Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Rechnungshof moniert erneut deutliche Defizite bei der Besteuerung von Erb- und Schenkungsfällen“ – das ist die Überschrift einer Pressemitteilung des Rechnungshofs vom Januar 2006. Wir haben bei diesem Thema also erhebliche Defizite festzustellen. Diese wurden auch in einer Beratenden Äußerung des Rechnungshofs dargestellt und schließlich im Finanzausschuss beraten. Allerdings hat sich für uns bei den Beratungen im Finanzausschuss gezeigt, dass noch einige Fragen offen sind, und das ist der Hintergrund unseres Antrags.
Tatsache ist: Die Erbschaftsteuer ist mit einem Volumen von ca. 700 Millionen € eine der großen Landessteuern, und wir können auf diese Mittel nicht verzichten.
Tatsache ist weiter, dass wir eine Generation haben, die in den nächsten Jahren nach Schätzungen bundesweit Vermögen in Höhe von 2,5 Billionen € vererben wird. Das heißt, die Erbschaftsteuer ist nicht nur jetzt schon sehr bedeutend, sondern ihre Bedeutung wird in Zukunft noch wachsen.
Drittens, meine Damen und Herren, ist klar geworden, dass es trotz dieser Bedeutung erhebliche Mängel gibt, was die Rekrutierung der Einnahmen aus der Erbschaftsteuer betrifft. Tatsache ist auch, dass wir uns das auf keinen Fall leisten können. Ich möchte an viele Debatten und auch an die von heute Morgen erinnern, bei denen es um die Frage ging: Wie können wir Zukunftsaufgaben – in diesem Fall die Betreuung von Kindern unter drei Jahren – finanzieren? Deshalb ist klar: Wir können keine Einbußen hinnehmen.
danke schön –, und bei der Erbschaftsteuer sind bekanntermaßen schon recht hohe Freibeträge vorgesehen.
Die Ursachen dafür, dass es Defizite gibt, hat der Rechnungshof benannt: Organisation und Arbeitsweise der Erbschaftsteuerstellen seien unzureichend, es finde keine wirkliche Konzentration auf wichtige Steuerfälle statt. Bei diversen Stichproben wurden fehlerhafte Bearbeitung, verspätete Bearbeitung und Zinsverluste festgestellt. Allein die Zinsverluste addieren sich laut Rechnungshof auf 6 Millionen €.
Daher ist klar, dass in der Organisationsverantwortung der Landesregierung dringender Handlungsbedarf besteht. Es gab eine Beschlussempfehlung des Finanzausschusses. Darin wird für Juni 2007 ein Bericht der Landesregierung gefordert. Wir als Grünen-Fraktion fordern, dass das, was damals einvernehmlich beschlossen worden ist, bis dahin auch umgesetzt wird und Erfolge zeigt.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dazu bedarf es doch keiner neuen Aufforderung! Das ist ja eine ganz neue Methode!)
Jetzt haben wir den Hinweis, dass das Aufkommen der Erbschaftsteuer in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Ländern, liebe Kollegin Berroth, deutlich niedriger ist. Das hatten wir auch in unserem Antrag abgefragt. Da hat sich der Herr Finanzminister sehr gewunden. Er hat gesagt, wir müss ten die Ergebnisse anderer Länder gedanklich nach unten korrigieren, wir dürften nicht alle Länder mit Baden-Württemberg vergleichen, das Basisjahr sei nicht richtig und es gebe auch noch Sondereffekte und sonst etwas. Tatsache ist auf jeden Fall: Wenn Sie sich die Zunahme des Erbschaftsteueraufkommens von 1995 bis 2005 in Hessen, Bayern und BadenWürttemberg anschauen, dann sehen Sie auf dieser Grafik, dass Baden-Württemberg mit deutlichem Abstand das Schlusslicht bildet.
