Protocol of the Session on May 23, 2007

Hauptgrund für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes ist der Mittelstand und sind die Familienunternehmen in unserem Land.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber auch der Mittelstand, auch die Familienunternehmen in Baden-Württemberg sind nicht problemfrei. Aufgabe einer verantwortlichen Wirtschaftspolitik des Landes wie auch des Bundes ist es, die Probleme dieser Familienunternehmen zu erkennen und Vorsorge zu leisten.

Die Gründergeneration gerät in die Jahre, und so erwarten wir, dass innerhalb von jeweils fünf Jahren bis zu 16 % der badenwürttembergischen Unternehmen zur Übergabe anstehen. Aktuell kommen nur noch in 44 % der Fälle die Übernehmer aus der eigenen Familie.

Die Landespolitik hat diese Problemstellung erkannt und mit einem Strauß aus Maßnahmen darauf zu reagieren versucht. So gibt es ein Zwölfpunkteprogramm des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung der Unternehmensnachfolge. Es gibt eine Beteiligung am EU-Projekt „Next Business Generation“. Das ifex-Programm, früher im Landesgewerbeamt, wird heute im Wirtschaftsministerium weitergeführt. Die L-Bank hat bei der Universität Mannheim eine Studie zum Nachfolgegeschehen in Baden-Württemberg erarbeiten lassen. Das Land fördert die Übergabeberatung finanziell. Bei den Kommunen sind Übergabemoderatoren tätig. Es gibt Gründungs- und Wachstumsfinanzierungen durch das Land sowie Bürgschaften der Bürgschaftsbank.

Baden-Württemberg macht seine Hausaufgaben. Deshalb sind wir auch Deutscher Meister. Aber es gibt eben auch ein Mittelfeld und eine Abstiegszone, meine Damen und Herren. Hier muss der Bund tätig werden. Der Bund ist gefordert, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die baden-württembergischen Familienunternehmen nicht ins Mittelfeld oder in die Abstiegszone abrutschen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Hierbei ist das, was wir in Berlin als Entwurf der Großen Koalition zur Unternehmensteuerreform sehen, wenig hilfreich. Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich, meine Damen und Herren: Aus Sicht der FDP/DVP-Fraktion sind diese Entwürfe zur Unternehmensteuerreform nicht zustimmungsfähig.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Sehr richtig!)

Aufgabe des Bundes ist es, seine Pläne zur Unternehmensteuerreform mittelstandsfreundlich auszugestalten

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau! Nicht nur für die Großen!)

und Betriebsübergaben nicht zu erschweren. Doch das Gegenteil ist der Fall, auch wenn es einige positive Ansätze gibt. Die Große Koalition hat selbst festgestellt, dass Nachbesserungsbedarf vorhanden ist, und hat einiges in Nuancen neu justiert. Positiv ist auch, dass eine Entlastung der Unternehmen und der Bürokratie durch Einführung einer Zinsabgeltungssteuer geplant ist. Die Schwächen sind aber nach wie vor eklatant. Das heißt, die bisherigen Nachbesserungen sind nicht hinreichend.

Verpasst wurde beispielsweise eine Änderung der Strukturen des Unternehmensteuerrechts zur Schaffung eines international wettbewerbsfähigen Steuerrechts. Die Rechtsform- und die Finanzierungsneutralität werden bei der Besteuerung der Unternehmen eben nicht erreicht.

Verpasst wurde ein flexibles Umwandlungssteuerrecht, das betriebswirtschaftlich optimale Unternehmensstrukturen ohne steuerliche Belastungen ermöglicht. Genau dies erschwert Betriebsübergaben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Vor allem wurde eine Steuervereinfachung verpasst. Weitere Regelungen führen zu zusätzlichen Verkomplizierungen des Steuerrechts. Besonders bedauerlich ist aber, dass bei einem Entlastungsvolumen von rund 30 Milliarden € etwa 25 Milliarden € durch die Wirtschaft selbst refinanziert werden sollen. Dies betrifft ganz besonders unsere Zielgruppe.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: So ist es!)

Laut Bundeswirtschaftsministerium gibt es rund 250 000 Unternehmen in Deutschland, die zu groß für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags sind, aber auch nicht von der vorgesehenen Thesaurierungsrücklage profitieren können, weil sie bereits unterhalb des Steuersatzes von 30 % liegen. Fachleute sprechen daher von einer Mittelstandslücke.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Betroffen davon sind rund 30 000 Unternehmen in BadenWürttemberg. Viele davon stehen zur Übergabe an.

