Protocol of the Session on December 19, 2007

(Zuruf des Abg. Jochen Karl Kübler CDU)

Ich weiß, dass er beim Kindergipfel ist. Trotzdem darf ich ihn ansprechen, weil er letztendlich der Chef der Regierung ist, soweit ich weiß.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aber keine Vorwür- fe machen! – Gegenrufe von der SPD und des Abg. Jürgen Walter GRÜNE – Abg. Ute Vogt SPD: Bei de- nen brennen nicht nur die Bäume!)

Das ist doch kein Vorwurf.

(Widerspruch bei der CDU)

Das war kein Vorwurf. Ich habe das gesagt. Bitte geben Sie das dem Herrn Ministerpräsidenten weiter. Können wir uns darauf einigen? Vielen Dank.

Wir brauchen bei EFRE ein Bekenntnis zu Leuchtturmprojekten. Wir brauchen ein Bekenntnis dazu, dass wir tatsäch

lich alle Chancen für innovative Projekte im Land auch in Kombination von städtischen und ländlichen Räumen nutzen. Wir brauchen in Baden-Württemberg eine Rolle für unsere europäischen Programme, bei der wir das annehmen, was die Europäische Union mit Zustimmung der Bundesregierung angegangen ist, nämlich eine Strategie des Wachstums und der Innovation.

Vielen Dank.

Zum Weiteren und zu den Perspektiven komme ich im zweiten Teil.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, darf ich noch einmal auf Punkt 3 der Tagesordnung zurückkommen:

Nachwahl eines Mitglieds zum Staatsgerichtshof

Ich darf das Ergebnis der Nachwahl eines Mitglieds zum Staatsgerichtshof bekannt geben: Bei der Wahl wurden insgesamt 104 Stimmzettel abgegeben. Auf Frau Leni Breymaier entfielen 93 Stimmen; elf Abgeordnete haben mit Nein gestimmt. Damit ist Frau Leni Breymaier für die restliche Amtszeit der ausgeschiedenen Frau Sybille Stamm zum Mitglied des Staatsgerichtshofs ohne Befähigung zum Richteramt gewählt.

Wir werden das neue Mitglied des Staatsgerichtshofs unter Tagesordnungspunkt 6 vereidigen.

In der Debatte zu Tagesordnungspunkt 4 erteile ich jetzt dem Vertreter der Fraktion GRÜNE, Herrn Abg. Walter, das Wort.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal die gute Nachricht: Ungarn hat den Reformvertrag bereits ratifiziert. Das heißt, beim ersten Staat ist der Vertrag, den wir alle für sehr wichtig halten, durch. Wir hoffen, dass bis zur Europawahl – so sieht es der Fahrplan ja vor – alle EU-Staaten diesen Vertrag ratifiziert haben.

Dieser Reformvertrag beinhaltet sicherlich weniger als das, was ursprünglich im Verfassungsentwurf stand. Er ist damit weniger als das, was wir wollten. Aber wenn man liest, welche Zielbeschreibungen darin enthalten sind, erkennt man, dass er einen Fortschritt gegenüber dem heutigen Zustand der EU bedeutet.

Der Vertrag macht die EU handlungsfähiger, er macht sie transparenter. Er gibt vor allem dem Parlament mehr Rechte. So besteht beispielsweise beim Haushalt ein wesentlich größeres Mitspracherecht als in der Vergangenheit. All das wird von uns natürlich begrüßt.

Wir begrüßen auch, dass die Rechte der Länderparlamente gestärkt werden. Wir begrüßen, dass die Daseinsvorsorge ge stärkt wird. Ich muss aber darauf hinweisen, dass die EUKommission, obwohl der EU-Vertrag erst in der letzten Woche ratifiziert wurde, mit ihrer Mitteilung zu diesem Thema den EU-Vertrag eigentlich schon wieder in eine andere Rich

tung weist. Dem müssen wir etwas entgegensetzen. Es kann nicht sein, dass alle Dienstleistungen unter die Rubrik „Dienstleistungen in wirtschaftlichem Interesse“ fallen. Wenn dem so ist, dann stehen unsere Kommunen vor großen Problemen. Das heißt, die Landesregierung, Herr Minister Stächele, ist aufgefordert, in dieser Frage an der Seite der Kommunen zu stehen, letztendlich die Interessen der baden-württembergi schen Bevölkerung zu vertreten. Es gibt also durchaus Bereiche, meine Damen und Herren, in denen man massiven Widerstand leisten muss gegenüber dem, was aus Brüssel auf uns zukommt.

