Insofern glaube ich, dass das eher in Ihren Reihen ein Thema ist. Nutzen Sie doch die Fraktionssitzung, um sich damit einmal auseinanderzusetzen.
Ich bin auch gern bereit, Herr Minister Stächele, Ihnen den Beschluss des CDU-Bundesparteitags zur Verfügung zu stellen, der sechs Punkte umfasst. Diese brauche ich hier nicht alle aufzulisten. Aber es ist nicht ein Punkt dabei, wie Sie ihn zitiert haben,
der eine völlige Gegenreaktion in Bezug auf den Arbeitsmarkt intendiert, sondern es ging um relativ viele Erleichterungen. Denn der Autor ist Herr Rüttgers gewesen und eben nicht Herr Oettinger.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Da gab es einen An- trag von der CDU Baden-Württemberg auf dem Par- teitag! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Was schreit der denn da?)
Ich habe den Antrag, den der CDU-Bundesparteitag beschlossen hat. Dass ein paar von Ihnen da nicht Delegierte geworden sind, ist etwas, was wir nicht zu verantworten haben.
und zu sagen: Lassen Sie uns einmal schauen, wo wir uns im Sinne dessen, was Minister Stächele gesagt hat, vielleicht einigen könnten.
Erstens: Es geht darum, dass wir die Gesundungsphase der Wirtschaft nutzen und nicht gefährden. Da sind wir uns einig. Aber jetzt frage ich Sie: Wenn wir z. B. darüber diskutieren, einem Kind, dessen Eltern von Hartz IV leben, 1,35 € für Aufwendungen für Schulbedarf zuzugestehen, dann sollten wir uns doch einig sein, dass es nicht den Aufschwung gefährdet, wenn wir gemeinsam übereinkommen, dass wir hier etwas verändern und für den Schulanfang oder für den Schulwechsel wieder Einmalleistungen einführen müssten. Das wäre ei
Das Zweite – im Moment leider negativ beschieden – kann ich auch nicht nachvollziehen. Sie, Herr Minister, haben gesagt, es gehe darum, baden-württembergische Interessen vo ranzustellen. Was, wenn nicht das Thema Pendlerpauschale, ist denn ein originäres Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Flächenland, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in einem Flächenland, in dem die Menschen darauf angewiesen sind, lange Strecken zu fahren?
(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist Populismus! Ge- nau das ist Populismus! – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)
Es ist doch nicht verständlich, dass Ministerpräsidenten vieler anderer Bundesländer aus Ihren Reihen einen solchen Vorschlag unterstützen und ausgerechnet Herr Oettinger sich massiv dagegen wehrt, den Menschen, von denen wir Flexibilität und Mobilität erwarten, dafür auch etwas zukommen zu lassen und uns im Sinne des Verfassungsgerichts auch zu korrigieren.
Ich will ein letztes Beispiel anführen, nämlich das Thema Mindestlohn. Nehmen Sie das aktuelle Beispiel der Postdienstleister. Das sind Dienstleister, die uns zu Dumpinglöhnen den Transport von Briefen und Paketen anbieten. Die Steuerzahler, also alle Bürgerinnen und Bürger, die Steuern zahlen, finanzieren es mit, dass der Staat Menschen, die von ihrem Lohn nicht leben können, zusätzlich noch etwas drauflegt, damit ihre Existenz überhaupt gesichert werden kann.
Es kann doch nicht sein, dass wir auf diesem Wege die Tatsache auch noch subventionieren, dass Menschen zu Dumpingpreisen – weil ihnen nur Dumpinglöhne gezahlt werden – Leistungen anbieten und die Steuerzahler das zahlen, was eigentlich der Unternehmer an Lohn entbieten müsste.
Es ist doch ein unhaltbarer Zustand, dass Menschen, die harte körperliche Arbeit verrichten, beispielsweise Verkäuferinnen, die den ganzen Tag auf den Beinen sind und dabei stets freundlich sein sollen, Arbeiter, die Sicherheitsdienste leisten, die an Pforten stehen – und die damit auch dafür sorgen, dass wir in Sicherheit unsere Tagungen und Kongresse abhalten können und dadurch die Möglichkeit haben, die Gesellschaft am Laufen zu halten –, Menschen, die schwere Arbeiten erledigen, mit Löhnen abgespeist werden, wie ich sie zum Teil – das muss ich Ihnen ehrlich sagen – noch nicht einmal als Studentin kennengelernt habe. Ich habe als Studierende einen Stundenlohn von 8 DM für einen Aushilfsjob bekommen. Wenn wir heute jedoch Menschen haben, die für 4 oder 5 € die Stunde schwerste körperliche Arbeit leisten, dann halte ich das für unanständig.
Deshalb bitte ich Sie: Helfen Sie an dieser Stelle mit! Das bedeutet nicht, dass wir den Reformkurs ändern müssten; vielmehr wären Sie da mit Christian Lange, unserem Landesgruppenvorsitzenden, ebenso wie mit unseren vier Regierungsmitgliedern einig, dass wir einen Kurs fahren, der die Reformen weiterentwickelt, sie jedoch so weiterentwickelt, dass auch diejenigen, denen es im Moment nicht so gut geht, mehr davon profitieren, als wir ihnen das in der Vergangenheit ermöglichen konnten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Beitrag des Kollegen Schüle war kein Beitrag zu einer Aktuellen Debatte, sondern eher eine Geschichtsstunde, der wir zugehört haben.
