Protocol of the Session on May 23, 2007

Das zweite Argument war, bis 2010 werde nichts Neues gebaut. Das hat aber mit Stuttgart 21 überhaupt nichts zu tun. Wir finanzieren Stuttgart 21 erst ab 2010.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es! Frühes tens!)

Was vorher gemacht wird, läuft überhaupt nicht über uns.

Jetzt kommt der dritte Punkt, den ich für ganz schwierig halte. Ich halte Ihre Argumentationsweise, den Hochschulbau mit Stuttgart 21 zu verbinden, wirklich für ganz problematisch und sogar für unredlich, Herr Kollege Palmer.

(Beifall bei der SPD und der CDU sowie Abgeord- neten der FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Absurd! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Sehr polemisch!)

So könnten Sie nur argumentieren, wenn Sie die Neubaustrecke einbeziehen, wo wirklich baden-württembergisches Geld, landeseigenes Geld in einer Größenordnung von einer Dreiviertelmilliarde Euro als Zuschuss oder als Zins eingesetzt wird. Das ist unser Geld. Das könnten wir auch im Hochschulbau einsetzen. Aber die Dreiviertelmilliarde für die Neubaustrecke ist ja unter uns gar nicht strittig.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber die Vorfinanzie- rung sehr wohl! Die ist umstritten!)

Dann müssen wir darüber noch einmal diskutieren. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass auch die Vorfinanzierung nicht umstritten ist. Aber das wäre ein Punkt. Aber dass 600

Millionen € – und mehr zahlt das Land nicht – für andere Zwecke zur Verfügung stünden – das sind Nahverkehrsmittel, die Sie, weil das durchlaufende Gelder sind, niemals für den Hochschulbau verwenden können –,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Nie! – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: So ist es!)

können Sie doch hier der Öffentlichkeit nicht erzählen, Herr Kollege Palmer. Das ist unredlich.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Alfred Winkler SPD: Das sagt der Oberbürgermeister von Tübingen!)

Es ist auch unredlich, dass Sie nicht sagen, dass es Ihnen nicht nur um den Kopfbahnhof geht. Auch das ist unredlich. Das ist der letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte; es gäbe noch viele andere Dinge. Denn Sie müssen ja sagen, wie man dann nach Wendlingen kommt. Dann müssen Sie sagen, dass neue Gleise bis Mettingen verlegt werden müssen. Dann müssen Sie – ich sage es noch einmal – über unsere Gemüsefelder auf Stelzen in den Berg hinein. Das ist alles nicht geklärt.

Wenn ich jetzt die drei Blöcke niedrigst berechne, müssten Sie für die Sanierung des Kopfbahnhofs 800 Millionen bis 1 Milliarde € ausgeben, für die Schienenlegung bis in den Berg hinein 1,1 Milliarden € und dann noch 300 Millionen € – Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln – für die Schleife. Dann sind Sie bei 2,4 Milliarden € gegenüber 2,8 Milliarden € für Stuttgart 21.

Unsere Planung ist umweltfreundlicher und menschenfreundlicher, weil nicht oberirdisch gebaut wird, sondern die Gleise durch den Tunnel gehen. Da frage ich mich, warum Sie hier eigentlich für den Kopfbahnhof argumentieren. Das ist völlig unnötig.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Insgesamt – ich sage es einfach noch einmal, weil man vielleicht in der zweiten Runde auch noch etwas zu Stuttgart 21 sagen kann, nichts Kritisches – –

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Vorgezogene In- itiative!)

Ach, dann muss ich länger reden.

(Heiterkeit bei der SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Richtig!)

