Protocol of the Session on April 26, 2007

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Wir haben inzwischen schon eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht. Wir müssen aber weitermachen. Wir brauchen einen weiteren Stellenabbau, wir brauchen eine effizientere Verwaltung. Wir müssen prüfen, welche Aufgaben das Land tatsächlich erledigen muss und welche – auch wenn es vielleicht vor 40 Jahren richtig gewesen ist, dass sie das Land wahrgenommen hat – heute nicht mehr vom Land erfüllt werden müssen. Daran müssen wir weiterarbeiten. Aber

wir müssen auch sicherstellen, dass unsere Beamten leistungsfähig bleiben, dass wir weiterhin gute Beamte gewinnen können. Dazu muss auch der öffentliche Dienst weiterhin attraktiv bleiben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Fleischer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die sogenannte Pensionslawine kommt immer stärker ins Rollen. Der Anstieg der Versorgungsausgaben ist schon jetzt enorm. In der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung haben wir deshalb für jedes Jahr fast 100 Millionen € mehr für Versorgungsaufwendungen vorgesehen als im Jahr zuvor.

Derzeit haben wir ca. 86 000 Versorgungsempfänger im Land, für deren Versorgung und Beihilfe wir etwa 3 Milliarden € aus dem Landeshaushalt aufzubringen haben. 2020 werden es voraussichtlich schon 140 000 Versorgungsempfänger sein, für die wir mit ca. 5,9 Milliarden € knapp das Doppelte an Versorgungsleistungen bereitstellen müssen. Angesichts dieser Größenordnung und der Unvermeidbarkeit der Belastungen für künftige Haushalte muss gehandelt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir handeln auch,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es!)

und zwar nicht erst seit dem letzten Mittwoch, als wir uns im Koalitionsausschuss die Errichtung eines Pensionsfonds im Jahr 2008 vorgenommen haben. Vorsorgemaßnahmen wurden schon vor Jahren eingeleitet; das werde ich nachher auch noch kurz ausführen. Der nun beschlossene Pensionsfonds ist ein weiterer entscheidender Baustein dieser Vorsorge.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Die günstige Entwicklung bei den Steuereinnahmen bietet die Gelegenheit, den Aufbau eines Pensionsfonds ohne zusätzliche Schulden in Angriff zu nehmen. Wir peilen eine kombinierte Lösung an: sowohl die Nullnettoneuverschuldung in wenigen Jahren als auch den Aufbau dieses Pensionsfonds.

Hinzu kommt, dass wir uns dies jetzt auch rein finanztechnisch erlauben können, weil die Rendite des angelegten Geldes bei entsprechender Laufzeit in den letzten Jahren höher gewesen ist als das, was wir an Zinsen zu zahlen hatten. Das war auch schon anders, und das kann auch wieder anders werden. Die Entwicklung mag immer wie eine Sinuskurve verlaufen. Aber die jetzige Situation, die wir seit einigen Jahren erleben und die auch noch andauern wird, lässt es uns richtig erscheinen – zumal wir im Jahr 2011, also in wenigen Jahren, sowieso die Nullverschuldung erreicht haben werden –

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die Nullver- schuldung leider noch nicht!)

die Nullnettoneuverschuldung –, diese doppelte Lösung so anzugehen.

Auf Details der möglichen Ausgestaltung des Pensionsfonds möchte ich an dieser Stelle noch nicht eingehen. Nur so viel: Verschiedene Modelle sind hierbei möglich. Nachdem wir den Pensionsfonds aus Steuermehreinnahmen 2007/2008 mit ei nem Kapitalstock von 500 Millionen € auflegen, streben wir an, ab 2009 auch regelmäßige Zuführungen vorzunehmen. Wie diese Zuführungen im Einzelnen ausgestaltet werden und welche Beträge hierfür in Betracht kommen, werden wir bis zum Ende des Jahres in einem konkreten Konzept erarbeiten. Erste Eckpunkte dazu werden wir Ende Mai im Ministerrat besprechen. Die Ausgestaltung muss so haushaltsverträglich sein, dass das Ziel der dauerhaften Nullnettoneuverschuldung nicht gefährdet wird.

