Sie haben in Ihrem Energiekonzept geschrieben, Sie wollten 2020 bei der Stromproduktion einen Anteil von 50 % durch Kernkraft haben. Wenn man nach der heutigen Gesetzeslage geht, dann wird 2020 ausschließlich GKN II noch am Netz sein, das laut Atomausstiegsgesetz etwa 15 % der aus Kern energie gewonnenen Strommenge in Baden-Württemberg produziert. Sie konterkarieren wirklich die aktuelle Gesetzeslage für Ihr Energiekonzept 2020. Aus meiner Sicht ist es indiskutabel, dass ein Ministerium Zahlen nennt, die auf einer ungesetzlichen Basis stehen.
Kommen wir nun zur Sicherheit, dem eigentlichen Thema dieser Debatte. Es wird ja immer gesagt – so steht es auch in der Stellungnahme zu unserem Antrag –, die alten Kernkraftwerke würden mit Millionenaufwand nachgerüstet. Glücklicherweise wird nicht behauptet, sie seien genauso sicher wie die neuen. Das wäre ja noch schlimmer, so etwas zu behaupten.
Ich möchte einfach noch einmal nur zu den vier noch am Netz befindlichen Kernkraftwerken in Baden-Württemberg vortragen, wie viele Störfälle sich dort in den viereinhalb Jahren zwischen Anfang 2003 bis Juni 2007 ereignet haben.
Beginnen wir mit dem einigermaßen „positiven“ Beispiel: Neckarwestheim II, also das modernste der vier Kraftwerke,
hat in diesen viereinhalb Jahren 14 meldepflichtige Ereignisse gehabt. Philippsburg 2, das zweitälteste Kraftwerk, hat 18 meldepflichtige Ereignisse gehabt. Neckarwestheim I – also GKN I –, das Kraftwerk, das vom Netz gehen soll, weist immerhin schon 24 meldepflichtige Ereignisse in diesem Zeitraum auf.
Kommen wir nun zu Philippsburg 1, das 2011 vom Netz gehen soll – das wird auch Zeit –: In diesen viereinhalb Jahren gab es dort 36 meldepflichtige Ereignisse. Darunter ist auch eine Eilmeldung von Anfang 2007, bei der man sagen muss: Das war nicht nur ein meldepflichtiges Ereignis, sondern das war ein Ereignis, das sich schon in einem etwas kritischeren Bereich bewegte.
Vor diesem Hintergrund fordere ich Sie, Frau Ministerin, auf, es nicht zuzulassen, es nicht gutzuheißen und als baden-würt tembergische Atomaufsicht hierzu auch nicht zu schweigen, dass die EnBW nun versucht, sich über den Zeitraum bis zur nächsten Wahl zu retten, indem sie sagt: „Wir übertragen Restmengen von einem neuen Kraftwerk“ – das angeblich sicherer ist – „auf ein altes, oder wir übertragen Mengen von anderen Kraftwerken auf ein altes.“ Denn damit hätten wir die Probleme in den alten Kraftwerken vorprogrammiert.
Frau Ministerin, Sie müssten doch auch gelesen haben, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof gestern in einem Urteil zu Biblis A klar das bestätigt hat, was das BMU entschieden hat, nämlich dass Reststrommengen nicht auf Biblis A – auch so eine alte „Kiste“, die vom Netz gehört – zu übertragen sind. Dieser Streitfall geht jetzt sicherlich vor das Bundesverwaltungsgericht. Aber ich gehe davon aus, dass das Urteil auch dort nicht gekippt wird, denn das BMU liegt mit seiner Entscheidung auf der gesetzlichen Linie, wonach jede Übertragung von Mengen von neuen Kraftwerken auf alte Kraftwerke ausdrücklich die Zustimmung des Bundesumweltministeriums erfordert.
Vor diesem Hintergrund fordere ich Sie entschieden auf, dieser Trickserei Einhalt zu gebieten, sich ganz klar an die Gesetzeslage zu halten und die Atomaufsicht, die Sie im Land wahrzunehmen haben, wirklich ernst zu nehmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bevor ich zu den Sicherheitsaspekten kom me, die im Zentrum der beiden heute vorliegenden und zu diskutierenden Anträge stehen, möchte ich zunächst ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu der aktuellen Debatte im Zusammenhang mit der Frage nach einer Laufzeitverlängerung machen.
