Protocol of the Session on December 18, 2007

(Abg. Klaus Herrmann CDU: 2008!)

Die Zinszahlungen für die ursprünglich vorgesehenen Schulden stehen aber nach wie vor im Haushalt. Es war ja geplant, in diesem Haushalt 1,75 Milliarden € Schulden aufzunehmen. Die Zinszahlungen für diese Schulden, die wir nun gar nicht aufgenommen haben, stehen nach wie vor darin. Das ist ein weiterer Topf, den sich das Finanzministerium geschaffen hat, um das Geld hinüberzuretten. Wir sagen, das Land sollte mit diesem Geld Schulden tilgen und die ersparten Zinsen dann sinnvoll in die Zukunft investieren.

(Beifall bei der SPD)

Um auch in Zukunft mit knappen Mitteln – die Mittel werden irgendwann wieder knapper werden – solide wirtschaften zu können und gleichzeitig daran zu arbeiten, dass wir die jährlichen Zinszahlungen reduzieren, brauchen wir klare Ziele und klare Priorisierungen im Haushalt. Wir sagen: Das Wichtigste für die Zukunft unseres Landes sind die Bildung und die Betreuung unserer Kinder im Land. Für unser Land reicht es nicht aus, international Mittelmaß zu sein. Es reicht auch nicht aus, auf andere Bundesländer zu verweisen. Wir brauchen im internationalen Vergleich eine Spitzenposition, um langfristig bestehen zu können. Diese Spitzenposition erreichen wir nur, indem wir alle Anstrengungen in diesem Bereich „Bildung und Betreuung“ konzentrieren. Wir brauchen wieder Spitzenleistung, und dazu brauchen wir die Potenziale aller Kinder und Jugendlichen im Land.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Bildungsgerechtigkeit nicht nur eine soziale Frage oder eine Frage des Anstands, sondern auch eine volkswirtschaftliche Frage. Um alle Kinder, gleich welcher Herkunft, optimal fördern zu können, brauchen wir mehr Ganztagsschulen. Wir brauchen ein für alle Kinder finanzierbares Angebot für ein Mittagessen an diesen Ganztagsschulen. Wir brauchen die gleichberechtigte Förderung auch der Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Und wir brauchen mehr pädagogisches Personal, um dem im Land grassierenden Unterrichtsausfall Einhalt zu gebieten.

Wenn wir unsere Mittel in diesen Bereich investieren, inves tieren wir in eine nachhaltige Zukunft unseres Landes. Wir haben Ihnen mit einem seriösen Finanzierungskonzept gezeigt, wo der Finanzminister in vielen Töpfen die Steuergelder gebunkert hat. Tilgen Sie mit diesen Töpfen Schulden, und wir haben genug Geld für die wichtigen Zukunftsausgaben unseres Landes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Nicht der fi- nanzpolitische Sprecher?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dies ist – das habe ich schon bei der ersten Lesung gesagt – ein Nachtragshaushalt mit einer hervorragenden Optik: Steuermehreinnahmen, Schuldentilgung, alles wieder gut, fast ein Wintermärchen oder, wie Herr Kollege Rust gesagt hat, ein Zwischenhoch mitten im Winter.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Klimawan- del!)

Doch die Optik hat einen Knick. Das Wintermärchen ist schon im Frühjahr zu Ende. Die Indikatoren des Investitionsklimas zeigen für 2008 nach unten, die Energiepreise nach oben, und das Echo der Finanzkrise wird in die Wirtschaft hinein spürbar sein. Wir können nur hoffen, wenn wir die Turbulenzen um die Sachsen LB und die LBBW sehen,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Da sehen wir kei- ne Turbulenzen bei der LBBW!)

dass sie nicht auch in die Landespolitik hineinwirken.

All das haben Sie, Herr Finanzminister – wie immer sehr charmant –, bei der ersten Lesung des Haushalts angesprochen. Wir hätten nun allerdings erwartet, dass wir von der Regierung dann auch eine Antwort bekommen, wie es weitergehen soll, Stichwort Deckungslücken.