Allerdings sollte der Europaausschuss, dessen Einrichtung wir immer gefordert haben und nach eineinhalb Jahren immer noch positiv sehen, etwas mehr europäisches Bewusstsein entwickeln. Mich stört in diesem Gremium die ständige Kritik an den angeblich Baden-Württemberg einschränkenden Grünbüchern, Weißbüchern und allem, was auf den Tisch kommt. Die Debatten über diese Materialien sind notwendig. Wenn z. B. ein Weißbuch kommt, sind wir doch aufgefordert, da mitzudiskutieren, eigene Vorschläge einzubringen. Aber wenn wir von vornherein sagen: „Das wollen wir nicht, weil wir das alles schon selbst machen“, kommen wir in Europa nicht weiter. Wir können auch bei der Bevölkerung kein europäisches Bewusstsein entwickeln, wenn wir immer so tun, als würde uns alles, was aus Brüssel kommt, stören.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Nicht alles! Nur das, wofür sie nicht zuständig sind!)

Es gibt natürlich Dinge, die die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen nicht stören. Wenn man an die Geldtöpfe kommen kann, dann ist Brüssel immer richtig. Aber wenn die EU einmal etwas vorlegt, das nicht ganz in die Ideo logie passt, dann wird gleich massiv dagegengeschossen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Es geht nicht um Ideo- logie, sondern um Kompetenzen!)

Wenn ein Weißbuch vorliegt, Kollege Blenke, dann geht es zunächst noch nicht um die Kompetenz, sondern darum: Wie können wir uns, beispielsweise in Verkehrsfragen, wo ökologisch richtige Dinge wie eine City-Maut und Ähnliches diskutiert werden, vonseiten des Landes Baden-Württemberg einbringen? Aber von vornherein zu sagen „Wir regeln das hier sowieso, und deswegen wollen wir das nicht haben“, halte ich für den falschen Weg. So können wir in Europa nicht vorgehen.

Das Gleiche gilt beim Bodenschutz. Natürlich haben wir in der Bundesrepublik Deutschland schon gute Regelungen. Aber wir wissen doch, dass viele europäische Länder in dieser Frage noch hinter der Entwicklung herhinken. Da ist es doch logisch, dass die Europäische Kommission keine Sonderlösung für Deutschland auf den Weg bringen kann. Da sind alle europäischen Länder gefordert. Deswegen verstehe ich oft Ihren Widerstand nicht. Wie Sie diese Themen besetzen, das bringt uns in Europa schlichtweg nicht weiter.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die aktuellen Ergebnisse des Eurobarometers, einer europaweiten Meinungsumfrage, die in diesem Herbst durchgeführt

wurde – abgeschlossen erst vor einem Monat, es sind also wirklich sehr aktuelle Ergebnisse –, zeigen, dass das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Institutionen der Europäischen Union nicht sonderlich groß ist. Gut, man kann sich immer darüber unterhalten, ob das Glas nun halb voll oder halb leer ist – wie auch immer. Jedenfalls vertrauen in Deutschland nur 46 % der Bevölkerung der Europäischen Kommission. Das kann man vielleicht noch nachvollziehen. Es sind aber auch nur 52 %, die dem von der europäischen Bevölkerung gewählten Europäischen Parlament vertrauen. Nur die Hälfte der deutschen Bevölkerung glaubt, dass im Europäischen Parlament etwas Sinnvolles getan wird. Ich glaube, da sind wir alle gefordert, zukünftig noch einige Aufklärungsarbeit zu leis ten.

(Abg. Ute Vogt SPD: Es sind auch wenige, die glau- ben, dass wir hier etwas Sinnvolles tun!)

Herr Kollege Blenke, wir können in der zweiten Runde gern noch etwas ausführlicher darüber diskutieren. Wir alle sind für Subsidiarität. Trotzdem müssen wir ein positiveres Bild von Europa schaffen – so wie es Kollege Hofelich formuliert hat. Sie müssen in Ihren Köpfen bereit sein, die europäische Idee besser zu bewerten, als Sie es bisher tun.