Der Verwaltungsgerichtshof hat Folgendes festgestellt – und darüber reden Sie auch nie –: Das Konzept Stuttgart 21 ist eine deutlich verbesserte Variante der Modernisierung des Bahnhofknotenpunkts Stuttgart und des Konzepts K 21. S 21 bringt deutlich mehr Verkehr auf die Schiene; S 21 bringt Regional- und Fernverkehre leistungsfähiger, flexibler und weniger störanfällig auf die Schiene; es gibt eine bessere Anbindung des Filderraums und des Flughafens; es stellt ein wesentlich attraktiveres Angebot im europäischen Hochgeschwindigkeits

netz dar. Das ist festgestellt. Deswegen war Ihre Rede dieselbe alte Leier, die Sie hier immer wieder bringen. Ich habe gedacht, heute bringen Sie in einer Ihrer letzten Reden einmal wirklich etwas Neues.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Herr Kollege, das ist keine Frage von Gerichten!)

Worüber wir reden müssen, Herr Minister – Sie werden dazu ja nachher auch etwas sagen –, ist, dass es für uns bei Stutt gart 21 noch zwei Bereiche gibt, die wir übernächste Woche auch mit dem Verkehrsminister in Berlin besprechen werden und an denen wir dran sind.

Das ist zum einen, dass die Mittel in Höhe von 500 Millionen €, die der Bund für Stuttgart 21 gibt, natürlich indexiert werden müssen. Das heißt, der Bund muss diese Beträge entsprechend den Preissteigerungen und der Verteuerung von Leistungen erhöhen, so wie er es bei anderen Zuschüssen auch tut. Das ist ganz wichtig. Das wurde von unser Seite aus damals auch in einem Gespräch zwischen Frau Vogt, dem Herrn Minister und mir angesprochen. Es wurde notiert, und wir gehen davon aus, dass der Bund das macht.

Denn eines ist klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Vorvereinbarung von 1995 legt uns bei Stuttgart 21 natürlich erhebliche Fesseln an. Damals hat das Land Baden-Württemberg anerkannt, dass der Bund lediglich 456 Millionen € selbst finanziert, obwohl er eigentlich für den Streckenausbau zuständig ist. Wir bauen eine nagelneue Strecke von Feuerbach bis Wendlingen; das sind 30 km. Die Kosten hierfür liegen bei etwa 1,3 Milliarden €. Das müsste der Bund bezahlen. Man hat aber in diesem Vertrag von 1995 festgelegt, dass er nur diese 456 Millionen € bezahlt. Deswegen können wir daran nichts ändern. Aber wir sind der Auffassung, der Bund muss wenigstens das zulegen, was der Preissteigerungsrate entspricht.

Zweitens: Wir Sozialdemokraten hätten erhebliche Bedenken und würden da auch nicht mitmachen, Herr Ministerpräsident, wenn beabsichtigt würde, den Bund von seinen Kosten im Bereich von 500 Millionen € zu entlasten und das möglicherweise der Bahn aufzulasten, und die Bahn diese 500 Millionen € dann aus Sanierungsmitteln aufbringen würde.

(Zuruf)

Das stand in allen Zeitungen. – Dies wäre ganz gefährlich; denn wir würden den Bund dann völlig aus seiner Verpflichtung für eine neue Strecke von 30 km Länge entlassen – bei der er sich ohnehin lediglich mit der Hälfte an der Finanzierung beteiligt. Wenn man ihn dort auch noch aus seiner Verantwortung entlässt, wäre das für das Projekt insgesamt hochgradig gefährlich. Deswegen legen wir Wert darauf, dass der Bund drinbleibt, und zwar – das werden wir in Berlin auch mehrfach einfordern – mit einer Indexierung, sodass er also mehr bezahlt. Wir kommen jedoch aufgrund des Vertrags von 1995, den eine der früheren Regierungen Baden-Württembergs so beschlossen hat, anders nicht voran.

Insgesamt stehen wir zu dem Projekt. Wir sagen aber auch, Herr Ministerpräsident Oettinger: Zu diesen Bereichen muss man jetzt auch stehen. Man darf die Leistungsfähigkeit unseres Landes nicht überbeanspruchen, weder bei Stuttgart 21

da halten wir das Land nicht für überfordert – noch – und das ist ganz wichtig – bei der Neubaustrecke. Da muss man mehr fechten, sonst werden wir eines Tages sagen: Es wird zu viel Geld vom Land ausgegeben.

