Wir wissen aber schon jetzt – der Bund ist Alleineigentümer –, wie schlecht die Infrastruktur zum Großteil ist: Hinter jeder zweiten Kurve ist eine Langsamfahrstelle, die Zustände unserer Bahnhöfe sind schlecht usw. Das haben Sie zum Teil richtig beschrieben. Obwohl der Bund Alleineigentümer ist, ist uns nur schlecht eine Kontrolle möglich. Der Glaube, dass wir mit dieser Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die Infrastruktur ein wirksames Instrument erhalten würden, ist für mich das Gleiche wie der Glaube an den Weihnachtsmann.
Ich würde einfach aus Respekt vor uns selbst sagen: Wir haben mehr verdient als diese Hoffnung und diese Placeboveranstaltung. Schicken wir dieses Gesetz, solange es nicht eine Trennung zwischen Netz und Betrieb vorsieht, zurück.
Die Bahnprivatisierung sollte in die nächste Legislaturperiode verschoben werden. Wir brauchen einen völlig neuen Gesetzentwurf, der echten Wettbewerb ermöglicht. Kernpunkt muss die Trennung von Infrastruktur und Verkehr sein.
Das sagte Dr. Alois Rhiel, der hessische Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, am 30. Oktober 2007. Das ist also noch gar nicht lange her. In diesem Punkt hat er recht.
Zum imperativen Mandat der SPD: Wenn sich die Ministerkollegen der SPD an dieses imperative Mandat halten, dann hat die Volksaktie einen Wert gehabt: dass die CDU auf gar keinen Fall mitspielt und dieser Gesetzentwurf damit in die nächste Legislaturperiode verschoben wird und es dann einen neuen gibt.
Ich denke, meine Damen und Herren, es ist deutlich geworden, wie kompliziert die Gemengelage ist: Die CDU im Land ist für den integrierten Konzern, die CDU in Hessen ist für die Trennung, die Bundesregierung ist wiederum dafür, die SPD für den integrierten Konzern, wir im Land auch, aber ohne sozusagen die Bilanzierung des Netzes.
Es wird deutlich – das hat auch der Kollege Scheuermann klargemacht –: So, wie die jetzige Vorlage beschaffen ist, wird sie wohl keine Zustimmung bekommen, weil auch – da gebe ich Ihnen, Herr Kollege Scheuermann, völlig recht – die Länderinteressen noch nicht genügend berücksichtigt sind. Das haben ja auch die Länderverkehrsminister deutlich gemacht.
Ich will das an zwei, drei Zahlen noch einmal verdeutlichen. Während das Netz von 2001 bis 2006 gut 250 Millionen € Verlust erwirtschaftete, soll es bis 2011 neben der Logistik sparte Schenker zum größten Gewinnbringer des Konzerns werden. Das würde also in kurzer Zeit einen Ergebnissprung um fast 800 Millionen € beim Netz bedeuten. Das ist nicht nachvollziehbar.
Deswegen schreibt auch manche Zeitung wie beispielsweise die „Heilbronner Stimme“ zu Recht: „In den Büchern des Konzerns lauern offenbar Milliardenrisiken.“ Das sind Risiken, die dann möglicherweise auf dem Rücken der Länder beseitigt werden, weil – das ist jetzt natürlich Spekulation – möglicherweise die Trassenpreise erhöht werden und schneller steigen als die Regionalisierungsmittel. Das heißt im Klartext: Die Länder können dann mit dem vorhandenen Geld auch bei Wettbewerb immer weniger Schienenkilometer bestellen. Das ist die ganz große Gefahr, die wir sehen, und das ist ein Grund dafür, dass wir die Trasse aus jeglicher Bilanzierungs- und Wirtschaftlichkeitsberechnung bei der DB heraushaben wollen.
Herr Scheuermann hat es angesprochen: Es gibt undefinierte Schienenkilometer. Im Klartext wird das dann wohl über kurz oder lang heißen: Sie werden gestrichen. Ca. 6 000 bis 10 000 Schienenkilometer sind stilllegungsgefährdet. Natürlich muss der Bund zustimmen – das Eisenbahn-Bundesamt –, aber nichtsdestotrotz ist das in diesem Zusammenhang zu sehen. Genauso ist es bei den Stationen. Auch dort – unter 100 – drohen Schließungsgefahren.
Deswegen nochmals: Gerade deshalb stellt sich die Frage: Welche Bahn wollen wir? Da vertreten wir die Meinung, dass Daseinsvorsorge vor Orientierung an den Kapitalmärkten kommen muss.
Um nicht missverstanden zu werden: Wir wollen kein Zurück zur alten Staatsbahn. Die private Rechtsform einer AG hat die Chance für unternehmerisches Handeln eröffnet und viele, viele Vorteile für die Bürger dieser Republik gebracht. Das war so weit okay. Aber wir laufen aktuell Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen. Wir haben nichts gegen ein globales Engagement der Bahn – das soll sie machen –, aber das darf nicht zulasten der Daseinsvorsorge der Bürger gerade auch im ländlichen Raum gehen.