Es kommen weitere Maßnahmen hinzu. Der Pensionsfonds ist in der Tat ein wichtiger Baustein. Die Bewältigung des Problems der steigenden Versorgungslasten – ich nannte vorhin die Zahlen, die bis 2020 auf uns zukommen – kann letztlich aber nur durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen erreicht werden. Erste Maßnahmen zur Begrenzung der Versorgungsausgaben wurden bereits vor Jahren vorgenommen. Die Versorgungsrücklage, die Ende der Neunzigerjahre eingerichtet wurde, hat derzeit ein Volumen von 520 Millionen € und wird ab 2018 mit einem voraussichtlichen Gesamtvolumen von ca. 4 Milliarden € dazu beitragen, in den Jahren der höchsten Belastung den Haushalt zu entlasten. Die bereits eingeleitete Absenkung des Pensionsniveaus von 75 % auf 71,75 % der letzten Dienstbezüge wirkt ebenfalls deutlich entlastend. Die kürzlich beschlossene überproportionale Absenkung der Sonderzahlung für Pensionäre – auch davon wurde schon gesprochen – dämpft den Anstieg der Versorgungsausgaben.

Weitere Maßnahmen, meine sehr verehrten Damen und Her ren, sind geplant, um den steigenden Versorgungsausgaben zu begegnen. Die erweiterte Förderung der privaten Altersvorsorge gehört ebenso dazu wie die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die wir stufenweise angehen wollen. Darüber hinaus müssen wir entsprechend der demografischen Entwicklung auch langfristig noch in größerem Umfang Personal abbauen.

Das Land wird zukünftig nur dann politisch handlungsfähig sein und bleiben – das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen –, wenn es uns gelingt, den Haushalt dauerhaft zu konsolidieren, gleichzeitig jedoch auch die finanziellen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Die 500 Millionen €, die wir jetzt für die Jahre 2007 und 2008 in diesen Pensionsfonds hineingeben wollen, sind ein deutliches finanzpolitisches Signal, um diesen Aufgaben der Zukunft gerecht werden zu können.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich gehe davon aus, dass der Antrag durch die Aussprache erledigt ist. – Sie stimmen dem zu.

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales – Wie viel kos tet die Gesundheitsreform? – Drucksache 14/725

b) Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme

des Finanzministeriums – Auswirkungen der geplanten Gesundheitsreform auf die Landesbeamten – Drucksache 14/795

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Keine Angst, ich will Ihre Gesundheit nicht gefährden, indem ich Sie zu übermäßig langem Sitzen hier im Saal veranlasse.

Es handelt sich um zwei Anträge.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Beim ersten Antrag könnte man sagen, er sei Schnee von ges tern. Er ist es jedoch nicht. Denn die Tatsache, dass man wider besseres Wissen in Berlin eine Gesundheitsreform verabschiedet hat, die wirklich nichts verbessert, aber alles schlechter macht, sollten wir nicht in Vergessenheit geraten lassen. Vielleicht hat auch dieser Antrag ein bisschen dazu beigetragen, zu zeigen, dass wenigstens wir, das Land Baden-Würt temberg, uns – zumal auf einer solchen Datenbasis – nicht mitschuldig an einer fahrlässigen und falschen Reform gemacht haben. Wir haben eben nicht zugestimmt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Was die Auswirkungen betrifft, so lesen Sie doch einfach noch einmal die in der Stellungnahme aufgeführten unterschiedlichen gutachterlichen Zahlen dazu, was allein das Land Baden-Württemberg an zusätzlichen finanziellen Belastungen – und zwar nicht für den Steuerzahler, sondern für den Beitragszahler, für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land – zu tragen hat. Sie werden feststellen, dass diese gutachterlichen Zahlen zwischen 56 Millionen € und 1,6 Milliarden € variieren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Es kommt immer da- rauf an, wer die Gutachten bestellt!)

Das Ministerium selbst sagt: Alle diese Gutachten sind nicht valide. Das heißt, man hat ein Gesetzgebungsverfahren gemacht, indem man in einem finanziell überhaupt nicht abschätzbaren Umfang Veränderungen begonnen hat, von denen man weiß, dass sie erst in einem, in zwei oder in drei Jahren wirken werden. Ich halte es nach wie vor für verantwortungslos, auf einer solchen Grundlage vorzugehen. Denn die Gutachter sagen ja selbst: Das können wir alles gar nicht so umsetzen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Es gibt doch einen De- ckel!)

Zum zweiten Antrag – und ich glaube, der ist auch heute noch wirklich aktuell, gerade hinsichtlich der Frage, wie wir mit den Bediensteten des Landes, mit den Beamten umgehen –: Mir ist aufgefallen, dass auch hier im Land kein Mensch so richtig weiß, wie mit den gesetzgeberischen Maßnahmen der Bundestagsmehrheiten von CDU und SPD und der Bundesgesundheitsministerin bezüglich des Basistarifs für Privatversicherte zu verfahren ist und welche Auswirkungen das ganz konkret für unsere Beamten, aber auch für uns als Arbeitgeber und als für die Beihilfezahlungen Zuständige haben wird. Egal, bei wem Sie versuchen, Klarheit zu bekommen – Sie werden feststellen: Es ist schlicht und einfach nicht möglich.

