leginnen und Kollegen, deren ganz persönliches Umfeld von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geprägt ist. Einfach gesagt: Wer dieses Thema persönlich durchlebt und zu Hause vorangebracht hat, der weiß, wovon er ganz konkret redet.
Ganz konkret geht es darum, dass wir den Familien helfen, aber auch unserem Land, das so sehr von den wichtigsten Ressourcen abhängt, die wir haben, nämlich von den Ressourcen Grips, Können und Kreativität.
Denken wir bitte immer daran: Es geht nicht nur um Selbstverwirklichung, um ein selbstbestimmtes Leben, sondern es geht um die Zukunft unseres Landes. Denn Realität ist, dass sich nur noch 5 % der jungen Frauen lebenslang ausschließlich um Haushalt und Familie kümmern wollen; gleichzeitig wollen sich aber auch nur 10 % ausschließlich auf den Beruf konzentrieren. Die überwältigende Mehrheit der Frauen in unserer Gesellschaft will beides. Sie wollen gemeinsam mit ihren Partnern für Kinder und Familie sorgen, und zwar ohne den Anschluss an das Berufsleben zu verlieren. Wir in der Politik müssen die Realität der jungen Frauen ohne Vorbehalte zur Kenntnis nehmen und dann auch die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Dabei ist ein Tag wie heute sicher besonders geeignet, dieses Thema herauszustellen. Ich sage noch einmal: Wichtig ist, dass wir die Debatte sachlich und konstruktiv führen; das haben die Eltern und auch die Kinder verdient.
Meine Damen und Herren, die Suche nach einem Platz in der Kinderkrippe oder nach einer Tagesmutter, das sind aktuelle Sorgen der Eltern. Öffnungszeiten und pädagogische Angebote, das sind Fragen, die die Eltern bewegen. Dafür müssen wir uns einsetzen und mit vernünftigen Maßnahmen Abhilfe schaffen.
Es ist völlig unbestritten, dass wir mehr Betreuungsangebote für Kinder im Alter zwischen einem Jahr und drei Jahren brauchen. Das steht bei Land und Kommunen längst auf der Tagesordnung.
Wir haben seit dem Einstieg des Landes in die Förderung von Kinderkrippen und der Strukturen in der Kindertagespflege im Jahr 2003 das Platzangebot für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren erfolgreich ausgebaut. Wir werden es planvoll und zielgerichtet weiter ausbauen.
Wir brauchen differenzierte Angebote für die Verhältnisse hier in Baden-Württemberg. Denn klar ist: Der Bedarf in Heidelberg ist größer als etwa in einer Gemeinde, die im kleinen Odenwald in meinem Wahlkreis liegt. Es gibt große Unterschiede zwischen den Städten und dem ländlichen Raum, was den Bedarf angeht. Daher brauchen wir flexible Lösungen und Angebote. Das gilt für die Betreuung von Kleinkindern, von Kindergartenkindern und von Schulkindern.
Die Entscheidung über den ganz persönlich als richtig empfundenen Weg kann und soll der Familie niemand abnehmen. Dabei handelt es sich um eine höchst individuelle Entscheidung. Denn allein die Eltern entscheiden, ob sie ihre Kinder selbst erziehen und betreuen, wem sie Einfluss auf die Erziehung zugestehen wollen und in welchem Umfang sie Betreuungsangebote in Anspruch nehmen.
Das ist die Wahlfreiheit, die wir sicherstellen wollen und sicherstellen müssen. Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Das ist Sache der Familie und nicht des Staates. Die Mütter und Väter, die sich bewusst und verantwortungsvoll zu Hause um ihre Kinder kümmern, haben unseren Respekt, unsere Anerkennung und unsere Unterstützung verdient.
Aufgabe der Politik, aber auch der ganzen Gesellschaft ist es, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Frauen und Männer sowohl ihren Kinderwunsch als auch ihre beruflichen Ziele realisieren können.
Dabei geht es nicht nur um Kinderbetreuung, dabei geht es auch um ein familienfreundliches Arbeitsumfeld. Gerade das Land übernimmt als Arbeitgeber eine Vorbildfunktion. Mit gesetzlichen Regelungen wurde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessert.