Meine Damen und Herren, in der mittelfristigen Finanzplanung für die Haushaltsjahre 2009 bis 2011 fehlen insgesamt 2,5 Milliarden €. Der Buchungsposten in der mittelfristigen Finanzplanung heißt einfach „Deckungslücken“, und wir haben bisher nichts darüber gehört, wie Sie decken wollen.

Eines ist schon klar: Das Wintermärchen wird sich nicht wiederholen. Mit Mehreinnahmen geht es nicht. Also wird es diesmal um ernsthafte Strukturveränderungen gehen müssen.

Auf meine Frage im Finanzausschuss nach den Deckungs lücken antwortete der Staatssekretär im Finanzministeri- um – ich zitiere aus dem Ausschussbericht den Kollegen Fleischer –:

Der Staatssekretär im Finanzministerium versichert, wie bereits in den vergangenen Jahren, so würden auch in Zu kunft Deckungslücken im Haushalt durch Einsparungen an anderer Stelle ausgeglichen werden.

Das ist zum einen eine falsche Auskunft, denn bis zu diesem Haushalt haben Sie Deckungslücken immer auch durch Schuldenaufnahme gefüllt. Zum anderen ist es, finde ich, auch eine freche Antwort.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: Aber angemessen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Man hat als Opposition schon das Recht – sonst hat der Begriff „mittelfristige Finanzplanung“ gar keinen Sinn mehr –, zu hören, was Sie vorhaben, um diese Lücken zu füllen.

Die Landesregierung hat keine Ahnung, wie sie diese Lücken decken will, und auch von der Haushaltsstrukturkommission ist überhaupt nichts zu hören.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Der Haushalt gilt doch nur für ein Jahr!)

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt hat einen deutlichen Knick in der Optik für die Jahre 2008 und danach. Für diesen Knick hat die Landesregierung nur ungedeckte Schecks in Form von Deckungslücken anzubieten. – Das sind die Lücken.

Nutzen wir die Chancen? Wir müssten eigentlich die finanziellen Möglichkeiten der Haushaltsjahre 2007 und 2008 nutzen, um die Weichen für die großen Herausforderungen zu stellen bei den Themen Bildung, Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, „Soziale Verantwortung“ und „Demografische Entwicklung“. Wir müssen fragen: Wie können die Chancen des Augenblicks genutzt werden, um die Signale auf die Zukunft zu stellen? Was braucht Baden-Württemberg im 21. Jahrhundert? Was wäre wirklich ein Projekt Baden-Württemberg 21? Sicherlich nicht, dass wir für fast 3 Milliarden € einen Bahnhof vergraben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Alter Witz! – Abg. Jörg Döpper CDU: Das sagen Sie bei jeder Gelegenheit! Das ist nicht originell!)

Wir sagen es so lange, bis es fällt. Das ist eine bewährte Methode seit Cato.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, in unserem Land verfallen die Infrastrukturen der Hochschulen. Wir schieben, Herr Kollege Döpper, einen baulichen Sanierungsbedarf der Universitäten

und Fachhochschulen im Umfang von sage und schreibe 3 Mil liarden € vor uns her.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Gleichzeitig nimmt die Zahl der Studierenden dramatisch zu. Die Landesregierung will in dieser Situation, Herr Kollege Döpper, in diesem Jahr 345 Millionen € für den Umbau des Stuttgarter Bahnhofs zurücklegen, der eigentlich nur der Bauindustrie goldene Gewinne bringt, aber nicht dem Land.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Moment! Die zahlen doch auch Steuern! – Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Wir beantragen deswegen – jetzt haben Sie Gelegenheit, den Ansagen von Cato zu folgen –, dieses Geld für die Sanierung der Hochschulen einzusetzen. Das ist dann wirklich Vorsorge für Baden-Württemberg 21.

(Beifall bei den Grünen)

Dazu gehört auch die richtig verstandene Förderung einer nachhaltigen Mobilität, indem die Kürzungen bei der Schiene und beim Personenverkehr in der Fläche zurückgenommen werden. Unsere Anträge dazu, die auch Möglichkeiten für die Finanzierung beinhalten, liegen Ihnen vor.