Während in Hessen das Aufkommen um über 300 % gestiegen ist, lag die Steigerung in Baden-Württemberg lediglich bei 182 %.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt, um welche Größenordnungen es hier geht. In der Stellungnahme zu unserem Antrag können Sie lesen: Das kassenmäßige Erbschaftsteueraufkommen in Baden-Württemberg im Jahr 2005 betrug 568 Millionen €. Wenn wir Steigerungsraten wie im Bundesdurchschnitt hätten, würde sich ein Betrag von 691 Millionen € ergeben.
Sie können mir jetzt nicht sagen, dass über 120 Millionen € nicht der Rede wert seien. Insofern ist es wichtig, diesen Bundesvergleich zum Anlass zu nehmen, heute darüber zu diskutieren. Wenn wir so gut wären wie Hessen, hätten wir 400 Millionen € mehr und müssten in manchen Bereichen nicht den Euro zweimal umdrehen.
Das ist die Begründung unseres Antrags. Ich werde in der zweiten Runde noch weitere Ausführungen machen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte hat eine reine Vermutung der Grünen zur Grundlage. Es geht nämlich um die Frage, ob unsere Steuerverwaltung in BadenWürttemberg Erbschaftsteuer zu lasch erhebt oder nicht. Sie hat eine zweite Prämisse: Das ist die Überprüfung dieser gegriffenen These nach den Einnahmen im Fünfjahresturnus.
Nicht angefragt haben Sie, inwieweit die Vermögenslage der Erblasser und der Erbschaftsteuerzahler Auswirkungen auf das jährliche Gesamtvolumen hat, das über ein Jahr hinweg entsteht.
Es gibt in der Tat die sogenannten Sondereffekte. Ich muss es pietätvoll ausdrücken. Wenn etwa aus der Familie Quandt in Hessen jemand stirbt – ich weiß nicht, ob jemand gestorben ist –, dann gibt es einen großen Brocken Erbschaftsteuer, den es in anderen Raumschaften dann so nicht gibt.
Sie werden nachher, nachdem Sie aufgrund Ihrer Prämisse des Fünfjahresturnusses, die Ihre Anfrage überhaupt erst begründet, für das Jahr 2005 eine „Unterdeckung“ von 123 Millionen € feststellen, die Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen zu wenig erhoben hätte, sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass im Folgejahr 2006 die Situation eine ganz andere war. Ich habe es mir mit dem Staatssekretär aufgeteilt; er wird Ihnen nachher eine Zahl nahe Ihrer Wunschzahl präsentieren.
Lassen Sie sich doch einfach überraschen. Schauen Sie, wir gehen langsam auf Ostern zu, Herr Kollege.
Ein Zehnjahresturnus, das ist der richtige Maßstab. Der Rechnungshof sagt das in seiner Mitteilung vom 20. Januar 2006 – nicht ausdrücklich, aber indem er den Zehnjahresmaßstab schlicht anwendet. Wenn ich jetzt die Zahlen für das bundesweite Erbschaftsteueraufkommen von 1997 bis 2005/2006 nehme, dann komme ich für Baden-Württemberg auf einen Wert, der deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt – es ist also völlig anders, als in Ihrer Anfrage zugrunde gelegt und behauptet.
Deutlich darüber. Da nämlich haben wir einen Messwert von rund 182 % gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 177 %. Wir haben mit der Erbschaftsteuer eine Steuer, deren Modalitäten der Bund, im politischen Dialog mit den Ländern, festlegt. Deren Volumen kommt aber zu 100 % den Ländern zugute.
Ich will meinerseits nicht verhehlen: Ich bin froh, dass der Rechnungshof das Thema aufgegriffen hat, weil er damit eine politische Klarstellung ermöglicht, aber bei der administrativen Handhabung durch die Steuerverwaltung sicherlich noch mehr Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema herbeigeführt hat. Wenn wir aus dieser Steuer etwa 600 Millionen € per annum schöpfen können – kontinuierlich wie einen Basiswert –, dann bedeutet das keine Freude über den Tod von
Menschen und Erblassern, sondern Freude über die Grundsumme, die unserem Haushalt zufließt. Damit ist die Erbschaftsteuer eine sehr wichtige Steuer.
