Protocol of the Session on May 24, 2007

Wenn Sie diese Maßnahmen nicht durchführen, dann bleibt das, was Sie jetzt eingeleitet haben, Makulatur. Denn dem Fächerverbund den entsprechenden Namen zu geben und die Inhalte im Lehrplan festzuhalten ist die eine Seite. Die Menschen jedoch, die diese Inhalte auch kompetent unterrichten können, zu gewinnen bzw. sie hierfür zu qualifizieren ist die andere Seite. Hier haben Sie noch einen erheblichen Handlungsbedarf. Hier müssen tatsächlich noch weitere Entwicklungen in Gang gesetzt werden.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erhält Herr Abg. Kleinmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich auf meinen Vorredner, Herrn Kaufmann, eingehen, der die schöne These vertreten hat, die Ausbildungsreife zu schaffen sei eine Sache der Schule. Damit haben Sie zunächst einmal völlig recht.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Ja!)

Ich habe jedoch gerade eben eine achte Hauptschulklasse aus Dietingen bei Rottweil hier empfangen und anschließend mit den Lehrern zu Mittag gegessen.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Auf meine Rechnung, wohlgemerkt. – Einer der Lehrer hat mir gesagt: Wenn wir unsere Schüler zu einem Praktikum schicken, dann kommen sie hinterher viel gereifter, viel reifer zurück, weil sie merken, dass sie doch gebraucht werden und dass die Hauptschule nicht etwa eine Anstalt für diejenigen ist, die nicht in andere Schulen gelangen können. Sie merken, dass sie in der Wirtschaft durchaus gebraucht werden.

Deswegen ist der vorhin zitierte Satz doch nicht ganz richtig: Die Ausbildungsreife zu schaffen ist in erster Linie zwar – und da stimme ich Ihnen zu – Sache der Schule und des Schulsys tems; das ist aber auch und gerade eine Sache der Koopera tion zwischen Schule und Wirtschaft.

Meine Damen und Herren, schulische Ausbildung braucht Praxisorientierung, braucht Praxisbezug. Dies in Kooperation mit der Wirtschaft zu leisten, z. B. durch betriebliche Praktika, durch Firmenbesuche, durch den Aufbau von Lernpartnerschaften mit den Kammern und auf vielen weiteren Wegen, ist eine, wie ich meine und wie auch meine Fraktion meint, besonders geeignete Form.

Ein wichtiges Ziel hierbei ist es, den Schülerinnen und Schülern beizeiten eine handfeste Orientierung für die spätere Berufswahl oder auch die Ausrichtung eines möglichen Studiums zu geben. Bei vielen Projekten und Maßnahmen, die die Landesregierung in ihrer Stellungnahme sehr detailliert auflis tet und darstellt, steht diese Orientierung in Bezug auf die Wahl von Beruf und Studienfach direkt im Zentrum. Die Fülle der Möglichkeiten, die hier in Kooperation mit wirtschaftlichen Unternehmen bzw. mit ihren Verbänden und Kammern entwickelt worden sind, ist in der Tat beeindruckend.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Neben diesem Ziel der praxisfundierten Orientierung in der beruflichen Lebenswelt – und im Grunde unabhängig hiervon – geht es aber auch darum, in allen Schularten jeder Schülerin und jedem Schüler ein Grundwissen und ein Grundverständnis wirtschaftlicher sowie wirtschaftspolitischer Zusammenhänge zu vermitteln. Das steht in der heutigen Debatte zwar nicht im Mittelpunkt, ich will es aber dennoch ansprechen. Gerade im allgemeinbildenden Gymnasium ist die Vermittlung ökonomischer Grundkenntnisse in der Tat, Frau Rastätter, lange ein Stiefkind gewesen. An den Lehrplänen und noch konkreter an der Zahl der Unterrichtsstunden, die im Fach Gemeinschaftskunde für die einschlägigen Lehrplaneinheiten „Wirtschaft und Arbeitswelt“ sowie „Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik“ zur Verfügung standen, war das ebenso einfach wie klar abzulesen – das war einfach zu wenig.

Inzwischen ist hier allerdings einiges in Bewegung gekommen, auch im Zusammenhang mit dem neuen Bildungsplan 2004. Ich darf daran erinnern, dass die FDP/DVP das Ziel, die ökonomische Bildung in der Schule, insbesondere im Gymnasium, zu stärken, bereits in den Koalitionsvertrag der vorigen Legislaturperiode hineingeschrieben hatte.