Genauso wichtig ist die Vereinbarkeit von Studium, Arbeit und Familie an den Hochschulen Baden-Württembergs. Darüber spricht in der zweiten Runde mein Kollege Andreas Hoffmann.
Meine Damen und Herren, inzwischen ist klar – das haben wir heute auch schon deutlich gehört –, dass immer mehr Unternehmen erkennen: Familienbewusste Personalpolitik ist nicht nur ein sozialer Faktor. Familienbewusste Personalpolitik ist in immer stärkerem Maß ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor für die Unternehmen.
Familienfreundlichkeit heißt – ich zähle nur beispielhaft einige Punke auf – flexible Arbeitszeiten, Kinderbetreuung, Wiedereinstiegsprogramme und Fortbildungsprogramme. Je nach Unternehmensgröße, Branche, Personalstruktur und Unternehmenskultur müssen die Unternehmen und Personalleitungen maßgeschneiderte Lösungen für ihren Betrieb finden.
Wenn wir Studien betrachten, sehen wir, dass familienbewusste Arbeitsbedingungen zu geringeren Krankheitszeiten, weniger Fluktuation, höherer Arbeitszufriedenheit und höherer Kompetenz der Beschäftigten führen.
Ich fasse das Ganze in einem Satz zusammen: Wer seine familienpolitischen Potenziale nutzt, der gewinnt. Das gilt für Unternehmer, das gilt für die öffentliche Hand, und das gilt für unser ganzes Land.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei den frauenpolitischen Sprecherinnen aller Fraktionen und den Frauen in diesem Haus insgesamt dafür bedanken, dass es ge
meinsam möglich war, nicht nur gemeinsame Initiativen zu ergreifen, sondern den heutigen Tag gemeinsam vorzubereiten und gemeinsam festzulegen, dass für jede Fraktion zu jedem Thema eine Frau und ein Mann sprechen. Herzlichen Dank für diese Gemeinsamkeit.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Erfolg dieses Frauenplenartags wird sich letztendlich nicht nur am Gehalt der schönen Reden, die wir halten, messen lassen,
sondern dieser Frauenplenartag wird nur dann ein Erfolg sein, wenn wir uns darauf verständigen, dass diesen schönen Reden am Pult wirklich auch konkrete Taten und Verbesserungen folgen.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, werde ich mich jetzt nicht damit aufhalten, noch einmal Zahlen vorzutragen oder persönliche Eindrücke zu schildern. Mir geht es darum, dass wir heute bei dem Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ wirklich vorankommen.
Wir haben zehn Jahre gebraucht, um im Bereich der Kleinkindbetreuung einen ganz entscheidenden Schritt voranzukommen, weil es von mir aus gesehen auf der rechten Seite starke ideologische Vorbehalte gab. Wir sind über diesen Zustand hinaus. Darüber freue ich mich ausdrücklich. Wir reden Gott sei Dank heute nicht mehr darüber, ob wir die Kleinkindbetreuung ausbauen, sondern wir diskutieren darüber, in welchem Umfang und in welchem Tempo wir diesen Ausbau vornehmen. Ich sage klar: Wir brauchen bei diesem Zukunftsthema ein sehr viel höheres Tempo als bisher.
„Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ So hat es Victor Hugo einmal formuliert. Das trifft auch für dieses Thema zu.
Wir haben im Einvernehmen der großen Parteien die Entscheidung für das Elterngeld gefällt, das uns bei diesem Thema Schub gibt. Wir haben jetzt mit der Bund-Länder-Vereinbarung eine einvernehmliche Grundlage zum Ausbau der Kleinkindbetreuung. Jetzt muss es wirklich darum gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in diesem Land gemeinsam vorankommen, dass Eltern – ich sage ausdrücklich: Eltern bedeutet Mütter und Väter – wirklich die Chance haben, Familie und Erwerbsarbeit besser als bisher zu vereinbaren. Mit schöner Rhetorik ist es einfach nicht getan.
