Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema, über das wir heute diskutieren, ist wohl aktuell, aber nicht wirklich neu, Herr Haller.
Wir wissen aus der griechischen Geschichte von der ersten Form einer nutzerfinanzierten Infrastruktur, von einer Art Dienstleistungsgebühr. Denn um in das Reich des Totengottes Hades zu kommen, mussten die Toten dem Fährmann Charon eine Münze geben, damit er sie über den Totenfluss Lethe übersetzte.
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Und die haben nicht einmal einen „Bäbber“ gekriegt! – Abg. Hans- Martin Haller SPD: Wir wollen auch nicht in das Reich des Todes!)
Auch im Mittelalter war man schon weiter. Weil die Finanzierung von Straßen schon damals immer schwieriger wurde, war eine Straßenbenutzungsgebühr bereits im 11. Jahrhundert in ganz Europa verbreitet. Das heißt, Reisende, also Nutzer, wurden an der Finanzierung beteiligt.
Rund 1 000 Jahre später hat sich die Situation nicht gerade verbessert. Die Bundesrepublik ist ein hoch industrialisiertes Land mit wachsenden Anforderungen an eine international konkurrenzfähige Infrastruktur. Baden-Württemberg liegt im Herzen Europas und ist damit Transitland Nummer 1. Eine leistungsfähige Infrastruktur ist für uns lebenswichtig und Grundlage für Wachstum und Wohlstand.
Diesem Bedarf stehen knappe öffentliche Kassen gegenüber. Selbst bei bester Konjunkturlage und guten Steuereinnahmen werden wir uns auch künftig nicht alles leisten können, was notwendig wäre. Trotz der Haushaltskonsolidierung in BadenWürttemberg ist der Landesstraßenbau einer der Investitionsschwerpunkte des neuen Haushalts. Klar ist aber auch, dass uns jeder Euro, den wir mehr zur Verfügung hätten, guttäte.
Beim Bundesfernstraßenbau ist in Baden-Württemberg ein gewaltiger Investitionsstau von rund 2 Milliarden € aufgelaufen.
Der jährliche Mittelbedarf bis 2015 ist auf 355 Millionen € gestiegen. Die Planansätze bis 2010 decken nur 30 % der Gesamtkosten der Straßenbauprojekte ab, Herr Haller. Die Schere zwischen dem Bedarf und den zur Verfügung stehenden Mitteln geht immer weiter auseinander.
In dieser Situation haben wir genau zwei Möglichkeiten: Entweder wir finden uns mit dieser strukturellen Unterfinanzierung des Straßenbaus mit all ihren katastrophalen Folgen für unser Land ab und muten den Menschen immer schlechtere Straßen und längere Staus zu, oder aber wir nehmen diese Herausforderung an und sind bereit, neue Wege zu gehen, und stellen die Finanzierung des Fernstraßenbaus langfristig auf eine solide und berechenbare Basis.
Wir sind davon überzeugt, dass dies nur mit einem grundsätzlichen Systemwechsel möglich ist. Bereits im Jahr 2005 hat der damalige Verkehrsminister und heutige Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Stefan Mappus in der Verkehrsministerkonferenz die Umstellung von der Haushalts- auf eine Nutzerfinanzierung gefordert.
Knapp gescheitert ist er damals an der Ablehnung durch die SPD. Ich verspreche Ihnen aber, dass die CDU mit unserem Ministerpräsidenten und dem Innenminister auch künftig für dieses Ziel kämpfen wird.
Denn wir wollen weg von der Finanzierung nach Kassenlage und wollen die Unabhängigkeit vom allgemeinen Haushalt erreichen. Wir wollen weg von der Haushaltsfinanzierung und hin zu einer gerechteren Finanzierung durch die Nutzer. Damit würden auch die Autofahrer aus dem Ausland ihren Beitrag leisten.
Und wir wollen, dass die Einnahmen aus einer Straßenbenutzungsgebühr über eine Finanzierungsgesellschaft zu 100 % direkt und ohne Umweg über den Bundeshaushalt gezielt für die Bundesfernstraßen eingesetzt werden. Das würde auch von den Bürgern akzeptiert. Die Lkw-Maut war der richtige Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt, der allerdings nicht konsequent genug erfolgte.
und Rot-Grün hat 2003 den Verkehrshaushalt genau um die Summe der erwarteten Einnahmen reduziert. Es war also ein Nullsummenspiel und ein gutes Beispiel dafür, warum Maut einnahmen nicht in den Haushalt fließen dürfen.