(Beifall der Abg. Hagen Kluck und Monika Chef FDP/DVP)

Aber ich sehe es so, dass diese Frage doch noch weiter auf dem Prüfstand steht. Wir müssen hier auch weiterhin daran arbeiten, dass in den Schulen, insbesondere in den Gymnasien, noch etwas mehr ökonomischer Sachverstand vermittelt wird. Ein Grundverständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge zu vermitteln ist das A und O.

Ich darf noch darauf hinweisen, dass die Landesregierung in ihrer Stellungnahme zu dem Antrag selbst einen wichtigen Hinweis gibt. Sie nennt als eine weitere herausragende Initiative vonseiten der Wirtschaft das vom Unternehmer Reinhold Würth im Oktober 2005 eingerichtete „Kompetenzzentrum Ökonomische Bildung Baden-Württemberg“. Das Lob für diese Initiative, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist in der Tat berechtigt. Auslöser für diese Initiative war allerdings gerade das Ungenügen, dass die

ökonomische Bildung in den Schulen den Anforderungen, die gerade heute an sie zu stellen sind, nicht gerecht geworden ist.

(Abg. Stephan Braun SPD: Guter Mann!)

Initiativen vonseiten der Wirtschaft allein können dem nicht abhelfen. Aber sie sind selbstverständlich wichtig und richtig und sollten nach Möglichkeit auch weiter gestärkt werden.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Wacker.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Jetzt eine fulminante Re- de!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.“ Das ist ein Zitat nach dem Philosophen Seneca, das in früheren Zeiten große Gültigkeit hatte und heute erst recht zutrifft.

Es gibt mehrere grundsätzliche Zielsetzungen in der Bildungspolitik. Über viele Zielsetzungen haben wir hier in diesem Haus schon sehr intensiv debattiert. Eine zentrale Zielsetzung ist zweifelsohne, die jungen Menschen auf das berufliche Erwerbsleben vorzubereiten. Das ist eine zentrale Aufgabenstellung für unsere Schulen insgesamt. Dieser Aufgabenstellung müssen wir uns auch stellen.

Deshalb ist es wichtig, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass den jungen Menschen der Übergang von der Schule in die Ausbildung gelingt. Das gilt natürlich gleichermaßen auch für den tertiären Bereich.

Die Bildungsplanreform 2004 wird dieser Notwendigkeit und auch diesem Anspruch in vollem Umfang gerecht. Wesentliche Elemente dieser Bildungsplanreform sind bekannt. Ich skizziere nur noch wenige:

Zunächst einmal nenne ich die Konzentration der Bildungspläne auf das Wesentliche, auch durch die Einführung verbindlicher Bildungsstandards. Aber die Stärkung der ökonomischen Bildung ist ebenfalls ein gewichtiger Bestandteil dieser Bildungsplanreform. Damit ist die ökonomische Bildung, gleichzeitig aber auch die Berufs- und die Studienorientierung integrierter Bestandteil aller Bildungspläne der weiterführenden Schularten und gleichermaßen integrierter Bestandteil der Fächerverbünde.

Auch durch die Einführung des Schulcurriculums – mit dem Schulcurriculum beabsichtigen wir, den Schulen Freiräume für die eigene Prioritätensetzung zu ermöglichen – schaffen wir für die Schulen zusätzlichen Raum, um auch der ökonomischen Bildung, gerade auch für Kooperations- und Vernetzungsprojekte mit der Wirtschaft, gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren, die Kooperation zwischen Schulen und Unternehmen in Baden-Württemberg hat schon eine lange Tradition. Es gibt in Baden-Württemberg seit 40 Jahren

großartige Entwicklungen in diesem Bereich. Dazu möchte ich im Wesentlichen auf die schriftliche Stellungnahme der Landesregierung zu dem Antrag verweisen. Insofern erspare ich es mir jetzt, im Detail auf die einzelnen Bereiche hinzuweisen.

Ich halte aber dennoch fest, dass alle allgemeinbildenden weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg Kooperationen mit regionalen Unternehmen abgeschlossen haben oder praktizieren.

(Beifall der Abg. Andrea Krueger CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Dies geschieht natürlich durch die Absolvierung von Praktika, aber auch in Form fachlich-inhaltlicher Kooperationen über verschiedenste Projekte.

