Interessanterweise wirkt sich das – das muss man zugeben – bei manchen umstrittenen Punkten gar nicht so sehr aus, wie
man meint. Gelegentlich wird im Gefolge von Siegburg die Frage der Einzelunterbringung der Jugendlichen angesprochen. Es wird Sie vielleicht interessieren – soweit Sie es nicht schon wissen –, dass die Frage der Einzelunterbringung in unserem Entwurf und im Musterentwurf der neun Länder praktisch identisch geregelt ist. Kein Land – ich erwähne dies, weil manchmal so getan wird – schafft einen schlichten Anspruch des Jugendlichen auf Einzelunterbringung.
Das wäre übrigens auch nicht vernünftig, aus dem einfachen Grund: Wir müssen manche Jugendlichen zusammen unterbringen, und zwar schon allein aufgrund der Suizidgefahr. Zudem sollte man einen Suizidgefährdeten nicht gerade mit einem anderen Suizidgefährdeten zusammenlegen. Man braucht also noch jemanden, der bereit ist, mit einem Suizidgefährdeten gemeinsam in einer Zelle untergebracht zu werden. Schon deswegen darf man niemals einen unbedingten Anspruch auf Einzelunterbringung schaffen, und das macht auch niemand. Ich greife diesen Punkt aber deswegen heraus, weil manchmal so getan wird, als würden wir da einen Anspruch nicht erfüllen und andere würden ihn erfüllen. Das können wir also getrost ins Reich der Fantasie verweisen.
Umgekehrt ist es an der einen oder anderen Stelle sogar so, dass wir uns einen Anspruch leisten, den sich sonst gar niemand leistet. Wir haben beispielsweise in § 60 einen Anspruch der Jugendlichen auf Bildung, Ausbildung und sinnstiftende Arbeit formuliert. Diesen Anspruch im Gesetz zu formulieren hat sich bisher sonst niemand getraut. Die anderen betonen nur die Bedeutung.
Es bleibt dabei: Wir wollen den Anspruchscharakter nicht prägend werden lassen, sondern wir wollen etwas anderes. Wir haben z. B. ein System von Anreiz und Belohnung geschaffen. Die Jugendlichen können sich somit durch eigene Leis tung Fortschritte und attraktive Angebote erarbeiten. Aber sie können sie eben nicht mit Verweis auf das Gesetz beanspruchen.
Dieses System von Anreiz und Belohnung haben wir wie vieles, was ich jetzt angedeutet habe, erproben können, auch in unseren neuen Projekten. Auch für die neuen Projekte wird jetzt erstmalig eine rechtliche Grundlage geschaffen. Sie sind bundesweit einmalig. Kein Land konnte bisher diesem Weg folgen, den wir übrigens – das muss man auch sagen – insbesondere aufgrund der Landesstiftung und der Zukunftsoffensive Junge Generation beschreiten konnten;
sonst wäre das nicht möglich gewesen. Wir haben zwei Projekte, eines in Creglingen und eines in Leonberg, bei denen wir vieles ausprobieren können von diesen intensiven Trainingsprogrammen, von dem Sich-Beschäftigen mit den Jugendlichen, von dem Punktesystem, vom „Aufstieg“ innerhalb der Einrichtung. All das trägt dazu bei – wenn man das einmal auf ganz alte Art ausdrückt –, aus den jungen Menschen wieder ordentliche Mitglieder der Gesellschaft zu machen, die einen Sinn für eine bestimmte Ordnung und eine Struktur haben.
Ich habe die neuen Projekte erwähnt, für die jetzt die Grundlage geschaffen wird und über die wir uns freuen.
