Protocol of the Session on June 27, 2007

Vielen Dank fürs Erste.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wölfle.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Landtag von BadenWürttemberg fordert einstimmig und ohne Widerspruch ein Tempolimit. Das habe ich in dieser Aktuellen Debatte heute Morgen erfreulicherweise vernommen. Herr Scheuermann sagt zu Recht: Den Klimaschutz habt ihr immer in den Vordergrund geschoben. Wenn ihr künftig die Verkehrssicherheit und die Vermeidung von Unfällen viel stärker propagiert, sind wir einer Meinung. – Das machen wir gern.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Herr Noll weist mich gerade darauf hin, dass Herr Tiefensee noch nicht so weit ist. Darauf arbeiten wir hin.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Wenn auch die SPD im Stuttgarter Landtag das mit unterstützt, beeinflusst ihn das vielleicht. Unstrittig – –

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sie haben Herrn Bullinger auch ein bisschen missverstanden!)

Herr Bullinger hat eindeutig gesagt, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung diskutiert wird.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Diskutiert wird!)

Genau.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber nur am Steuer mit seiner Tochter! – Heiterkeit des Abg. Stefan Map- pus CDU)

Er hat die Zeitungsartikel sauber zusammengestellt. Als es um die Ursachen ging, hat er den Schwachpunkt Mensch herausgestellt. Das ist sicher richtig. Zur Aufgabe der Politik gehört nun einmal auch, einen Rahmen zu setzen. Bekanntermaßen gehört dazu – das ist kein Geheimnis –, dass auch kontrolliert werden muss, ob sich alle an den Rahmen halten. Das geht Ihnen so, und das geht mir so.

Sie fragten: Was ist, wenn der „Pappdeckel“ weg ist? – Wie kommt der „Pappdeckel“ weg? Indem man in eine Kontrolle gerät, bei der festgestellt wird, dass sich jemand nicht an die Regeln gehalten hat, die vernünftigerweise erlassen wurden.

Ein Tempolimit – wir diskutieren gern über Tempo 120 oder Tempo 130 – dient definitiv der Verkehrssicherheit. Daran gibt es gar keinen Zweifel.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Reinhold Gall SPD)

Niemand bezweifelt dies ernsthaft.

Wer schon einmal im Ausland auf Autobahnen gefahren ist, weiß, wie viel geruhsamer dort gefahren wird – zwar nicht langsamer, aber viel weniger hektisch als bei uns.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber auf franzö- sischen Autobahnen gibt es wesentlich mehr Tote als auf deutschen!)

Ich hatte gehofft, dass die Ausführungen meiner Vorredner keine Einzelmeinungen, sondern jeweils die Fraktionsmeinung darstellen. Deshalb habe ich meinen Beitrag so eingeleitet. Ein Tempolimit ist definitiv eine Maßnahme zur Verringerung der Unfallzahlen. Dies ist sicher unstrittig. Es gibt Beispiele genug. Auch Tempo 30 in Wohngebieten dient der Vermeidung von Unfällen.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Immer montags liest man besonders viele solcher Zeitungsmeldungen. Das gehört mit dazu. Von vielen Leuten in unserer Gesellschaft wird Mobilität ja nicht als Möglichkeit des Transports von A nach B begriffen, sondern oft genug als ein Rauschmittel. Die Folgen sind bedauerlicherweise und viel zu oft tödlich. Gerade bei Motorradfahrern ist das häufig zu erkennen.

Ich zitiere ein Beispiel aus Stuttgart: Die Polizei zieht sich aus verkehrserzieherischen Präventivangeboten zurück, weil ihr das Personal fehlt. Das ist eine sehr bedauerliche Maßnahme. Auch dafür ist das Land zuständig. Auch Verkehrserziehung dient der Vermeidung von Unfällen.

Überholverbote für Lkws auf Autobahnen haben wir angesprochen. Das tragen wir ebenfalls gern mit. Sie dienen sicher ebenfalls dazu, weniger Unfälle zu produzieren.

Zum Thema „Führerschein mit 17“ oder „Begleitetes Fahren mit 17“ hatten wir schon vor zwei Wochen eine Debatte im Innenausschuss; morgen steht dazu eine Aktuelle Debatte auf der Tagesordnung. Vielleicht hat sich dazu in den Mehrheitsfraktionen schon eine Meinungsbildung ergeben. Vielleicht, Herr Mappus, hatten Sie schon Zeit – so stand es in der Zeitung –, dieses Thema in der Fraktion zu beraten. Dann hören wir morgen Neues.