Wir haben schon den Eindruck, dass die Bahn in den Köpfen des Vorstands anders verankert ist als in den Köpfen vieler, vieler Bürger. Die Bürger, die im Sommer im „BangladeschExpress“ von Stuttgart nach Tübingen transportiert werden – da wird bei 35 Grad Celsius Außentemperatur noch zugeheizt –, haben kein Verständnis für solche globalen Ausrichtungen. Wer bei Kälte auf einem zugigen Bahnsteig wartet, hat kein Verständnis für das Bemühen der DB, Güter von Worpswede nach Wladiwostok zu transportieren, und wer wegen Unterhaltsmängeln und Langsamfahrstellen den zuverlässigen Takt nur noch vom ICE und von Schnellbahntrassen kennt, der zählt zum Prekariat der Bahnnutzer. Auch ein solches gibt es.
Deshalb muss die Trasse vor allem von Renditeerwägungen ausgenommen werden. Die Wundergläubigkeit an die Privatisierung – sie allein löse die Probleme – teilen wir nicht.
Im Übrigen zeigt der Blick über die Grenze in die klassischen Bahnländer – – Die Grünen schwärmen hier vorn ja immer von der Schweiz und dem dortigen Bahnmodell.
Dort gibt es den integrierten Konzern. Die Schweiz denkt nicht im Traum daran, diesen Konzern zu entflechten, weil er durchaus viele Vorteile beinhaltet. Ich nenne Frankreich und andere Länder mehr. Es gibt nur ein Privatisierungsmodell: Das ist in England, und dieses Modell ist desaströs. Deswegen sagen wir: So nicht!
Ich denke, der Antrag auf unserem Hamburger Parteitag war im Hinblick auf einen bestimmten Zweck – so, wie es vorhin dargestellt wurde – richtig. Ob die Volksaktie d i e große Lösung ist, müssen wir sehen. Da sind viele aktienrechtliche Themen, Finanzierungsthemen, Punkte wie Verzinsung und anderes mehr zu beachten.
Aber wir sind davon überzeugt, dass wir eine Bahn brauchen, die den Bürgern auch im ländlichen Raum in Baden-Würt temberg dient. „Gut Ding will Weile haben“ oder, wie es so schön heißt: „Politik ist die Verzögerung des Unumgänglichen“.
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Unsere Debatte über die Bahnreform unterscheidet sich überhaupt nicht von den Debatten, die seit Monaten bundesweit geführt werden. Die einen verfolgen das Ziel der völligen, konsequenten Privatisierung, die anderen das Ziel der Teilprivatisierung, während Dritte das Ziel „wieder raus aus dem Markt und zurück unter das Dach des Staates“ verfolgen.
In Berlin, in der Arbeit zwischen Bund und Ländern, in der Öffentlichkeit, in Gutachten, in Parteien geht es in dieser Frage, meine Damen und Herren, ziemlich kunterbunt zu. Man
könnte eigentlich einen Preis für den ausschreiben – vielleicht sogar einen Nobelpreis –, der in der heutigen Debatte wirklich noch bis ins letzte Detail durchblickt. Wer das wirklich tut, soll sich melden. Ich gehe davon aus, dass sich alle, die vor mir geredet haben, tagtäglich wenigstens darum bemühen, tiefer in die Thematik einzusteigen und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Wenn wir aber genau hinschauen, sehen wir, dass genau er zu dem gegenwärtig bestehenden Wirrwarr beiträgt.
Ich will Ihnen einmal sagen, wie es in den letzten Monaten war, vor allem was das Verhältnis zwischen Bund und Ländern angeht. Hier geht es ja um unsere Landesinteressen.
Zunächst einmal war der Bundesverkehrsminister bei jeder Verkehrsministerkonferenz und bei mehreren Sonderkonferenzen, die einberufen worden sind, immer sehr daran interessiert, zu erfahren, was die Länder denken und sagen. Er hat uns bei jeder Gelegenheit große Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Geschehen ist aber überhaupt nichts. Dann kam plötzlich der Zeitpunkt, als der Bundesverkehrsminister sagte: „Das ist nicht mehr mein Entwurf. Dieser Entwurf gehört inzwischen dem Bundestag und dem Bundesrat. Wir müssen uns an die üblichen parlamentarischen Spielregeln halten, wenn die Länder Einfluss nehmen wollen.“ Dort, wo es bei den Ländern jetzt wirklich ums Eingemachte geht – und zwar bis hin zu jedem letzten Wort in den Fußnoten –, werden vom Bundesverkehrsminister wiederum – er ist ja für die Ausführungsbestimmungen zu diesem umfangreichen Gesetzeswerk zuständig – nur Schritt für Schritt und nach großem Druck Informationen an die Länder weitergegeben.
Der Bundesverkehrsminister trägt also dazu bei, meine Damen und Herren, dass wir nicht vorankommen und dass Nebel über diesem Thema liegt. Darüber streiten wir sicher nicht. Da dürfen Sie gern mit Ihren Kollegen reden, die in den Ländern in Sachen Verkehrspolitik unterwegs sind. Das bewerten wir parteiübergreifend gleich, lieber Herr Haller. Aus Ihrem Lächeln schließe ich, dass Sie mir zustimmen.
Dann können auch Sie noch irgendwann sagen, was Sie denn konkret wollen. Ich gehe davon aus, dass sich die SPD weitgehend an ihrem Parteitagsbeschluss vom 27. Oktober orien
tiert. Ich will einmal im Wortlaut vorlesen – das sollte man sich schon einmal anhören –, was vonseiten der SPD beschlossen wurde: