Wir unterstützen die Landesregierung in diesem Bemühen mit allem Nachdruck, und wir wollen auf diesem Weg gemeinsam fortfahren. Nur einen Weg zuzulassen, wie Sie das wollen, wäre nicht nur nicht liberal, sondern wäre auch – wie gerade in der Bildungspolitik fast immer – nicht sachgerecht. Wir wollen mehr Autonomie, mehr Selbstständigkeit, mehr Delegieren nach unten und kein Diktat von oben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesverfassung verpflichtet uns zur Förderung jedes jungen Menschen gemäß seiner Begabung.
Unsere Schulen müssen allen Kindern gerecht werden: jenen, die sich schwertun, aber auch den Kindern, die herausragende Begabungen haben.
Wir bekennen uns nachdrücklich zu dieser Verpflichtung, und das seit Jahrzehnten. Seit Mitte der Achtzigerjahre haben wir Schritt für Schritt die Begabten- und Hochbegabtenförderung aufgebaut und weiterentwickelt. Der Weg war richtungweisend, und dies bereits in einer Zeit, als die Förderung besonders begabter und hochbegabter Schülerinnen und Schüler geradezu noch als anstößig galt.
Am Ziel sind wir nicht. Das Ziel ist der flächendeckende Ausbau eines speziellen Bildungsangebots in Form von Zügen an Gymnasien. Das sage ich ganz offen. Wir haben für das laufende Schuljahr sowie für das nächste und das übernächste Schuljahr einen Stufenplan beschlossen. Aber der Weg liegt klar vor uns, und er ist im Ergebnis definiert.
Wir haben ein gutes Stück Weg zurückgelegt und dabei Meilensteine gesetzt: von der ersten Fördermaßnahme der Arbeitsgemeinschaften für besonders Begabte und Befähigte, die vielerorts mit kommunaler und privater Unterstützung zu Akademien ausgebaut wurden, bis hin zu den Seminaren, dem Schülerforschungszentrum Südwürttemberg in Bad Saulgau, das bundesweite Anerkennung genießt, und der vielgestaltigen Wettbewerbskultur in den Schulen unseres Landes. All das sind wertvolle und vorbildliche Ergänzungen in der Begabten- und Hochbegabtenförderung. Auch die Beiträge aus dem nicht staatlichen Bereich, das Engagement diverser Stiftungen, die
Hector-Seminare der Hector-Stiftung sowie das Kepler-Seminar der Robert Bosch Stiftung will ich hier ausdrücklich erwähnen. Hier wird hervorragende und beeindruckende Arbeit geleistet.
Diese Förderung durch außerunterrichtliche und außerschulische Angebote, die Förderung durch sogenanntes Enrichment, ist wichtig. Das sind zusätzliche und ergänzende Angebote.
Genauso wichtig ist das andere Förderprinzip, das der Beschleunigung, der Akzeleration. Es ermöglicht Hochbegabten, das Pflichtpensum in der Schule schneller zu durchlaufen: in der Grundschule durch eine frühere Einschulung, durch das Überspringen von Klassen, durch die Grundschulempfehlung am Ende von Klasse 3; dann am Ende der Schullaufbahn z. B. durch das Schülerstudium.
Mir ist nicht einsichtig, dass jemand Schülerakademien und Schülerstudium lobt – das hat die Kollegin Rastätter getan, und das tut auch ihre ganze Fraktion –, gleichzeitig aber Förderangebote kritisieren kann, die beide Förderprinzipien konzeptionell miteinander verbinden, wie beispielsweise das Landesgymnasium für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd und die neuen Hochbegabtenzüge an den Gymnasien.
Wer hier von Sortierung, Separierung und Privilegierung der Kinder spricht und damit gezielt Missgunst unter den Eltern schürt,
weil er eine vielgestaltige Hochbegabtenförderung als Sackgasse bezeichnet, und stattdessen eine ideologische Einbahnstraße fordert, der verkennt schlichtweg die Realität oder kennt sie gar nicht.
Ich habe in der vergangenen Woche hier in Stuttgart am Karlsgymnasium eine der neuen Hochbegabtenklassen besucht. Ich habe mir Zeit genommen, und ich habe mit allen am Schulleben Beteiligten gesprochen: mit dem Schulleitungsteam, mit den Lehrerinnen und Lehrern, mit den Eltern. Ich habe auch den Unterricht der Hochbegabten-Fünftklässler besucht bzw. habe mich daran beteiligt.
Denn ich musste auch erkennen, dass es, wenn ein Minister nur zusieht und zuhört, von diesen Kindern einfach nicht akzeptiert wird. Die haben mich in ihren Unterricht mit einbezogen und gesucht, wo denn die Lücken sind.
Es hat sehr geholfen. Jede Form von Erkenntnis hilft, Frau Haußmann – bei Ihnen vielleicht ein bisschen langsamer, aber es hilft auf jeden Fall.
Wer selbst gehört hat, wie sprachlich differenziert sich diese Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren über komplexe Sachverhalte äußern und diese auch kritisch hinterfragen, wer mit eigenen Augen gesehen hat, wie sie sich gegenseitig helfen – ein Pädagoge würde sagen, wie sie in der Gruppe Mentorenaufgaben übernehmen –, wer erlebt hat, wie soziales Lernen stattfindet und wie aus 27 Einzelkämpfern – wie es eine Lehrerin formulierte – eine gute Klassengemeinschaft zusammenwächst, wer mit Lehrerinnen und Lehrern gesprochen hat, die aufzeigen, wie sie für die hochbegabten Kinder innovative Unterrichtskonzepte gestalten, die sie auch in Parallelklassen durchführen, wer mit Eltern geredet hat, die für diese schulischen Angebote dankbar sind, die – mit den Worten einer Mutter – „ihren Sohn, auch die gesamte Familie und die Geschwister, aufblühen lassen“, der ist wie ich überzeugt davon, dass hier etwas wirklich Sinnvolles geschaffen wurde.
Ansonsten bin ich auch bei den Kritikern zuversichtlich, denn durch Irren lernt man. Wer seine Augen konsequent vor der Wirklichkeit verschließt, wer von einer bildungspolitischen Sackgasse spricht, weil das eigene Weltbild vorgibt, dass nicht sein darf, was nicht sein soll, dem kann ich nur weitergeben, was am vergangenen Donnerstag eine Mutter – nicht aus der Hochbegabtenklasse – zu mir sagte: „Schicken Sie doch diese Politiker, die von Segregation und Aussortierung von Schülern sprechen, zu uns an die Schule, damit sie die Realität sehen.“
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Die- ter Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: Jawohl! Bravo! – Glocke des Prä- sidenten)
Herr Minister, teilen Sie meine Auffassung, dass auch viele andere Schülerinnen und Schüler in diesen kleinen Klassen mit zusätzlichen Deputaten und individuellen Konzepten für ihre jeweilige Begabung aufblühen würden?
Ich habe gerade von einer Schulklasse berichtet, die 27 Schüler hat. Vielen Dank, dass Sie das für eine kleine Klasse halten. Dann sind wir ja in vielen Dingen gar nicht mehr so weit auseinander.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: War das schon die Antwort? – Abg. Norbert Zeller SPD: Hochbegabtenklassen sind deutlich kleiner!)
Es ist bei Weitem nicht so, dass wir sagen würden: Nur so geht es. In der Hochbegabtenförderung gibt es keinen Königsweg. Hochbegabte Kinder sind unterschiedlich. Daher brauchen sie auch unterschiedliche Rahmenbedingungen, um ihre Begabungen entfalten und in Leistung umsetzen zu können.
Eine begabungsgerechte Förderung ist in der Tat – da sind wir uns einig – Aufgabe jeder Schule. Aber es gibt Familien, die wirklich dankbar sind, dass sie für ihr hochbegabtes Kind entweder im Internat oder in einer Hochbegabtenklasse ein besonderes schulisches Angebot finden. Keine Familie wird gezwungen, sich für den einen oder den anderen Weg zu entscheiden. Sie haben die Möglichkeit, das Richtige für ihr Kind zu suchen. Das steht diesen Kindern wohl zu.
In der Hochbegabtenförderung gibt es auch nicht den Scheideweg in die breite, ebene Straße der Hochbegabtenklassen oder einen steinigen, schmalen Weg der integrativen Förderung, sondern wir haben die Möglichkeit – ich habe deswegen vorher die Seminare erwähnt –, dass an vielen Orten Elemente von Hochbegabtenförderung auch über die Schule hinaus organisiert werden. Ich bin für alle diese Initiativen sehr dankbar.
Die Einrichtung von Hochbegabtenklassen ist ein Schulversuch. Es geht um eine grundlegende pädagogische Neuausrichtung von Schule, weg von einer Pädagogik, die sich an Defiziten orientiert, hin zu einer Pädagogik, die die Stärken des Kindes zum Ausgang nimmt.
Deshalb ist eine vielgestaltige Hochbegabtenförderung immer Teil der Schulentwicklung. Im Mittelpunkt einer guten schulischen Förderung, auch der Hochbegabtenförderung, steht keine ideologische Ausrichtung, sondern im Mittelpunkt steht das Kind.
Ich bitte Sie sehr, die Aufforderung, die ich Ihnen aus dem Karlsgymnasium überbracht habe, ernst zu nehmen. Schauen Sie sich vor Ort um! Dann werden Sie sich ein richtiges Bild machen können. Ich glaube, dass wir das Richtige für die