Protocol of the Session on May 23, 2007

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 25. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Dr. Christoph Palmer und Werner Wölfle erteilt.

Krank gemeldet sind die Herren Abg. Jägel, Metzger und Reichardt.

Aus dienstlichen Gründen verhindert sind Herr Minister Professor Dr. Reinhart, Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch – heute Nachmittag – und Herr Minister Stratthaus – ebenfalls heute Nachmittag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 6. Mai ist unser Kollege Karl-Heinz Joseph völlig unerwartet im Alter von 52 Jahren verstorben. Erst sechs Wochen zuvor war er bei der Bürgermeisterwahl in Walldürn für eine dritte Amtszeit eindrucksvoll bestätigt worden.

Dem Landtag von Baden-Württemberg gehörte Karl-Heinz Joseph seit April 2006 als Mitglied an. Er engagierte sich insbesondere im Ausschuss für Ländlichen Raum und Landwirtschaft und war forstpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Bei seiner Parlamentsarbeit war sofort spürbar: Karl-Heinz Joseph wollte seine langjährig gewachsene Kompetenz und seine echte Passion speziell in Fragen des ländlichen Raums zum Wohle aller pragmatisch und ergebnisorientiert einbringen.

Im Landtag hat er aber nicht nur durch seine Fachkenntnisse, sondern ebenso durch sein konstruktives und kollegiales Verhältnis zum politischen Gegner beeindruckt.

Wir werden Karl-Heinz Joseph stets in Hochachtung gedenken und wollen dies durch eine Schweigeminute zum Ausdruck bringen.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich danke Ihnen.

(Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

An die Stelle von Herrn Karl-Heinz Joseph sind Sie, Herr Kollege Nelius, getreten, und zwar mit Wirkung vom 18. Mai 2007. Ihre Gemütslage ist in dieser Stunde sicherlich zwiespältig. Ich möchte Sie aber im Namen des gesamten Hauses

herzlich willkommen heißen und Ihnen einen guten Start und ein erfolgreiches Arbeiten wünschen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich heute einen besonderen Geburtstagsgruß ausbringen: Unsere Bundesverfassung, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, wird heute 58 Jahre alt. Es hat die verfassungsrechtliche Grundlage für den Aufbau der Bundesrepublik Deutschland gebildet und ist nach dem Ende der unglückseligen Teilung unseres Vaterlandes die Verfassung des wiedervereinigten Deutschland geworden.

Es hat sich, wie ich meine, als rechtliches Fundament für ein demokratisches, freies und rechtsstaatliches Gemeinwesen in seiner bald 60-jährigen Existenz erfolgreich bewährt.

Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie eine Vorschlagsliste der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD für Umbesetzungen in verschiedenen Ausschüssen (An- lagen 1 und 2). Ich stelle fest, dass Sie den vorgeschlagenen Umbesetzungen zustimmen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vervielfältigt vor. Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überweisungsvorschlägen zu. – Auch dies ist so beschlossen.

Im Eingang befinden sich:

1. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2007, Az.:

2 BvR 840/06 und 841/06 – Verfassungsbeschwerden wegen der Höhe des Barbetrages (Taschengeld) im Maßregelvollzug

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

2. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2007, Az.:

1 BvR 370/07 – Verfassungsbeschwerde gegen Vorschriften des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen wegen Einführung neuer Befugnisse zur Überwachung des Internets und des Zugriffs auf informationstechnische Systeme („Online-Durchsuchung“)

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

3. Schreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2007, Az.:

1 BvR 595/07 – Verfassungsbeschwerde gegen Vorschriften des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen wegen Einführung neu

(Präsident Peter Straub)

er Befugnisse zur Überwachung des Internets und des Zugriffs auf informationstechnische Systeme („Online-Durchsuchung“)

Überweisung an den Ständigen Ausschuss

Wir treten damit in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und Antwort der Landesregierung – Stuttgart 21 und Neubaustrecke Stuttgart–Ulm – Drucksache 14/557

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: fünf Minuten je Fraktion in der Aussprache und fünf Minuten für das Schlusswort der antragstellenden Fraktion.

In der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Boris Palmer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich rechne mit dem Zwischenruf „Gott sei Dank!“, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass dies meine letzte Rede in diesem Parlament

(Unruhe – Beifall des Abg. Andreas Hoffmann CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wieder einmal daneben! – Abg. Alfred Winkler SPD: Fishing for compliments!)

und damit auch die letzte Rede zum Thema Stuttgart 21 ist.