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, wenn wir bei den prägenden Merkmalen dieses Entwurfs sind, ist das Erziehungsziel. Das haben wir aus der Landesverfassung übernommen. Es steht ja auch so im Schulgesetz drin. Wir haben genau den Passus aus der Landesverfassung, der auch in das Schulgesetz aufgenommen wurde, in den Entwurf des Jugendstrafvollzugsgesetzes aufgenommen. Da sind als Ziele formuliert – ich fange jetzt in der Reihenfolge einmal von hinten an –: die Erziehung zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung, zu beruflicher und sozialer Bewährung, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit sowie die Erziehung in der Liebe zu Volk und Heimat. Aus Letzterem haben übrigens manche durch nachlässigen Journalismus die „Liebe zu Volk und Vaterland“ gemacht. Das ist natürlich ein absoluter Quatsch.
(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das waren die Wei- kersheimer! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Aber „Volk und Heimat“ ist etwas ganz anderes. Das ist vielleicht ein bisschen altmodisch ausgedrückt. Aber ich sage manchmal scherzhaft: Werten darf man ihr Alter durchaus ansehen. Wir führen bis heute alle zwei Jahre Heimattage durch. Natürlich hat das für uns Bedeutung.
Weitere Erziehungsziele sind die Friedensliebe und die Brüderlichkeit aller Menschen. Hinzu kommt ein Punkt, über den ebenfalls diskutiert wurde, nämlich die Erziehung in der Ehrfurcht vor Gott und im Geiste der christlichen Nächstenliebe. Hierzu muss man klar sagen: Es geht uns nicht um Belehrung oder gar Bekehrung, sondern allein um die Vermittlung von gemeinsamen Werten. Es ist eingewandt worden, das hätte ja keinen Sinn, weil 50 oder sogar 70 % dieser Jugendlichen gar nicht katholisch oder evangelisch seien. Wer diesen Einwand bringt, der hat – Verzeihung –
Klatschen Sie ruhig. – Auch wenn es religiöse Unterschiede gibt, kann man doch solche Bestimmungen nicht einfach aus dem Gesetz herausnehmen.
Vielmehr wollen wir, dass man sich mit ebendiesen Gedanken auseinandersetzt, dass man sich mit religiösen Fragen auseinandersetzt wie: Gibt es einen Gott? Wie sieht der aus? Sieht der für alle Menschen gleich aus?
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Vielleicht gibt es auch gar keinen! Das ist hier nicht berücksichtigt!)
Und hier gehen wir natürlich von unseren Vorstellungen aus. Das bedeutet aber nicht Intoleranz gegenüber anderen Vorstellungen. Was den Geist christlicher Nächstenliebe angeht, die wir den Heranwachsenden nahebringen wollen, so hat diese ihre Wurzeln schon in der frühchristlichen Kirche. Das muss man sehen.
Wenn diese Bezüge da sind, dann kann man sie natürlich auch nennen, damit man sich mit ihnen auseinandersetzt. Wenn sich jemand hinterher dann entschließt, gar nicht zu glauben, dann ist das ebenfalls seine persönliche Freiheit. Aber wenn wir über Werte diskutieren wollen, dann müssen wir sie auch mit Inhalt füllen. Das kann dann nicht nach dem Motto geschehen: Dichten kann ich, nur fällt mir nichts ein.
Da muss man also eine Vorgabe machen; und eben so ist dieser Passus gemeint. Ich bedaure, dass manche das im Vorfeld etwas missverstanden haben. Aber ich glaube, auch dort sind wir eigentlich alle, auch in den Diskussionen der Vergangenheit, nahe beieinander.
Damit bin ich auch schon beim Dank: Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die an diesem Gesetzentwurf konstruktiv mitgewirkt haben. Wir haben eine breit angelegte Anhörung durchgeführt. Wir haben dabei Anregungen bekommen, die wir teilweise aufgenommen haben, teilweise aber nach reiflicher Überlegung auch draußen gelassen haben. Wir danken jedoch allen, die sich über dieses Thema Gedanken gemacht haben. Wir haben diesen Entwurf natürlich wie üblich mit den Regierungsfraktionen abgestimmt. Ich danke an dieser Stelle aber auch den Oppositionsfraktionen, die ebenfalls Anhörungen durchgeführt haben, die für uns auch interessante Ergebnisse erbracht haben.