(Abg. Winfried Mack CDU: Wir sind Europäer!)

Eingangs haben Sie darauf hingewiesen, Herr Kollege Blenke, welche wichtigen Beiträge die Europäische Union und der europäische Einigungsprozess dazu geleistet haben, dass wir in Mitteleuropa schon viele Jahrzehnte und in ganz Europa schon viele Jahre in Frieden leben, und das ist nur einer der wichtigen Punkte. Wenn man das ernst nimmt und solche Aussagen nicht nur Teil einer Sonntagsrede sind, muss man auch im Ausschuss Ideen der EU annehmen können, auch wenn sie einem ideologisch zunächst einmal nicht in den Kram passen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Theurer das Wort.

(Zuruf von der SPD: Ein großer Europäer! – Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich der Landesregierung den Dank der FDP/DVP-Landtagsfraktion für diesen umfangreichen Bericht über die Europapolitik der Landesregierung im Jahre 2006/2007 übermitteln. Es ist in der Tat ein sehr umfangreiches und lesenswertes Kompendium, das die verschiedenen Maßnahmen der Ministerien auf unterschiedlichsten Ebenen zusammenfasst und für die Bürgerinnen und Bürger sowie für uns hier im Parlament transparent macht.

Meine Damen und Herren, die EU hat im Jahr 2007 Geburtstag gefeiert. Bei einem sehr gut besuchten Kongress haben wir hier mit Schülerinnen und Schülern und mit Studierenden über 50 Jahre EU diskutiert – auch perspektivisch – und haben eine Standortbestimmung vorgenommen. Wir haben über 50 Jahre Römische Verträge gesprochen und darüber, wie es im Nachkriegseuropa mit dem Zusammenschluss von sechs

Staaten begann und wie es jetzt im „Europa der 27“ aussieht.

Vor wenigen Tagen wurde der Schengen-Raum um einige mittel- und osteuropäische Staaten erweitert: um die baltischen Staaten, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Slowenien – noch nicht um Rumänien und Bulgarien.

Vieles ist für uns, vor allem für die jüngeren Menschen, bereits selbstverständlich geworden. Wenn wir mit dem Auto unterwegs sind, fahren wir einfach über die Grenze in den anderen Staat. Wer heute nach Straßburg fährt, merkt kaum mehr, dass er die deutsch-französische Staatsgrenze überschreitet. Ich denke, das war noch für unsere Großelterngeneration unvorstellbar.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Ich finde es klasse, dass man heute ohne Weiteres dort hinfahren kann und dass wir es geschafft haben, mit unserem Nachbarland Frankreich eine Freundschaft aufzubauen und eine Aussöhnung zu erreichen, wie es über Jahrhunderte hinweg nicht vorstellbar war.

Ich würde mir wünschen, dass uns dies in der gleichen Intensität auch mit unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa gelingen möge, insbesondere mit unserem Nachbarn Polen. Ich würde mir wünschen, dass wir uns im Landtag und dass sich die Landesregierung gerade das Nachbarland Polen ganz besonders vornehmen, weil ich meine, dass Polen als unser großer östlicher Nachbar genauso wichtig ist wie unser großer Nachbar Frankreich im Westen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Kernstück der Europäischen Union als Wirtschaftsgemeinschaft ist zweifellos der Europäische Binnenmarkt. Dieser Binnenmarkt besteht am 31. Dezember 2007 seit nunmehr bereits 15 Jahren. Der Binnenmarkt ist noch nicht in allen Bereichen vollumfänglich wirksam. Etwa die Finanzdienstleis tungen oder auch der Gas- und Elektrizitätsmarkt sind noch nicht voll im Binnenmarkt integriert. Allerdings konnte mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie ein weiterer wesentlicher Baustein eingefügt werden. Die Bürgerinnen und Bürger in Europa profitieren durch eine größere Vielfalt und durch niedrigere Preise von diesem Binnenmarkt, und auch die noch junge gemeinsame Währung, meine Damen und Herren, blickt nun auf fünf Jahre Bargeldeinführung zurück.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Aber du bist jetzt für den Euro?)

Europa ist ein Raum wirtschaftlicher Stabilität in Zeiten global integrierter Märkte. Europa ist auch ein Raum der Menschenrechte, des gemeinsamen Rechts und der Sicherheit.

(Beifall bei der FDP/DVP)