Bei der FDP/DVP ist nach der vor zwei Wochen erfolgten Ablehnung unseres Antrags, noch in diesem Jahr den Führerschein mit 17 einzuführen, nun offensichtlich ein Meinungswandel herbeigeführt worden. So habe ich es jedenfalls verstanden. Sie sind jetzt wohl auch der Meinung, wir sollten das begleitete Fahren noch in diesem Jahr zwingend einführen.

Wir schätzen die pädagogische Wirkung des begleiteten Fahrens. Die Eltern sind in der Regel nicht ohne Einfluss, sondern haben erheblichen Einfluss. Sie haben das ja selbst schön auf Schwäbisch geschildert. Wir debattieren das morgen noch einmal. Ich hoffe, dass dann hier Einigkeit besteht.

Ohne Kontrollen, sehr verehrte Damen und Herren, nützen all die Rahmenbedingungen, die wir den Verkehrsteilnehmern

auferlegen, nichts. Auch dazu wird Personal benötigt. Deswegen habe ich Ihre Äußerung, Herr Bullinger, wir brauchten nicht mehr Kontrollen, nicht verstanden. Wenn wir das Thema ernst nehmen und es nicht nur deshalb diskutieren, damit die Zeit ausgefüllt ist, dann führt kein Weg an verstärkten Kontrollen vorbei. Die Einhaltung von Regeln muss kontrolliert werden. Dazu benötigt man Personal. Warum sind verstärkte Kontrollen erforderlich? Die Landesregierung hat ja erst vor Kurzem eine massive Kontrollaktion gestartet. Sie haben selbst vorgetragen, wie viele Überschreitungen zum Teil massivster Art festgestellt wurden.

Kümmern wir uns um ein einheitliches Tempolimit, um ein Überholverbot für Lkws, um die Einführung des begleiteten Fahrens mit 17, dann wird – da sind wir uns sicher – nicht nur im Klimaschutz, sondern auch in der Verkehrssicherheit ein deutlicher Fortschritt in Baden-Württemberg erzielt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Köberle.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer wieder wird bei Aktuellen Debatten im Landtag angemerkt, das aufgerufene Thema sei überhaupt nicht aktuell oder gehöre nicht in den Landtag. Das war heute zu Recht nicht der Fall. Solange es jeden Tag auf unseren Straßen Tote, Schwerverletzte und Verletzte gibt, ist das Thema Verkehrssicherheit ein aktuelles Thema der Politik, auch wenn wir es nicht jeden Tag oder jede Woche im Landtag diskutieren können.

Ich möchte Ihnen kurz darstellen, wie die aktuelle Verkehrssicherheitslage in unserem Land aussieht, wo die Landesregierung Handlungsbedarf sieht und wo und wie wir agieren. Ich glaube, es lohnen sich alle Anstrengungen, um die Zahl der Verkehrsopfer zu reduzieren.

Seit 1953 wird in Deutschland eine Verkehrsstatistik geführt. Viele Zahlen sind in der heutigen Debatte genannt worden. Ich will ein paar weitere – ich glaube, sehr interessante – Zahlen hinzufügen. Ich stelle die Zahlen aus zwei Vergleichsjahren, aus dem Jahr 1970, dem traurigen Höhepunkt an Verkehrstoten und -verletzten, und dem Jahr 2006, dem bisherigen Tiefststand, einander gegenüber.

Es gibt zwei gegenläufige Kurven. Auf der einen Seite gibt es von Jahr zu Jahr mehr Verkehr, auf der anderen Seite von Jahr zu Jahr weniger Unfallopfer auf unseren Straßen. In Deutschland sind im Jahr 1970 280 Milliarden km und im Jahr 2006 680 Milliarden km gefahren worden. Im Jahr 1970 gab es in Deutschland 21 332 Verkehrstote, und im Jahr 2006 waren es 5 091. In Baden-Württemberg lag die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 1970 bei 2 798 und im Jahr 2006 bei 680. Seit 1970 konnte also die Zahl der Verkehrstoten in BadenWürttemberg um immerhin 76 % reduziert werden. So weit, so – einigermaßen – gut, was die Tendenz anbelangt.

Meine Damen und Herren, aber es ist gerade gesagt worden – und wir wissen das auch –, dass wir im Land seit dem letzten Jahr eine leichte Trendwende haben. Diese Trendwende

scheint sich ins laufende Jahr 2007 hinein fortzusetzen. Die Zahlen, die genannt werden, sind für uns aufschreckend und alarmierend, und wir fragen uns: Haben sich die Anstrengungen der vergangenen Jahre doch nicht so verfestigt, dass der Trend nach unten auch in dieses Jahr hinein hätte fortgesetzt werden können? Wir haben einen deutlichen Anstieg der Zahl der Verkehrsunfälle bei uns im Land um 5 %. Die Zahl der Verunglückten stieg um 18 % und die Zahl der Getöteten um 7 %. Bei den Opfern von Motorradunfällen beobachten wir sogar einen Anstieg um 80 %.

