BvL 8/08 – Normenkontrollverfahren zu Vorschriften des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes wegen der gerichtlichen Zuständigkeit für die Überwachung des Schriftwechsels von Untersuchungsgefangenen
3. Mitteilung der Landesregierung vom 17. März 2008 – Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) ; hier: Berichtigte Anmeldung des Landes zum Rahmenplan 2008 – Drucksache 14/2520
Überweisung an den Ausschuss Ländlicher Raum und Landwirtschaft und federführend an den Finanzausschuss
4. Mitteilung des Finanzministeriums vom 18. März 2008 – Vierteljährliche Unterrichtung über Steuereingänge und Staatsausgaben (Be- schlüsse des Landtags vom 15. März 1973, Drucksache 6/1993, und vom 20. Dezember 1973, Drucksache 6/3910 Ziff. II Nr. 6); Bericht für das Jahr 2007 – Drucksache 14/2527
über Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf des Elften Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Elfter Rundfunk- änderungsstaatsvertrag) – Drucksache 14/2541
Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf des Staatsvertrages zur Vereinigung der Landesbank Baden-Württemberg und der Landesbank Rheinland-Pfalz – Drucksache 14/2550
Meine Damen und Herren, unsere parlamentarische Arbeit dient dazu, Sachfragen politisch zu entscheiden, Alternativen zu diskutieren und Verantwortung zuzuweisen. Die unvermeidliche Sitzungsroutine darf jedoch nicht überdecken: Demokratie ist mehr als irgendeine staatsrechtliche Organisationsform, Demokratie ist auch und vor allem Abbild einer freien Geisteshaltung!
Frühjahr 1933 – das hieß auch in Baden und in Württemberg: Die Nazis taten, wozu sie am 30. Januar 1933 durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler die Möglichkeit bekommen hatten: Brutal, zynisch und buchstäblich „Schlag auf Schlag“ installierten sie das Führerprinzip als Basis ihrer Terrorherrschaft.
Nach dem Erfolg der NSDAP bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 sagte Goebbels: „Als Nächstes kommt Baden an die Reihe. Dort werden wir jetzt Ordnung schaffen.“
Schon drei Tage später wehte die Hakenkreuzflagge über dem badischen Innenministerium. Der NSDAP-Gauleiter war zum Reichskommissar ernannt worden. Zu seinen ersten Handlungen gehörte das Eliminieren der Presse-, der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit. Staatspräsident Josef Schmitt und sein Kabinett mussten am 10. März 1933 zurücktreten. Einen Tag später übernahmen die Nazis ihre Ämter.
In Württemberg begann der kalte Staatsstreich ebenfalls am 8. März 1933. Der Reichsinnenminister bestellte einen NSDAP-Reichstagsabgeordneten zum Reichskommissar, und zwar mit der wahrheitswidrigen Behauptung, die Regierung in Stuttgart sei nicht mehr in der Lage, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten. Er brachte sofort die Polizei unter seine Kontrolle und befahl, Hunderte politische Gegner zu verhaften.
Am 15. März 1933 erzwangen die Nazis, dass der Württembergische Landtag den Staatspräsidenten Eugen Bolz entließ und den NSDAP-Gauleiter zum Nachfolger kürte.
Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 übertrug die gesetzgebende Gewalt auf die Reichsregierung und bedeutete damit das Ende der parlamentarischen Demokratie im Reich. Zugleich war es ein Fanal für die Länder und die Landtage. Denn bundesstaatliche Strukturen standen dem totalitären Anspruch der Nazis im Wege.
Durch das „Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 31. März 1933 wurden deshalb die Landtage ihrer Legislativfunktion beraubt. Die Befugnis zur Gesetzgebung ging nach dem Vorbild des Ermächtigungsgesetzes an die Landesregierungen über. Zudem mussten sich die Länderparlamente auflösen und nach dem Ergebnis der erwähnten Reichstagswahl vom 5. März 1933 neu bilden.
Das zweite „Gleichschaltungsgesetz“ folgte schon am 7. April. Es unterstellte die Landesregierungen den Reichsstatthaltern, die ihrerseits unmittelbar von Hitler kommandiert wurden. Faktisch erlosch damit die Souveränität der Länder.
Die nominellen Reste des ausgebeinten bundesstaatlichen Gefüges beseitigten die Nazis schließlich durch das „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934. Die Hoheitsrechte der Länder fielen an das Reich, und die längst lahmgelegten Landtage wurden abgeschafft.
Der Exitus des Föderalismus verlief nicht technokratisch-steril. Menschen litten darunter. Wer sich verweigerte, wurde observiert, schikaniert und eingekerkert. Landtagsabgeordnete konnten ihr Mandat nicht ausüben, weil man sie in „Schutzhaft“ festhielt. Schnell pervertierte der Staat zum Henker: Widerstand kostete das Leben.
Wir erinnern an die ermordeten oder aufgrund von Verfolgung zu Tode gekommenen Mitglieder des Badischen und des Würt tembergischen Landtags durch das Gedenkbuch neben unserem Plenarsaal.
Und vergessen wir nicht, wie groß die Anpassungsbereitschaft in Teilen der Bevölkerung schon im Frühjahr 1933 war und wie eilfertig Hitler oft die Loyalität bekundet wurde.
Warum suchten so viele das Heil im Unheil? Karl Jaspers hatte bereits 1931 geschrieben: „Alles versagt. Es gibt nichts, was nicht fragwürdig wäre.“
Schlagen wir gerade an dieser Stelle eine Brücke in das Heute. Freiheit und Demokratie sind nicht auf Dauer garantiert. Wir müssen ihren Bedrohungen permanent und entschlossen begegnen.
Je komplizierter unser Dasein in der globalisierten Welt wird, desto wichtiger ist, dass die Bürgerinnen und Bürger den staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen vertrauen, die Werte der sozialen Marktwirtschaft erfahren und keine Identitätsverluste erleiden.
Die Weimarer Republik konnte von den Rändern her erschüttert und zum Einsturz gebracht werden, weil sie ein Haus war, in dem sich mehr und mehr Menschen nicht mehr zu Hause fühlten.
Arbeiten wir also dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger weder auf Demagogen noch auf Rechts- oder Linksextremisten hereinfallen. Demokratie zehrt aus, wenn ihr Rückhalt in der Mitte der Gesellschaft schwindet. Und genau auf dieses Vakuum spekulieren die Radikalen mit ihren simplen Rezepten.
Unser Dasein wird jedoch zunehmend komplexer. Manches erscheint widersprüchlich. Politik muss daher immer intensiver erklärt werden. Statistiken und wissenschaftliche Analysen helfen dabei nur bedingt. Der Maßstab der Bürgerinnen und Bürger ist auch ihre persönliche Wahrnehmung. Unsere Aufgabe lautet folglich, sensibel und differenziert zu argumentieren und mit demokratischer Haltung um Resultate zu ringen, die problemgerecht sind und von den Bürgerinnen und Bürgern auch so empfunden werden.
CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg – Drucksache 14/2490
CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes – Drucksache 14/2500