Die Gründe und Argumente, die angeführt werden, wechseln, das Ziel der Energiewirtschaft bleibt aber das gleiche, nämlich mit aller Gewalt eine Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke in Deutschland durchzusetzen. In den letzten beiden Jahren kam das Argument Klimaschutz, neuerdings kommt das Argument Versorgungssicherheit.
Zum Argument Klimaschutz will ich nur jemanden zitieren. Am 31. Januar 2008 gab es einen Beitrag in den „Stuttgarter Nachrichten“, welcher mit einem Zitat von demjenigen überschrieben ist, der in dem Bericht erwähnt wird. Die Überschrift lautet: „Atomkraft behindert Klimapolitik“. In dem Beitrag heißt es dann:
geradezu schädlich. Werden die Laufzeiten der abgeschriebenen Atomkraftwerke verlängert, haben es die erneuerbaren Energien schwerer, konkurrenzfähig zu werden.
Derjenige, der das gesagt hat, ist Mitglied der CDU und Präsident des Umweltbundesamts. Ich finde, dass es an der Zeit ist, dass Sie sich dieser Argumentation Ihrer eigenen Leute öffnen und ernsthaft darüber diskutieren.
Ich komme zu dem zweiten Argument, das in den letzten Tagen verstärkt angeführt wird. Es war auch gestern vom neuen Vorstandsvorsitzenden der RWE, Großmann, zu lesen, und auch der neue Vorstandsvorsitzende der EnBW, Villis, wurde am 21. Januar 2008 im „Handelsblatt“ mit der Aussage zitiert:
Wir sind einfach nicht dazu in der Lage, den Wegfall von 17 Kernkraftwerken kurzfristig zu kompensieren.
Da muss man doch auch fragen: Wo steht denn, dass wir diese 17 Kernkraftwerke kurzfristig ersetzen wollen? Nirgendwo, weder im Atomgesetz noch anderswo! Wir haben vielmehr einen Zeitplan, nach dem wir die Anlagen vom Netz nehmen wollen. Es hat einen guten Grund, warum wir das damals unter Rot-Grün so gemacht haben. 17 Anlagen auf einen Schlag vom Netz zu nehmen wäre selbstverständlich nicht möglich. Gleichzeitig muss man aber auch einmal Folgendes sehen: Die Anlagen vom Netz zu nehmen, die in den kommenden Jahren anstehen, ist überhaupt kein Problem.
Der Verband der Elektrizitätswirtschaft hat kürzlich Zahlen für das Jahr 2007 vorgelegt, die wie folgt aussehen: Die Bundesrepublik hat im Jahr 2007 14 Milliarden Kilowattstunden exportiert. Auch in den Jahren davor hatten wir Exporte in ähnlicher Größenordnung in die Nachbarländer. Im vergangenen Jahr waren es 14 Milliarden Kilowattstunden. Diesen Exportüberschuss hatten wir, obwohl im Jahr 2007 mit Biblis A, Biblis B, Krümmel und Brunsbüttel vier Anlagen entweder das ganze Jahr oder zeitweise stillgestanden sind und Neckarwestheim I mit gedrosselter Leistung gelaufen ist. Im August haben fünf Kernkraftwerke in Deutschland stillgestanden. Wir haben unterm Strich 27 Milliarden Kilowattstunden weniger produziert als im Jahr 2006 und gleichzeitig 14 Milliarden Kilowattstunden an Exportüberschuss.
Da kann man doch nicht so wie Villis und Großmann davon reden, dass hier jetzt das Licht auszugehen droht. Das haben wir schon einmal erlebt,
(Abg. Michael Föll CDU und Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Gestern! – Abg. Rainer Stickel- berger SPD: Doch! Gestern!)
nämlich damals bei Wyhl. Das ist nun wirklich Panikmache sondergleichen, für die es überhaupt keine Rechtfertigung gibt.
Die Stilllegungen der Kraftwerke, die in den kommenden Jahren anstehen, können wir ohne Probleme bewältigen.