Bisher stehen wir dazu, und wir wollen diese Sache auch, aber wir wollen Ihnen doch für die neuen Verhandlungen mit auf den Weg geben: Sie müssen da mehr für die Interessen des Landes einstehen; denn Baden-Württemberg kann nicht alles bezahlen. Es muss angemessen an den Kosten beteiligt werden, aber nicht zu stark.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was für den Schiffsverkehr der Suez- oder der Panamakanal ist, sind für den Schienenverkehr in Europa die Magistralen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Unruhe bei der SPD – Abg. Boris Palmer GRÜNE schüttelt den Kopf.)

Vor allem sind sie bei uns in Baden-Württemberg Standortsicherung.

Zum wiederholten Mal, meine Damen und Herren, diskutieren wir heute auf Antrag der Grünen, die in dieser Angelegenheit ganz offensichtlich lernunfähig sind, das Thema „BadenWürttemberg 21“. Sie haben richtig gehört: nicht Stuttgart 21, sondern Baden-Württemberg 21.

Der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP stellt wiederholt klar, dass das Konzept, und zwar das Gesamtkonzept Neubaustrecke und Durchgangsbahnhof Stuttgart mit Messe und Filderbahnhof, eine Einheit bildet. Und da reichen die Kleinkaros von Ihnen, Herr Kollege Palmer, nicht.

Ich werde auch nicht auf diese Kraut-und-Rüben-Darstellung, die Sie gerade geboten haben, eingehen. Ich finde es hervorragend, wie Sie, Herr Drexler, diese Fakten hier noch einmal klargestellt haben.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Für die Platzierung des Landes im zusammenwachsenden Europa ist dies ganz besonders bedeutsam und aus struktur- und landespolitischen Gründen von elementarer Bedeutung. Wenn wir dieses Gesamtprojekt nicht verwirklichen, geraten wir in den Verkehrsschatten, und zwar für die nächsten Jahrhunderte.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Bei der Hauptversammlung der Initiative „Magistrale für Europa“ am 20. April dieses Jahres im Münchner Rathaus wurde im Beisein fast aller Oberbürgermeister der betroffenen Städte – leider ohne den Oberbürgermeister der Landeshaupt

stadt Stuttgart – unter Berücksichtigung der EU-Koordinatoren Professor Balázs und van Miert sowie mit dem bayerischen Staatsminister Huber, dem Vorstand der Deutschen Bahn AG Dr. Wiesheu und der Oberbürgermeisterin der Stadt Straßburg Fabienne Keller die Bedeutung für Europa und für Süddeutschland nochmals herausgestellt. Die Straßburger Oberbürgermeisterin hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass man – abgesehen von einem kleinen Teilstück im bayerischen Chemiedreieck vor Salzburg sowie einigen Tunnels in den Vogesen – bei der Magistrale Paris–Bratislava–Budapest befürchtet, dass der Verzögerer Stuttgart–Ulm und der Stuttgarter Bahnhof zum Nadelöhr der Ostwestverbindung Europas werden. Das kann es doch nicht sein!

(Beifall bei der FDP/DVP)

Es kann auch nicht sein, meine Damen und Herren, dass wir in der Planung in vielen Bereichen noch einmal mehr oder weniger zehn Jahre verlieren, um danach festzustellen, dass man von Paris über Frankfurt, Würzburg und Nürnberg – Nürnberg–München dauert eine Stunde und sechs Minuten; die Strecke ist ausgebaut – fährt und wir im Schatten bleiben.

Meine Damen und Herren, man baut in Frankreich 300 km TGV-Strecke in kürzester Zeit, man bohrt 60 km bei der Magistrale Antwerpen–Genua durch den Gotthard – und in Deutschland diskutiert man und diskutiert man. Man stellt seitens der Grünen Madigmacheranträge und beschäftigt sich mit Verhinderungsdiskussionen, wie wir das von Ihnen auch heute wieder vorgegeben bekommen haben.