Meine Damen und Herren, CDU und SPD in diesem Haus können dies nicht wollen und sind aufgefordert, ihren Einfluss in Berlin deutlich zu machen, um diese Entwicklung zu verändern.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Eine Mittelstandslücke ist für die baden-württembergische Wirtschaft insgesamt dramatisch, für zur Übergabe anstehende Unternehmen aber ganz besonders.

Meine Damen und Herren, mehr zu den Schwächen dieses Entwurfs zur Unternehmensteuerreform in der zweiten Runde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Netzhammer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir alle haben mit Freude und Erleichterung zur Kenntnis genommen, dass die wirtschaftliche Entwicklung endlich greift – 2,7 % Wachstum im letzten Jahr –, dass der Aufschwung auf die Beschäftigung durchschlägt, dass die Steuereinnahmen steigen und dass das Vertrauen auch die Bundesbürger erreicht – laut „Politbarometer“ sehen inzwischen 61 % der Bürger den Gang der Wirtschaft äußerst positiv.

Bundesweit zum jetzigen Zeitpunkt 800 000 Arbeitslose weniger als im Vorjahr und 600 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr, obwohl 100 000 Arbeitsstellen abgebaut wurden, sind eine äußerst positive Bilanz und bedeuten konkret bessere Einkommen, bessere Zukunftschancen für 800 000 Menschen und ihre Familien.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dabei muss man sagen, dass sich diese positive Arbeitsplatzbilanz nicht gleichmäßig auf die Unternehmen verteilt, sondern dass vielmehr der Abbau der 100 000 Arbeitsstellen vorwiegend in den Großunternehmen und die Schaffung neuer Stellen vorwiegend in mittelständischen Unternehmen erfolgte. Das heißt konkret: Der Mittelstand ist Jobmotor in Baden-Württemberg. Aber der Mittelstand ist auch Jobmotor in Deutschland, Herr Rülke. Wir haben auch im übrigen Deutschland Mittelstand, nicht nur in Baden-Württemberg.

Entgegen der öffentlichen Berichterstattung, die oft, insbesondere dieser Tage, den Eindruck erweckt, alles, was wirtschaftlich relevant ist, finde in Großunternehmen statt, ist es tatsächlich so, dass die konkrete „Kleinarbeit“, die Schaffung von Arbeitsplätzen in vielen kleinen Unternehmen, im Handwerk und bei Freiberuflern stattfindet und damit dort vielen Menschen Existenzgrundlage verschafft.

Darüber hinaus gibt es auch noch Unternehmen, die über Generationen hinweg von derselben Familie geführt werden. Als Beispiel möchte ich ein Aushängeschild Baden-Württembergs nennen. In diesem Jahr wird in Freiburg „200 Jahre Verlag Herder“ gefeiert. Dieses Unternehmen wird in sechster Generation unternehmerisch erfolgreich geführt. Der Verlag hat derzeit drei Bücher in den Bestsellerlisten, darunter auch das erstplatzierte – Starautor: Papst Benedikt. Fünfmal ist die Unternehmensübergabe innerhalb dieser Familie erfolgreich geglückt, und dies auch in schweren Zeiten. Ich möchte dies ausdrücklich erwähnen, weil wir immer denken, die Zeiten seien im Moment besonders schwierig. Wenn wir 200 Jahre zurückschauen, stellen wir fest: Die Zeiten waren nicht immer besonders einfach.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es!)

Es gab seit dieser Zeit zwei Weltkriege, einen weiteren Krieg, die Weltwirtschaftskrise etc.

Unternehmen erhalten, Nachfolge sichern ist ein ganz wichtiges Ziel der CDU-Mittelstandspolitik in Baden-Württemberg und im Bund. 45 000 bis 60 000 Unternehmen stehen im derzeitigen Fünfjahreszeitraum zur Nachfolge an. Es gilt, 140 000 Arbeitsplätze auf diesem Weg zu sichern. Daher ist die Unternehmensübergabe natürlich auch ein wichtiges wirtschaftspolitisches Thema der Landespolitik.