Wie schaffen wir Zukunftsfähigkeit? Sicher nicht, indem wir die Kommunen – wie vorhin diskutiert – bei der Finanzierung der Kinderbetreuung, bei dem wichtigen gesellschaftlichen Thema der Vereinbarung von Familie und Beruf im Regen stehen lassen, sondern indem wir den jungen Familien ein gutes Signal geben und unseren Gemeinden das faire Angebot machen, die Förderung der Betriebskosten auf 30 % zu erhöhen. Unser Antrag mit dem Finanzierungsvorschlag liegt ihnen vor, Herr Kollege Herrmann.

Drittens: Wie schaffen wir Nachhaltigkeit? Nachhaltigkeit heißt doch, dass wir nicht einfach nur die zusätzlichen Steuereinnahmen aufgrund der Wirtschaftsentwicklung kassieren können, sondern dass wir auch Umweltfolgen sanieren müssen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Tun wir doch!)

Wir fordern mehr für den Klimaschutz, um den mit dem Wirtschaftswachstum und den zunehmenden Steuereinnahmen verbundenen Zuwachs an CO2-Emissionen auffangen zu können. Mehr Wirtschaftswachstum heißt nicht nur mehr Geld in der Staatskasse, sondern durch dieses Wachstum entsteht eben auch mehr CO2. Deswegen wollen wir 50 Millionen € in den Haushalt einstellen, um wenigstens den durch das Wirtschaftswachstum bedingten Zuwachs an Emissionen zu kompensieren. Das ist bei Ihnen wieder einmal glatte Fehlanzeige. Sie liegen eine ganze Größenordnung unter diesem Betrag und werden der Herausforderung damit nicht gerecht.

(Beifall bei den Grünen)

Schließlich: Was heißt „soziale Verantwortung“? Meine Damen und Herren, wir haben in Deutschland eine Debatte über Managergehälter, die bis zu tausendmal höher sind als Arbeitnehmereinkommen. Obwohl ich meine, dass wir solche Ein

kommen nicht einfach gesetzlich beschränken können, füge ich doch hinzu: Zur Freiheit gehört auch Verantwortung.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber ja!)

Dazu gehört auch, dass wir als Gemeinschaft uns um diejenigen kümmern, die zu wenig haben und ausgeschlossen sind. Ich spreche hier von den Kindern an unseren Schulen, die sich das gemeinsame Mittagessen nicht leisten können. Sie haben die 3 € für das Mittagessen einfach nicht. Sie sind von der Tischgemeinschaft an der Schule ausgeschlossen. Was für eine demütigende Erfahrung muss das für ein Kind sein! Sie haben sich wieder geweigert, die von uns beantragten, doch sehr bescheidenen Mittel von 6 Millionen € pro Jahr in den Haushalt einzustellen. Auch das zeigt, dass Sie Verantwortung nicht wahrnehmen wollen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere jetzt an Sie: Lassen Sie dieses Problem nicht im Gestrüpp der Zuständigkeiten verfangen. Jetzt muss geholfen werden! Folgen Sie dem Beispiel der CDU in Hessen, die bei den dortigen Haushaltsberatungen ziemlich genau das Gleiche beantragt hat wie wir.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir einen Fonds zur Soforthilfe einrichten, um den Preis für ein warmes Mittagessen für Kinder, deren Eltern Hartz-IV-Empfänger sind, auf 1 € zu senken. Das ist finanzierbar. 6 Millionen € für das ganze Land, das ist machbar, Herr Ministerpräsident, und dringlich. Das wäre ein Signal der Gerechtigkeit in einem Land, in dem einige Manager persönlich so viel verdienen, wie 10 000 Kinder von Hartz-IV-Empfängern zusammen zum Leben haben. Unser Antrag mit Finanzierungsvorschlag liegt Ihnen vor. Sie müssen ihm nur zustimmen.