Reformen in Baden-Württemberg voranzubringen heißt auch, Wissenstransfer zu stärken, das Niveau der Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu halten, Unternehmen auf den Campus zu bringen und die Kooperation unserer Hochschulen mit asiatischen Universitäten zu stärken.
Die Landesregierung hat die Vorgaben der Lissabon-Strategie konsequent umgesetzt. Wir geben für Forschung und Entwicklung – prozentual, gemessen am Bruttoinlandsprodukt – 50 % mehr als der Bund und doppelt so viel wie der Durchschnitt der europäischen Staaten aus.
(Abg. Peter Hofelich SPD: Na, na, na! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)
Erfolg kommt nicht von ungefähr. Innovationspools, Verbundforschung, Netzwerkorganisation und regionale Kompetenzzentren stärken unsere Wirtschaft. Die Clusterpolitik des Landes nimmt Fahrt auf. Wir müssen allen Unternehmen Zugang zu Forschungsergebnissen ermöglichen. Auch dieses Ziel
Die Wirtschaft in der Bundesrepublik und in Baden-Württemberg läuft erfreulich gut. Diese gute wirtschaftliche Entwicklung verdanken wir auch – nicht nur, aber auch – den mutigen Reformen
Die Frage, die Sie mit der Aktuellen Debatte aufwerfen, ist: Können wir jetzt aufgrund der erfreulichen Entwicklung die Hände in den Schoß legen und notwendige Reformen unterlassen?
Die Frage, die sich anschließt, lautet: Ist zu befürchten, dass notwendige Reformen in Berlin unterbleiben?
Auf die Frage „Wird das Notwendige in Stuttgart getan?“ heißt die Antwort Nein. Deshalb rede ich jetzt im ersten Teil über Stuttgart.
Das wichtigste Reformcluster im Zusammenhang mit der Globalisierung auf Landesebene bilden die Bereiche Bildung, Ausbildung und Weiterbildung. Denn mit der Globalisierung sind zwei Erscheinungen untrennbar verbunden. Die eine ist: Immer mehr einfache Tätigkeiten im gewerblichen Bereich fallen weg. Die andere ist: Im Hochschulbereich erwachsen in den Schwellenländern in Asien, aber auch in Osteuropa neue Konkurrenten von hohem Format. Deshalb hat die rotgrüne Koalition die Exzellenzinitiative für den Hochschulbereich gestartet, und zwar mit gutem Erfolg für Baden-Würt temberg. Die Große Koalition setzt das fort.
Die Frage ist aber: Können wir uns in den Teilbereichen, in denen wir exzellent sind, ausruhen? Oder müssen wir nicht fragen, wo eigentlich die Reformbestrebungen im Hochschul
bereich sind, um die unerträglichen Situationen in überfüllten Hörsälen abzustellen? Wo ist denn Ihr Reformkonzept, um die Abbrecherquote von 30 % auf die Hälfte oder noch weniger zurückzuführen? Die Ressourcen, die wir hier verschwenden, weil Sie keine anständigen Hochschulreformen durchführen, fehlen uns an anderen Stellen im wichtigen Ausbildungsbereich der Hochschulen.
In der gewerblichen Ausbildung hat sich die Situation verbessert. Trotzdem haben wir noch Riesenprobleme. Der Anteil der Altbewerber ist in diesem Jahr erneut gestiegen, und zwar von 44 % auf jetzt 46 %. Das heißt, jeder zweite Schulabgänger in Baden-Württemberg, der in eine gewerbliche Ausbildung gehen will, befindet sich mindestens ein Jahr in einer Warteschleife. Für die Hälfte derer, die in dieser Warteschleife sind, ist das eine Endlosschleife, zumindest was eine Ausbildungsperspektive anbelangt.
Deshalb handelt die Große Koalition. Im nächsten Jahr wird es Ausbildungsbausteine für Ausbildungen im gewerblichen Bereich auch ohne dualen Partner geben. Es wird für Altbewerber in betrieblichen Ausbildungen Zuschüsse der Agentur geben. Meine Frage ist, Herr Minister: Warum nutzen Sie nicht schon längst die Möglichkeiten des Berufsbildungsgesetzes, um mit eigenen Mitteln zusätzliche Ausbildungsangebote zu schaffen, damit wir in Baden-Württemberg endlich Ausbildung statt Warteschleifen finanzieren?
Wir haben auch deshalb so große Warteschleifen, weil zu viele Menschen, deren Rüstzeug einer beruflichen Ausbildung nicht genügt, die Schulen des Landes verlassen. Die Wirtschaft nennt das so: Sie sind nicht ausbildungsfähig. Die Antwort der rot-grünen Koalition auf diesen Umstand war ein Ganztagsschulprogramm, weil Ganztagsschulen die besseren Schulen sind. Die Landesregierung hat freudig zugegriffen. Sie hat die vielen Hundert Millionen ins Land geholt und hat Gebäude für den Ganztagsschulbetrieb gebaut.
Die Frage ist: Wo bleibt die Schulreform, die aus den Ganztagsschulgebäuden auch eine Ganztagspädagogik macht? Es reicht nicht, nur mittags etwas hinzupappen und dann zu meinen, damit bekämen wir bessere Ergebnisse.
Wir wissen natürlich schon längst, dass mangelnder Schul erfolg auch damit zusammenhängt, dass vor der Schule Bildungsimpulse unterbleiben. Deshalb hat die Große Koalition in Berlin dieses Thema jetzt aufgegriffen und gibt wieder viel, viel Geld in die Länder, damit Reformen in diesem Vorschulbereich geschehen. Ich frage Sie: Wo ist denn da Ihr Konzept? Wie wird das Geld denn jetzt verteilt? Geschieht das wieder nach dem Windhundverfahren wie bei den Ganztagsschulen?
Ich weiß schon: Jetzt werden Sie kommen und wieder vorlesen und sagen: „Bruttoinlandsprodukt: spitze; Arbeitslosenstatistik: spitze. Alles toll, wir sind ganz oben.“
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Genau! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Unglaublich, wie Sie darüber reden!)
Aber das rächt sich. Das rächt sich sogar doppelt; denn das, was Sie jetzt machen – Bildungspolitik auf Sparflamme –, holt Sie ein. Wir erleben das doch schon in den Warteschleifen. Kaum haben die Schüler die Schule verlassen, brauchen sie eine neue Betreuung, weil die Schule ihnen nicht das notwendige Rüstzeug gibt.
Hinterher gehen sie in die Arbeitslosigkeit; dann brauchen sie wieder ein Auffangnetz. Das heißt, es ist finanzpolitisch unsinnig, im Bildungsbereich so zu sparen, wie Sie das tun.
Das ist auch gesellschaftspolitisch verwerflich. Denn durch diese Politik schließen Sie einen zunehmend größeren Anteil unserer Bevölkerung von den Früchten des wirtschaftlichen Erfolgs aus. Der kommt bei den Menschen, die in der beruflichen Qualifizierung und später im Berufsleben nicht mithalten können, nicht an. Dies ist ein gesellschaftspolitischer Sprengsatz, der noch schwerwiegender als die finanzpolitische Torheit ist, die Sie mit dieser Konzeption begehen.
Also: Wenn Sie die Frage stellen: „Können wir uns aufgrund der wirtschaftlichen Erfolge, die es in unserem Bundesland gibt, ausruhen und die Hände in den Schoß legen?“, heißt die Antwort Nein. Das Hauptreformcluster ist Bildung, Ausbildung und Weiterbildung. Da versagt die Landesregierung auf weiter Strecke.