Wir stehen jetzt vor dem Abschluss dieses landesspezifischen Wegs zu einem Jugendstrafvollzugsgesetz, und ich würde mich freuen, wenn wir diesen Gesetzentwurf hier im Parlament von breiter Unterstützung getragen debattieren und verabschieden könnten.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Sie noch hier sind und nicht bereits in der Mittagspause, meine Damen und Herren!
Auch ich möchte mich, Herr Minister, im Namen der CDULandtagsfraktion für diesen Gesetzentwurf bedanken. Auch
für meine eigene Person als Strafvollzugsbeauftragter möchte ich mich für dieses Gesetz bedanken, das in der Hauptsache ja Ihr Haus ausgearbeitet hat, und bitte darum, diesen Dank weiterzugeben. Ich muss auch sagen, warum ich mich hierfür bedanken möchte: Dieses Gesetz ist ein sehr gutes und sehr gut lesbares Gesetz, Herr Oelmayer
und es ist sehr gut verständlich. Es kommt mit wenigen Verweisen aus und spricht in einzelnen Bereichen sogar Details an.
Dieser Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes stellt, wie der Herr Minister schon sagte, die Erziehung, Betreuung und Ausbildung unserer jugendlichen Gefangenen tatsächlich in den Mittelpunkt. Das Gesetz gibt den jugendlichen Gefangenen – und hier möchte ich ein wenig an den vorangegangenen Tagesordnungspunkt anknüpfen – ein Recht auf schulische Bildung, auf berufliche Bildung, auf sinnvolle Arbeit und auch auf das Training sozialer Kompetenzen.
Meine Damen und Herren, ich hätte bei dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt gern auch einen Redebeitrag gehalten. Erlauben Sie mir deshalb jetzt einen kleinen Schwenk: Es ist traurig, dass in unseren Vollzugsanstalten, insbesondere in den Jugendstrafvollzugsanstalten, die elementaren sozialen Strukturen erst mit viel Mühe erlernt und beigebracht werden müssen. Das heißt, dass in der Nacht geschlafen und morgens aufgestanden wird, dass dann gefrühstückt wird und anschließend gelernt oder gearbeitet wird. Diese Einsicht ist nicht immer unbedingt gegeben, und auch das hat möglicherweise etwas mit der Problematik zu tun, die wir vorhin angesprochen haben. Diese biologischen Grundsätze müssen die Bediensteten den Insassen mit großem Aufwand beibringen. Wir haben jedenfalls keinen „Liegendvollzug“, wie man immer so schön sagt, sodass die Gefangenen im Bett liegen bleiben könnten und die Fenster geschlossen bleiben. Nein, in diesem Jugendstrafvollzugsgesetz ist ein Erziehungsplan eingebaut.
Ich sage Ihnen: In unseren Jugendhaftanstalten können und müssen die jungen Menschen einen Schulabschluss machen: einen Hauptschulabschluss oder einen Realschulabschluss; wir haben aber auch Bereiche, in denen viele Jugendliche einen Abschluss mit der Hochschulreife machen.
Was sie auch machen können, dürfen und müssen, wenn sie gesundheitlich dazu in der Lage sind, ist eine berufliche Ausbildung. Unsere Vollzugsanstalten bieten eine vorbildliche berufliche Ausbildung. Wir haben vor ca. zehn Jahren das vollzugliche Arbeitswesen eingeführt. Das ist bundesweit einmalig. Bei uns lernt man die gängigsten Handwerksberufe, vom Schreiner über den Schlosser bis zum Maler, vom Elektriker über den Drucker bis zum Maurer. Als ich vor Jahren einmal sagte, bei uns hätten auch die Gesellenbriefe hohe Auszeichnungen und Prädikate, darunter auch die der Schlosser, gab es
in der Presse einen tollen Beitrag dazu. Es ist aber tatsächlich so: Diejenigen, die bei uns eine berufliche Ausbildung absolvieren, gehören mit zur Spitze der Gesellen im Land. Das ist einen Applaus wert. Es ist ein Verdienst von über 400 Handwerksmeistern und Lehrern, die dies schaffen.