Die Zeit, meine Damen und Herren, drängt. Wir müssen schnellstens aus dieser Sackgasse heraus. Wir brauchen dringend ein effizientes Konzept, und die Pkw-Vignette für Autobahnen, Herr Haller, ist für uns die beste und einfachste Lösung – und zwar für das ganze Bundesgebiet –, weil sie ers tens ohne großen Aufwand für Verwaltung und Technik auskommt, weil sie zweitens bei unseren Nachbarn Schweiz und Österreich seit Langem sehr erfolgreich eingeführt ist und weil sie vor allem drittens deshalb auch bei den Bundesbürgern auf hohe Akzeptanz stößt. Dieser „Bäbber“, Herr Haller, wie Sie es nennen, ist wie der Spatz in der Hand allemal besser als die Taube auf dem Dach, von der Sie träumen.
Klar ist für uns aber auch – daran haben wir nie einen Zweifel gelassen –: Wenn wir die Pkw-Vignette einführen, muss der Autofahrer bei der Kfz- oder der Mineralölsteuer entlastet werden. Wir wollen keine zusätzliche Belastung. Die von Ihnen gebetsmühlenhaft wiederholte Unterstellung, uns schwebe eine moderne Form der Wegelagerei vor, ist haltlos und ohne Grundlage.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Der Rednerin wird das Ende ihrer Redezeit angezeigt.)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Antwort auf Ihre Anfrage hat Ihnen nicht wirklich neue Informationen gebracht. Die Fakten – auch wissenschaftlich bewiesen – liegen seit Langem auf dem Tisch. Wir wissen, dass die Pkw-Vignette in dieser Form auch in den Reihen der SPD-Bundestagsfraktion viele Anhänger hat, die dies aber leider nie offen zugeben würden.
Die Botschaft, dass es für Sie keine Denkverbote gibt, hören wir gern. Allein – das sage ich offen – mir fehlt der Glaube. Ich bin mir sicher, dass auch Sie wissen, dass dieses System die einzige effiziente und auch gerechte Möglichkeit ist, um im Straßenbau voranzukommen.
Deshalb ist mein Appell an Sie: Geben Sie sich einen Ruck, und trauen Sie sich heraus aus dieser ideologischen Einbahnstraße, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Lassen Sie uns gemeinsam als Baden-Württemberger beim Bund für diesen neuen Weg bei der Finanzierung des Fernstraßenbaus kämpfen. Die Menschen in diesem Land werden es uns danken.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Klare Linie! Sehr gut! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Eine gute Rede, getragen von hoher Fachkenntnis!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt hat mich Frau Razavi richtig in Schwierigkeiten gestürzt.
Denn ich habe versucht, nachzudenken und zu rechnen, wie ein ganz normaler Haushälter das auch macht. Ich habe mir überlegt: Ich nehme etwas Neues ein – das geht über die Vignette; das habe ich verstanden –; okay, dann habe ich mehr Einnahmen. Aber kaum ist sie damit fertig, erklärt sie: Das soll aber zu keiner Mehrbelastung beim Autofahrer führen.
Aber das war fast auch die neue historische Dimension wie gestern beim Panamakanal und beim Suezkanal. Gut, das war bei Stuttgart 21. Da ist das okay. Aber auch hier war die Einleitung blendend.
Aber trotzdem: Wenn ich den Autofahrer nicht zusätzlich belaste, wo bleibt dann das Geld? Also habe ich es nicht mehr. Sie haben recht mit Ihrer Beschreibung, dass es notwendig ist, das System umzustellen und in ein gerechtes System der Nutzerfinanzierung einzusteigen. Da wären wir bei Ihnen. Aber wenn wir jetzt die Antwort der Landesregierung heranziehen und Sie erklären, Sie seien mit der zweitbesten Lösung zufrieden, dann müssen wir sagen: Die Vignette hat leider gar keine steuernde Wirkung. Doch um die Steuerung geht es ja eigentlich. Das haben Sie ja jetzt auch ausgeführt.