Wenn wir einmal die Entwicklung im Bundesvergleich betrachten, können wir feststellen, dass die Zahlen deutschlandweit noch dramatischer ansteigen. Bei der Gesamtzahl der Unfälle wird ein Plus von 2 % verzeichnet, die Zahl der Verunglückten stieg um 20 % und die Zahl der Getöteten um 10 %.

Es wäre jetzt aber völlig falsch, wenn wir auf andere Länder oder auf den Bundesdurchschnitt verweisen und sagen würden: Bei uns ist es nicht ganz so schlimm wie im bundesdeutschen Durchschnitt. Ganz im Gegenteil: Solange es überhaupt Tote und Verletzte auf unseren Straßen gibt, müssen wir uns um das Thema kümmern.

Da wir gerade bei statistischen Daten sind, will ich jedoch noch hinzufügen, dass die Zahl der getöteten Fußgänger deutlich zurückgegangen ist und im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren um 30 % niedriger liegt. Auch auf unseren Autobahnen ist die Zahl der Todesopfer um 44 % gesunken.

Als Erstes muss man natürlich der Frage nachgehen, warum in Deutschland und warum bei uns in Baden-Württemberg wieder mehr Unfälle passieren. Dabei ist eines ganz sicher: Es hat auch mit dem Wetter zu tun. Wir hatten im letzten Jahr einen sehr milden Winter sowie einen ausnahmsweise durchgehend angenehmen Sommer. Die Erfahrung ist, dass bei guter Witterung auf unseren Straßen erstens mehr und zweitens auch schneller gefahren wird.

Wenn wir einmal genauer untersuchen, in welchen Bereichen die Zahlen besonders gestiegen sind – diese Steigerungsraten wirken sich natürlich auf die Gesamtstatistik aus –, dann sehen wir, dass der Schwerpunkt dabei bei den Verkehrsopfern durch Motorradunfälle liegt. Das Motorradfahren und das Wetter stehen in einem engen Zusammenhang. Die Zahl der Opfer von Motorradunfällen ist um 80 % gestiegen. Denken wir nur einmal an die traurige Bilanz des Pfingstwochenendes in diesem Jahr. Dabei stoßen wir sehr schnell auf den Grund dafür, weshalb sich diese Zahlen derzeit ins Negative wenden.

Meine Damen und Herren, als Hauptursache für Unfälle gilt immer noch die überhöhte Geschwindigkeit. 24 % aller Unfälle sind auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen. 22 % aller Unfälle mit Personenschäden haben – und diese Gründe liegen an zweiter Stelle – mit Überholmanövern und mangelndem Abstand zu tun. Wir müssen also genau in diesen Bereichen ansetzen.

Die Europäische Union identifiziert drei Unfallschwerpunkte und entwickelt daraus ein Programm mit dem sehr ehrgeizigen Ziel, bis zum Jahr 2010 die Zahl der Unfallopfer zu halbieren. Als Unfallursache liegt auch nach Aussage der EU die zu ho

he Geschwindigkeit an erster Stelle. Ein weiteres Problem sieht sie darin, dass der Gurt häufig nicht angelegt wird. An dritter Stelle sind Alkohol und Drogen als Unfallursache anzugehen. Wir wollen diesen ehrgeizigen Plan der Europäischen Union bei uns im Land tatkräftig unterstützen.

Was tun wir angesichts der aktuellen beängstigenden Entwicklung, meine Damen und Herren? Der Kurs stimmt nach wie vor: eine nachhaltige Doppelstrategie. Wir setzen auf die richtigen Rahmenbedingungen und treiben in einigen Punkten, die jetzt wieder angemahnt worden sind, sogar den Bund vor uns her. Ich nenne nur das Thema „Null Promille bei Fahranfängern“. Wir haben den Bundesverkehrsminister bei der aktuellen Anpassung des Bußgeldkatalogs uneingeschränkt unterstützt – das haben nicht alle Bundesländer getan. Die Bußgelder müssen erhöht werden, weil es völlig richtig ist, dass Geldbußen und Punkte in Flensburg – vor allem die Belastung des Geldbeutels – das wirkungsvollste erzieherische Mittel auf unseren Straßen sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich nenne auch unseren Einsatz beim Thema Lkw-Überholverbot. Da haben wir den Bund und die Mehrheit der Länder momentan überhaupt nicht auf unserer Seite.