Es wurde vorgetragen, wer wann wie abgestimmt hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Debatte, wie Sie sie gerade führen, den Menschen im Land das Gefühl vermittelt, dass Sie sie angesichts der bestehenden Probleme und des weit verbreiteten Eindrucks, dass es sozial nicht gerecht zugeht, tatsächlich ernst nehmen. Das finde ich äußerst bedauerlich.
Es geht doch darum, zu schauen, wo die Probleme eigentlich liegen. Ich habe vorhin in der ersten Runde gesagt: „Ja, der Weg, der mit der Einführung des Arbeitslosengelds I eingeschlagen worden ist, ist richtig, und wir sollten ihn beibehalten.“ Aber es gibt auch massive Schieflagen, es gibt gravierende Probleme, und wer heute die Zeitungen gelesen hat, konnte ihnen entnehmen, dass das Vermögen in unserem Land extrem ungleich verteilt ist und dass diese Ungleichheit immer weiter zunimmt. Es war zu lesen, dass man mit dem Verdienst aus der Erwerbsarbeit nicht mehr in der Lage ist, Ansparungen vorzunehmen und – auch für die Alterssicherung – Vermögen zu bilden, und dass 30 % der Bevölkerung nicht über Vermögen oder über Erspartes verfügen. Da müssen bei Ihnen doch alle Alarmglocken läuten, und Sie müssen sich doch in zukunftsgewandter Weise überlegen: Wie können wir dafür sorgen, dass diese Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergeht?
Davon haben wir nichts von Ihnen gehört. Wir haben ein paar alte Forderungen gehört, auf die ich jedoch nicht eingehen will, weil die auch dann nicht besser werden, wenn man sie ständig wiederholt. Wir haben aber nichts davon gehört, dass wir im Bildungsbereich ein massives Problem haben, dass es erwiesenermaßen in unserem Land Bildungsarmut gibt, die vererbt wird, und dass Kinder aus bildungsfernen Familien wesentlich schlechtere Chancen auf eine gute Ausbildung und auf eine gute, qualifizierte Berufstätigkeit haben.
Darauf müssen Sie als Landesregierung eine Antwort geben. Die Antwort kann aber nicht lauten, dass die CDU die Hauptschule im Dorf lassen will und alles beim Alten bleibt.
Da müssen wir den Ministerpräsidenten an seine eigene Botschaft hinsichtlich der CDU erinnern. Er wurde in der letzten Woche in der Zeitung mit den Worten zitiert: „Oettinger rügt Mutlosigkeit“. Gerade im Bildungsbereich wird Ihre Mutlosigkeit eklatant deutlich. So kann es nicht weitergehen!
Aber auch wenn Sie sagen, dass Baden-Württemberg ein „Kinderland“ sein soll: Diesen Erwartungen werden Sie nicht gerecht. Wenn wir wissen, dass 150 000 Kinder in diesem Land von Leistungen nach dem SGB II abhängig sind, wenn wir wissen, dass wir in diesem Land an den Schulen massive Probleme haben, weil diese Kinder benachteiligt sind, und zwar nicht nur beim Schulessen, sondern auch was Hausaufgabenbetreuung, was Teilnahme an Ausflügen, was besondere Unterrichtsangebote bei musischer Bildung usw. anbetrifft, dann besteht Handlungsbedarf. Hier sind Ihr Mut und Ihre Reformfreude gefragt, und zwar jenseits von Populismus genau an den Punkten, wo die Probleme auftreten. Sie müssen die Probleme ernst nehmen und nach Lösungen suchen.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen: Sie haben noch einen weiten Weg vor sich. Nehmen Sie ernst, dass ein Großteil dieser Bevölkerung die Gesellschaft so, wie sie ist, nicht als gerecht empfindet. Überlegen Sie sich hier in Baden-Württemberg, wie Sie das am bes ten lösen können, statt den Koalitionshickhack aus Berlin hier fortzusetzen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ihr würdet ger- ne hickhacken, wenn ihr an der Regierung wärt!)
Sehr verehrtes Hohes Haus! Ich möchte zunächst ein Kompliment an Staatsminister Willi Stächele für seine hervorragende Rede zum Ausdruck bringen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Müsst ihr euch schon wieder gegenseitig bauchpinseln? Das ist ja schon peinlich! Da kriegt man ja feuchte Füße!)
Herr Stächele hat mit dieser Rede unter Beweis gestellt, dass er das Zeug zu einem südbadischen Ministerpräsidenten hat.
Wenn ich zu der entscheidenden Diskussion zurückkehre – Reformkurs fortsetzen –, möchte ich die Punkte, die Minister Stächele angesprochen hat und die ich in der ersten Runde thematisiert habe, an dieser Stelle noch einmal vertiefen.
Es ist doch erstaunlich, dass in einer Zeit, in der andere Länder in Europa und auf der Welt sich von staatssozialistischen Konzepten abwenden