Eine weitere erfreuliche Mitteilung darf in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen werden: Eine expansive Entwicklung ist in fest vereinbarten Lernpartnerschaften festzustellen. Immer mehr Schulen und Unternehmen binden ihre Zusammenarbeit an fest vereinbarte Absprachen über Ziele, Inhalte und Aktivitäten, die verbindlich im Schulcurriculum verankert sind. So entstehen nachhaltige und gleichzeitig zielführende Netzwerke. Diese Kooperationsformen sind natürlich nicht lose entstanden, sondern uns ist es wichtig, seitens des Kultusministeriums eine Federführung gemeinsam mit den Partnern aus der Wirtschaft zu übernehmen. Es bedarf auch der Steuerungs- und Unterstützungssysteme, um eine regionale Ausgewogenheit dieser Kooperationsnetzwerke zu ermöglichen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Deswegen gibt es die Landesarbeitsgemeinschaft Schule/Wirtschaft, die eine zentrale Rolle ausübt. Die Kooperation Schule/Wirtschaft findet in derzeit 38 regionalen Arbeitskreisen in Baden-Württemberg flächendeckend statt. Dem Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft gehört unser Haus gemeinsam mit den Partnern aus der Wirtschaft und mit Vertretern der Schulen an. Unterstützt werden der Vorstand und seine Arbeit durch die entsprechende Infrastruktur mit einer Vernetzung auf Bundesebene, was auch beachtlich und wichtig ist. Denn viele Unternehmen, die sich hier engagieren, engagieren sich natürlich nicht nur in Baden-Württemberg, sondern gleichermaßen auch in anderen Bundesländern.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr richtig!)

Deswegen legen wir auch großen Wert auf die Vernetzung mit anderen Bundesländern.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, gerade durch diese Landesarbeitsgemeinschaft ist Beachtliches geleistet worden. Im letzten Schuljahr fanden 200 Veranstaltungen auf regionaler Ebene statt. Nahezu 5 000 Lehrkräfte engagierten sich speziell in diesem Rahmen. 600 Mitarbeiter aus 180 Betrieben waren daran beteiligt. Das ist meines Erachtens ein beachtlicher Beleg für das in diesem Bereich von Jahr zu Jahr zunehmende Engagement in Baden-Württemberg.

Es gibt eine Vielzahl von beachtlichen Projekten: KURS 21 – Kooperationsnetz Unternehmen der Region und Schulen –,

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

ein Projekt, das seit einigen Jahren sehr erfolgreich läuft, bei dem verbindliche Kooperationen zwischen Unternehmen und weiterführenden Schulen abgeschlossen werden. Kürzlich haben wir in diesem Bereich die 100. Lernpartnerschaft ratifiziert – auch hier stellen wir eine kontinuierliche Steigerung fest. Ich erwähne das Kompetenzzentrum Ökonomische Bildung, bei dem die Unternehmensgruppe Würth eine wichtige, federführende Rolle einnimmt. Ganz neu konzipiert haben wir mit Mitteln der Landesstiftung ein neues Netzwerk Berufswahl-Siegel, über das wir eine Zertifizierung der besten Beispiele für Kooperationen zwischen Schule und Wirtschaft vornehmen und finanzieren wollen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass die bildungspolitische Bedeutung und die gesellschaftspolitische Bedeutung für alle Partner gleichermaßen mittlerweile fast zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Diese Entwicklung ist erfreulich. Erfreulich ist auch die Tatsache, dass durch intensive Kooperationsnetzwerke zwischen den weiterführenden Schulen und den Unternehmen vor Ort auch die Quoten des Übergangs direkt in den Ausbildungsmarkt erhöht werden.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Ich darf Ihnen ein konkretes Beispiel nennen, meine Damen und Herren. Ich habe kürzlich im Landkreis Karlsruhe eine Realschule besucht, die seit vielen Jahren mit örtlichen, aber auch mit überregionalen Unternehmen kooperiert und in diesem Sinne über eine gute Tradition verfügt. Diese Realschule kooperiert seit einigen Jahren mit über 30 Unternehmen. Wir gehen davon aus, dass landesweit etwa 30 % der Realschulabsolventen direkt nach dem Realschulabschluss einen Vertrag über eine duale Ausbildung abschließen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Das ist rich- tig!)

Wir wissen, dass es einen hohen Anteil der Realschulabsolventen gibt, der über die berufliche Bildung die allgemeine Hochschulreife anstrebt. An dieser Schule habe ich festgestellt, dass aufgrund dieses Netzwerks mit den Unternehmen die Übergangsquote nicht 30 %, sondern interessanterweise deutlich über 50 % beträgt.