Deshalb möchte ich eindringlich sagen: Es ist mit dem Anspruch des Landes, ein Kinderland zu sein – das ist ein schöner und richtiger Anspruch –, nicht vereinbar, wenn nach wie vor der Bedarf an Kinderbetreuung, an Ganztagsbetreuung,
aber insbesondere an Kleinkindbetreuung kleingeredet wird. In den Äußerungen des Ministerpräsidenten, der Frau Minis terin und jetzt in der Rede der lieben Frau Kollegin Brunnemer klingt jedoch immer wieder der Ansatz an, wir müssten es sehr flexibel handhaben und wir brauchten unterschiedliche Ansätze in Stadt und Land.
Weil diese Aussage zu unterschiedlichen Bedarfsquoten ein weiterer Punkt sein könnte, der sich als Bremse in dieser Diskussion erweist – wir brauchen in der Diskussion aber nicht noch mehr Bremser, als wir bisher schon hatten –, möchte ich Ihnen die neueste Bedarfsanalyse des Deutschen Jugendinstituts in München ans Herz legen, die Ende letzter Woche präsentiert wurde. Aus dieser Bedarfsanalyse geht klar und eindeutig hervor, dass der Wunsch nach Kleinkindbetreuungsplätzen auf dem Land nahezu gleich stark ausgeprägt ist wie in der Stadt.
Der statistisch berechnete Bedarf an Betreuungsplätzen steigt in Stadt und Land fast deckungsgleich: von etwa 40 % der Kinder im Alter zwischen einem und zwei Jahren bis auf 60 % und mehr, wenn die Kinder zwischen zwei und drei Jahre alt sind. Es gibt bei diesem Wunsch der Eltern kaum einen nennenswerten Unterschied zwischen Stadt und Land. Ich meine, wir müssen das sehr ernst nehmen, wenn wir diesem Anspruch des „Kinderlands“ wirklich gerecht werden wollen.
Diese Analyse kommt zu einem weiteren wichtigen Ergebnis: Für viele junge Familien ist die Kindertagesstätte Ausgangspunkt für Nachbarschaftshilfe und ein Ort zur Kontaktaufnahme zu anderen Familien mit Kindern. Hinzu kommt natürlich noch der Bildungsaspekt für Kinder, insbesondere die Sprachförderung.
Deshalb meine ich, wir dürfen uns nicht in der Frage verzetteln: Müssen es in einem Landkreis jetzt 10 % oder 15 % sein? Es muss vielmehr wirklich einen Kraftakt des Landes geben. Wie wollen wir denn andere – Kommunen und Träger – dazu gewinnen, nun wirklich den Turbo einzulegen, wenn wir selbst ständig auf der Bremse stehen? Das funktioniert nicht.
Wir wollen, dass das Land jetzt wirklich Gas gibt – sowohl was die Erhöhung des Zuschusses von 10 % auf 30 % als auch den deutlich schnelleren Ausbau der Kleinkindbetreuung anbetrifft.
Die Trias von Bildung, Erziehung und Betreuung beginnt nicht erst im Kindergarten, sondern fängt schon bei der Kleinkindbetreuung an. Deshalb müssen wir auch den Bildungs aspekt von Anfang an mitberücksichtigen. Es geht nicht nur um Quantität, also den Ausbau der Plätze, sondern es geht vor allem darum, Qualität in der Kleinkindbetreuung herzustellen.
Wenn wir sowohl bei der Bezuschussung als auch mit klaren Zielvorgaben vorankommen – wir wollen bis 2011 für 30 % der Kinder im entsprechenden Alter ein Angebot schaffen –,
erst dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir dem Anspruch „Kinderland“ wirklich gerecht.
Sie haben – das gestehe ich neidlos zu – mit dem „Kinderland“ einen sehr schönen Begriff geprägt. Den wollen wir gern füllen. Es geht darum, jetzt mit konkreten Taten dafür zu sorgen, dass nicht nur „Kinderland“ draufsteht, sondern dass es auch drin ist.
(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord- neten der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Sehr gut! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Bravo!)