Was als Einziges durch die Stellungnahme zu diesem Antrag bestätigt und herausgearbeitet wurde: Die Beamten, sofern sie privat versichert sind, werden als Bestandsversicherte auf jeden Fall Beitragssatzsteigerungen aufgrund des Basistarifs, der ja nicht risikogemäß kalkuliert werden kann, mitfinanzieren müssen. Es ist von einer Beitragssatzerhöhung von mindestens 10 % für die Privatversicherten – unsere privat versicherten Beamten – auszugehen.

Hinzu kommt laut Aussage der privaten Krankenversicherung die Regelung der Altersrückstellungsmitnahme aus dem Bestand mit einer zusätzlichen Belastung von 1 Milliarde € für das Gesamtsystem. Das heißt, für unsere Beamten wird es auf jeden Fall teurer.

Auch der dritte Punkt ist völlig eindeutig. Er betrifft das Thema „Beitragsfreie Mitversicherung von Kindern“. Es ist völlig richtig, dass das aus Steuermitteln erfolgen soll. Aber das bekommen die Beamten, wenn sie privat versichert sind, nicht. Ich gehe davon aus, dass es da Klagen geben wird, und zwar vor dem Verfassungsgericht, weil die Beamten genauso Steuern bezahlen, aber nicht in den Genuss dieser beitragsfreien Mitversicherung kommen. Das ist die dritte Benachteiligung unserer Beamten hier im Land.

Um die ganze Debatte nicht zu lange hinzuziehen, bin ich mit Herrn Staatssekretär Hillebrand erfreulicherweise dahin übereingekommen, dass wir versuchen wollen, einmal gemeinsam in Bezug auf alle Regelungen des Beihilferechts und die Regelungen nach dem neuen Gesetz zum Basistarif, der ja erst in anderthalb Jahren in Kraft treten wird, ganz konkret anhand von Einzelfällen durchzurechnen, was das erstens für unsere Beamten und zweitens für unseren Landeshaushalt bedeutet.

Jetzt komme ich zur letzten Bemerkung. Was könnte denn passieren? Beamte in der klassischen Vollversicherung, die aber nicht die vollen 100 % abdeckt, sondern nur das abdeckt, was die Beihilfe nicht übernimmt, werden in großer Zahl überlegen: Wechsle ich lieber zum Basistarif und habe dann niedrigere Beiträge, um diese Erhöhung um 10 % – ich habe sie vorhin geschildert – zu vermeiden? Die Frage wäre dann: Müssen wir nach heutigem Beihilferecht möglicherweise das, was diesem Beamten dann im Basistarif an Kosten nicht erstattet wird, aus Beihilfemitteln ausgleichen? – Das sind Fragen, auf die bislang noch niemand eine Antwort geben kann.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das sind Spekulati- onen!)

Sehen Sie, Herr Schmiedel: Weil ich all diese Spekulationen jetzt endlich einmal beendet haben möchte, rege ich an, dass wir uns im Land einmal gemeinsam – möglichst auch unter Einbeziehung der Vertretungen der Beamten wie Beamtenbund und Gewerkschaften – ganz konkret damit auseinandersetzen. Wir haben jetzt die Zeit dafür, denn es dauert ja noch eine Weile, bis die Reform in Kraft tritt. Da sollten wir Klarheit schaffen, und zwar auch für unsere Beamtinnen und Beamten – das gebietet die Fürsorgepflicht –, damit sie dann, wenn es so weit ist, wirklich wissen, was auf sie zukommt, und damit wir im Land wissen, was möglicherweise auf unseren Haushalt zukommt,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt spekuliert er! Vor- her hat er gesagt: „erstens, zweitens, drittens“, aber jetzt spekuliert er!)

und auf diese Weise den Folgen einer verfehlten Reform – das muss ich nach wie vor sagen –, der wir im Bundesrat Gott sei Dank nicht zugestimmt haben, konkret ins Auge sehen und unserer Fürsorgepflicht für unsere Beamtinnen und Beamten im Land nachkommen können.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Teufel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der in der Gesundheitsreform erzielte Konsens ist besser als sein Ruf. Die Leistungsverbesserungen in der Gesundheitsreform stellen auch eine Chance für unser Land Baden-Württemberg dar, Stichworte MutterKind-Kuren und Impfungen.