Das zeigen diese Zahlen einfach, Herr Kollege Zimmermann. Sie müssen einfach einmal Realitäten wahrnehmen.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Und wie sieht es mit den Importen aus? – Gegenruf des Abg. Thomas Knapp SPD: Wo haben wir denn Importe?)
Ich komme jetzt zu der Frage nach der Sicherheit der kerntechnischen Anlagen. Wenn man sich einmal die Störfälle in den vergangenen Jahren in Deutschland anschaut, dann stellt man fest, dass diese Störfälle verstärkt in den alten Anlagen aufgetreten sind. Ich habe bereits Brunsbüttel erwähnt, ich habe Biblis A und Biblis B erwähnt. Wir haben das Problem, dass die Störfälle vor allem verstärkt in den Altanlagen auftreten. Wenn man in dieser Situation auch noch dem Antrag der EnBW zustimmen würde, nämlich von der neuesten Anlage GKN II Strommengen auf eine der ältesten Anlagen, die in den Sechzigerjahren konzipiert wurde – mit all ihren Schwächen, die man auch nicht durch Nachrüstungen alle kompensieren kann; Kollege Knapp hat bereits darauf hingewiesen –, zu übertragen, dann müsste man doch mit dem Klammeraffen gepudert sein.
Neben der Tatsache, dass die Störfälle vor allem in den alten Anlagen aufgetreten sind, ist es einfach Fakt, dass in diesen Anlagen eine Reihe von sicherheitstechnischen Defiziten bestehen. Diese können auch nicht durch Nachrüstung behoben werden. Wir haben zum einen das Problem, dass in den Anlagen Werkstoffe verwendet wurden, die heute gar nicht mehr verwendet werden dürfen. Wir haben zum anderen das Problem von Längsschweißnähten in Rohrleitungen, die man heute nicht mehr macht. Das reicht bis hin – das sind jetzt alles Fachdiskussionen – zu dem Punkt, dass die älteren Anlagen nicht gegen Einwirkung von außen – so nennt man es; ich nenne es „Terrorangriff“ – ausgelegt sind, während neuere Anlagen dagegen wesentlich besser ausgelegt sind.
Es ist nun einmal so – das besagt auch ein Gutachten der GRS, das bereits vor Jahren vorgelegt wurde –, dass ältere Anlagen – dazu zählt Philippsburg 1 genauso wie Neckarwestheim I – gegen einen Terrorangriff in der Form, dass ein Flugzeug ent
Jetzt sagt das Umweltministerium: „Das stimmt zwar, aber das gilt natürlich auch für andere Infrastrukturanlagen.“ Richtig, das gilt auch für andere. Nur: Wir sind uns doch hoffentlich einig, dass die Probleme, die mit einem Terrorangriff auf ein Kernkraftwerk verbunden wären, in keinem anderen Fall auch nur vergleichbar groß wären.
Meines Erachtens sprechen alle Gründe dafür, die Möglichkeiten, die das Atomgesetz bietet, zu nutzen, um Strommengen von Anlagen, die diese Defizite aufweisen, auf neuere Anlagen zu übertragen. Es ist Aufgabe der Politik, Risiken zu minimieren. Hier hat man eine Möglichkeit dazu. Ich kann Sie nur bitten, dem Antrag, den wir hier vorgelegt haben, zuzustimmen, um damit einen Beitrag dazu zu leisten, die Risiken, die aus unserer Sicht mit einem Weiterbetrieb der alten Anlagen zusammenhängen, zu minimieren.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich habe jetzt nicht mit einer Grundsatzdebatte über die Kernkraft gerechnet. Vielmehr orientiere ich mich an den beiden Anträgen, die vorgelegt worden sind.
Ich beziehe mich also auf Sicherheitsaspekte, die Sie hier als Problem vorgetragen haben. Ich zögere bei der Formulierung etwas, weil ich mir nämlich nicht ganz sicher bin, ob hinter den beiden Anträgen wirklich eine seriöse Sorge um die Sicherheit steht oder ob sie nicht dazu instrumentalisiert werden, um immer wieder neu ein bisschen Stimmungsmache gegen die Kernkraft zu betreiben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Knapp SPD: Die sind wegen eines konkreten Stör- falls entstanden! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)