Der Landtag hat sich 1999, Herr Dr. Rülke, durch die Mittelstandsenquetekommission sehr intensiv mit dem Thema Nachfolge/Übergabe beschäftigt – ich muss gestehen, es war für mich eines der spannendsten Themen überhaupt – und hat hierzu ein umfangreiches Paket von Empfehlungen verabschiedet, die dann letztendlich in das Zwölfpunkteprogramm

des Wirtschaftsministeriums eingeflossen sind und die auch Basis der Übergabeunterstützung sind.

Was ist entscheidend für eine erfolgreiche Übergabe? Entscheidend ist, dass sich der Unternehmer, der übergeben will, rechtzeitig mit diesem Thema befasst. Die Experten sagen, der Prozess dauere fünf bis zehn Jahre, bis er erfolgreich abgeschlossen ist. Es ist ganz wichtig, dass die Übergabe zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem das Unternehmen voll wettbewerbsfähig ist, zu dem es keinen Investitionsstau gibt, zu dem das Unternehmen sozusagen in Saft und Kraft steht. Man muss geeignete Nachfolger finden, man muss die Finanzierung sichern, man muss steuerrechtliche Fragen klären. Das alles wird unterstützt; Herr Dr. Rülke hat das Zwölfpunkteprogramm schon angesprochen.

Neu und anders ist, dass die Nachfolger nicht mehr in dem gleichen Ausmaß wie bisher innerhalb der Familie selbst gefunden werden können. In der Vergangenheit hat in rund drei Viertel aller Fälle einer der Söhne bzw. eine der Töchter das Unternehmen übernommen. Inzwischen gestaltet sich die Berufswahl anders, sind Lebensentscheidungen innerhalb der Familie andere, sodass in vielen Fällen externe Nachfolger gefunden werden müssen. Das ist ein ganz wichtiges und ganz schwieriges Thema, und das Land versucht, diesen Prozess durch Moderatoren zu unterstützen. Die größte Schwierigkeit liegt dabei in der Aufgabe, eine Person zu finden, die hierfür geeignet ist, die willens ist und die auch die erforderliche Finanzierung zustande bekommt, um das Unternehmen übernehmen zu können. – Das betrifft jetzt die eine Hälfte der Unternehmen, die übergeben werden.

Bei der anderen Hälfte der Unternehmen wird die Nachfolge familienintern geregelt. Die CDU-Fraktion möchte in der Tat nicht, dass solche möglichen Unternehmensübergaben im Endeffekt an der Belastung durch die Erbschaftsteuer scheitern. Deswegen hat die CDU ja auch im Bund, in der Regierungskoalition ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Möglichkeit schafft, die Erbschaftsteuer über zehn Jahre hinweg zu stunden, unter der Voraussetzung, dass das Unternehmen im Wesentlichen fortgeführt wird. Dafür ist ein Steuerausfall von 450 Millionen € bei den Ländern eingeplant. Dieses Gesetz wird also zu einer Entlastung führen; sonst hätten wir keinen Steuerausfall von 450 Millionen €. Es soll ja auch rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft treten.

Wir haben jetzt allerdings aufgrund der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts das Problem, ein neues Wertermittlungsverfahren einführen zu müssen. Dadurch hat sich die Sache verkompliziert. Hierauf werde ich in der zweiten Runde noch eingehen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Prewo.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schon allein die Tatsache, dass Unternehmensnachfolge zu einem Thema wird, ist eine Botschaft. Jeder erbt gern ein Aktienpaket, ein Haus in der Stadt, ein Grundstück oder ein Kunstwerk. Aber als Nachfolger ins

elterliche Unternehmen einzutreten oder sich durch Einstieg in ein bestehendes Unternehmen bzw. dessen Übernahme selbstständig zu machen, ist nicht mehr selbstverständlich. Wir haben die Zahlen gehört.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Woran mag das wohl liegen?)

Nur Geduld, junger Kollege. Ich komme gleich noch darauf.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Ministers Ernst Pfister)

Dabei gibt es in der Tat eine wachsende Zahl von Unternehmen, deren Leitung keine eigenen Nachkommen hat oder bei denen die Nachkommen die Nachfolge nicht antreten wollen. Gerade viele kleine Unternehmen wie Handwerksbetriebe, Büros und Praxen von Freiberuflern haben heute teilweise größte Mühe, geeignete Nachfolger zu finden. Diese Unternehmen sind jedoch die breite Basis des Unternehmertums bei uns im Land. Das betrifft nicht nur die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt; diese Unternehmen bergen auch wichtige Assets und Wirtschaftsgüter in unserem Land.