Ich will aber auch die Reform der Erbschaftsteuer, die jetzt ansteht, ansprechen. Wir sind nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gehalten, bis Ende 2008 eine neue Reform zu realisieren – einmal mehr eine Reform. Ich habe zwei Dinge, die ich mir wünschen würde – das sind reale Wünsche, alles andere sind mathematische Wünsche –: dass wir zum einen weiter sicherstellen können, dass die direkte Übertragung selbst genutzten Wohneigentums bei realistischen Schwellenwerten auf die Kinder und Enkel im Sinne des Erblassers erfolgen kann, ohne dass dieses Thema in die Steuermühle kommt – und zwar „Omas klein Häuschen plus Motorrad und Hühnerstall“, um dieses Lied zu zitieren –, und dass wir für die Firmen einen realistischen Weg finden, vor allem die Übertragung von kleinen und mittelständischen Unternehmen so zu gestalten, dass nicht der Fiskus unverhältnismäßig stark zugreift und Übertragungen zum Problem werden. Somit wäre es in der sozialen und in der wirtschaftlich weiterführenden Komponente die richtige Reform. Ich weiß, dass unser Finanzministerium hier schon ausgezeichnete Vorschläge hat.
Vielen Dank für Ihre Zeit und vielen Dank für Ihr Interesse an einem theoretisch scheinenden Thema. Ich habe versucht, es griffig darzustellen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Grünen haben den Verdacht geäußert, das Erbschaftsteueraufkommen in Baden-Württemberg würde unterdurchschnittlich wachsen. Das Finanzministerium hat mit seiner ausführlichen Stellungnahme zu dem Antrag diesen Verdacht widerlegt. Insofern lohnt es sich nicht mehr, weiter auf diesen Antrag einzugehen.
Auch die Beratende Äußerung des Rechnungshofs zur Arbeit der Erbschaftsteuerstellen ist vor einem Jahr in der parlamentarischen Behandlung gewesen und wird im Juni noch einmal aufgerufen. Insofern kann man heute sicher noch nicht viel zu dem sagen, was an Empfehlungen umgesetzt worden ist.
Deshalb will ich zum Thema Erbschaftsteuer reden, nachdem das Bundesverfassungsgericht dazu eine wegweisende Entscheidung getroffen hat. Wir haben in Deutschland zwei Generationen ohne Krieg; dafür sind wir dankbar. Dies bedeutet auch, dass wir die Möglichkeit haben, in den Familien Vermögen – sei es an Immobilien, sei es an Geldwerten, sei es an Anteilen an Unternehmen – aufzubauen und zu erweitern. Die se Entwicklung kann gesellschaftspolitisch dazu führen, dass es zu Zusammenballungen von Kapital und damit auch von Macht kommt, einer Zusammenballung über mehrere Generationen hinweg, die einen neuen Adel hervorbringen könn te.
Das Erbschaftsteuerrecht ist auch unter dem Gesichtspunkt der Leistungsgerechtigkeit wichtig. Denn eines kann es ja nicht geben: dass jemand bloß deshalb, weil er aus einem reichen Haus kommt, automatisch bessere Startchancen in der Gesellschaft hat. Also: Die Leistungsgerechtigkeit muss auch gewährleistet sein.
Dies ist ein urliberales Anliegen, denn eine Gesellschaft, die nach dem Buddenbrooksyndrom lebt, wünschen wir uns alle nicht. Deshalb ist die Erbschaftsteuer ein wichtiges gesellschaftspolitisches und auch leistungsgerechtes Instrument. Die SPD plädiert dafür, die großen Vermögen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit auch verstärkt zur Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben heranzuziehen.