Meine Damen und Herren, ich möchte es heute dabei belassen, Ihnen einige Fragen zu stellen; denn ich weiß, dass ich weder Sie von der SPD-Fraktion noch Sie von den Regierungsfraktionen überzeugen kann. Sie halten unverbesserlich an Stuttgart 21 fest. Aber vielleicht nehmen Sie zumindest einige Fragen in die bevorstehende Entscheidung mit.

Ganz aktuell und neu aus den Antworten der Landesregierung: Wie kann es sein, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung, die Ihr Minister Tiefensee im letzten Herbst noch als völlig ungenügend und als „Grobzahlen“ charakterisiert hat, jetzt in unveränderter Form – so die Auskunft der Landesregierung – vollständig vom Bundesverkehrsministerium akzeptiert wird? Wenn es damals Grobzahlen waren, frage ich, was zwischenzeitlich passiert ist, sodass jetzt plötzlich alles in Ordnung ist.

(Zuruf von der SPD: Wir waren in Berlin! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Gehirnwäsche!)

Ein Zweites: Die Landesregierung beruft sich darauf, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung ein Betriebsgeheimnis der Deutschen Bahn sei, und weigert sich deswegen, sie vor dem Parlament offenzulegen. Wie kann dies sein bei einem Projekt, bei dem die Deutsche Bahn höchstens 10 % der Gesamtkosten durch Eigenmittel finanziert? 90 % der Investitionen werden durch Steuermittel direkt beglichen, und die Bahn beruft sich auf ein angebliches Betriebsgeheimnis! Wo bleibt das Parlament, wenn wir die Fakten nur über die Presse und nie hier durch die Regierung zu Gesicht bekommen?

(Beifall bei den Grünen)

Drittens, meine Damen und Herren: Wie kann es sein, dass der Bundesverkehrsminister mir in diesen Tagen einen Brief schreibt, in dem er feststellt, die Alternative zur Modernisierung des Kopfbahnhofs sei nie ausreichend geprüft worden, sie würde zu prüfen sein, wenn die Landesregierung und die Bahn – weil es nicht ein Projekt des Bundes, sondern ein Projekt dieser Beteiligten Stadt, Bahn und Land sei – eine solche Prüfung wollten, anderenfalls werde sie nicht erfolgen? Wie kann es sein, dass bei einer solch wichtigen Infrastrukturinvestition Alternativen nicht sinnvoll geprüft werden?

Einige generelle Fragen – nicht aktuell, sondern generell – zu diesem Projekt: Ich habe bis heute nicht verstanden, warum Stuttgart 21 von einem Verkehrsprojekt zu einem religiösen Projekt wurde, warum dieses Projekt zu einer Glaubensfrage mutiert ist, bei dem mit Erfindungen operiert wird und Argumente keine Rolle mehr spielen,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

bei dem behauptet wird, dass hier eine Schicksalsentscheidung für das Land anstehe – eine Schicksalsentscheidung für das Land kann die Frage der Untertunnelung des Bahnhofs sicher nicht sein –, bei dem frei erfunden wird, unser Land werde vom Hochgeschwindigkeitsverkehr abgehängt, wenn wir nicht endlich unseren Bahnhof vergraben würden, bei dem behauptet wird, Kopfbahnhöfe würden von Fernverkehrszügen nicht mehr angefahren, obwohl Frankfurt, München und Leipzig auch Kopfbahnhöfe haben und obwohl der TGV ab 10. Juni regelmäßig nach Stuttgart fahren wird, und zwar in den Kopfbahnhof, und das ohne einen Zeitverlust.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das stimmt doch nicht!)

Herr Kollege Noll, der Unterschied zu Stuttgart 21 beträgt zwei Minuten Fahrzeit, mehr nicht! Zwei Minuten, und Sie leiten davon eine Schicksalsfrage ab!

Wie kann es sein, dass ein Projekt, das dem Land in seiner Gänze schadet und bestenfalls in Stuttgart Flächen freimacht, von Ihnen als „Baden-Württemberg 21“ bezeichnet wird, nur um zu verdecken, wie wenig es dem Land nützt? Wie kann all dies sein? Ich verstehe es nicht.