Protocol of the Session on February 7, 2007

(Abg. Thomas Blenke CDU: Und sehr positiv!)

Trotz dieser guten Vorzeichen und dieser guten Ergebnisse gibt es Gefahren. Ein zentrales Bedrohungspotenzial ist im islamistischen Extremismus und Terrorismus zu sehen. Es wurde vorhin erwähnt; ich will es aber noch einmal wiederholen. Meine Damen und Herren, es war nur ein kleiner Konstruk tionsfehler der Kofferbomben, der verhindert hat, dass am 31. Juli 2006 ein Anschlag auf zwei deutsche Regionalzüge am Ende möglicherweise geglückt wäre. Es wäre der erste Terrorakt von Islamisten auf deutschem Boden gewesen.

In Fällen wie diesen stehen wir vor dem Problem, dass die Täter durch einen schlichten Mausklick im Internet ihr virtuelles Ausbildungslager erreichen können. Dadurch haben die Ermittlungsbehörden deutlich weniger Ansatzpunkte, um Anschlagsvorbereitungen rechtzeitig erkennen und erfolgreiche Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Hierauf müssen wir unser Augenmerk richten. Das Zeitfenster für die Polizei, um zuzugreifen, ist damit deutlich enger geworden. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus ist äußerst personal- und kostenintensiv. Zur Verdeutlichung, meine Damen und Herren: Wir haben allein in einem einzigen Ermittlungsverfahren Sachkosten, die sich auf 480 000 € belaufen haben.

Die Polizei in Baden-Württemberg hat auf die sich wandelnden Erscheinungsformen des islamistischen Terrorismus reagiert. Wir haben ein neues Bekämpfungskonzept entwickelt, das die bisherige Strategie ergänzt und ein Maßnahmenpaket enthält, das auf den islamistischen Terrorismus moderner Prägung zugeschnitten ist. Wir werden in Baden-Württemberg auch in Zukunft konsequent gegen jegliche Form des Extremismus und Terrorismus, gleich welcher Couleur, vorgehen. Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Dazu gehört auch die konsequente Abschiebung von Personen, die hier bei uns nichts zu suchen haben.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Dies gehört zur selben Seite der Geschichte.

Auch der Polizeibereich – daran führt kein Weg vorbei – muss zur Konsolidierung des Landeshaushalts beitragen. Wir achten aber darauf, dass die Polizei die personellen und finanziellen Ressourcen erhält, die sie tatsächlich braucht, um ihre Aufgaben optimal zu erfüllen.

Jetzt will ich hinzufügen, weil ich das immer sage und schon immer gesagt habe, auch öffentlich: Die Polizei arbeitet mit einer denkbar dünnen Personaldecke. Dies ist wohl wahr. Das Betreuungsverhältnis, die Polizeidichte ist nicht genauso hoch wie in anderen Bundesländern, aber die Ergebnisse sind besser,

(Abg. Thomas Blenke CDU: So ist es!)

weil nicht nur die Zahl der Polizeibeamten entscheidend ist, sondern es auch auf die Ausbildung, die Ausstattung, die Motivation, die Besoldung und vieles andere mehr ankommt.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Politische Rahmenbe- dingungen!)

Unser wichtigstes Ziel einer soliden Finanzierung ist es, trotz der notwendigen Restriktionen die bisherigen Standards zu erhalten. Die sind in der Tat, wie mir alle Innenministerkollegen aus den anderen Bundesländern bestätigen, in BadenWürttemberg besonders hoch. Wir treten dafür ein, dass die Polizei ihre Mittel bekommt, und zwar gleichmäßig und zuverlässig.

Der operative Bereich hat dabei Vorrang. Die technische Ausstattung – ich möchte dieses Stichwort aufgreifen, weil Sie, Herr Gall, gefragt haben, wo die Verbesserungen sind, oder pauschal in Abrede gestellt haben, dass es überhaupt Verbesserungen gegeben hat – der Polizei ist von besonderer Bedeutung. Eine zuverlässige, zeitgemäße Technik ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Polizei.

Erstens: Ich nenne in diesem Zusammenhang die Modernisierung der polizeilichen Informations- und Kommunikationstechnik. Die DV-Infrastruktur in Baden-Württemberg war bisher zentral und heterogen aufgestellt. Die Datenverarbeitung wird in einen zentralen Betrieb mit zeitgemäßer Technik überführt.

Zweitens: Das gemeinsame Vorgangsbearbeitungssystem ComVor der Länderkooperation Hamburg, Hessen, BadenWürttemberg und Brandenburg wird jetzt landesweit bei der Polizei eingeführt. ComVor löst die bisher eingesetzten Vorgangsbearbeitungssysteme ab. Das ist ein großer Schritt nach vorne.

Der Digitalfunk wurde angesprochen. Dazu gibt es jetzt natürlich vieles zu sagen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sagen Sie einmal etwas zu Schily!)

Kollege Otto Schily ist nicht mehr im aktiven Dienst. Deswegen sollte man das, was er uns eingebrockt hat, jetzt nicht in aller Breite erörtern.

Wir haben – ich will es positiver formulieren – auf dem Weg zum Aufbau des Netzes in den zurückliegenden Monaten bereits wesentliche Meilensteine erreicht, z. B. den Abschluss eines rechtskräftigen Vertrags mit der Firma EADS über die Lieferung der Systemtechnik und die Paraphierung des Verwaltungsabkommens, das die Zusammenarbeit von Bund und Ländern regelt.

Als weiterer Schritt sollte dann Ende 2006 der Auftrag für Netzplanung, Aufbau und Betrieb vergeben werden. Aber das Angebot der DB Telematik, eines Tochterunternehmens der Deutschen Bahn, war inhaltlich und preislich weder tragfähig noch verhandlungsfähig. Deshalb soll das alternative Betreibermodell – wenn Sie so wollen, der Plan B –, das von Bund und Ländern bereits in Eckpunkten erstellt wurde, umgehend weiterentwickelt werden.

Bund und Länder verfolgen weiterhin das Ziel, bis spätestens 31. Dezember 2010 das Gesamtnetz aufzubauen und bundesweit in Betrieb zu nehmen. Wir dürfen uns darüber freuen – Kollege Heinz hat darauf hingewiesen –: Stuttgart wird hier als Pilotgebiet fungieren. Wir werden also früher als andere Bundesländer Erfahrungen mit dieser neuen Technik sammeln können.

Meine Damen und Herren, ich will es nicht verschweigen: Wir haben Zeit verloren. Otto Schily hat ohne Ausschreibung vergeben. Entsprechend war das Angebot. Wir sind nicht auf einen Nenner gekommen. Da sind Monate ins Land gegangen. Aber das wird uns nicht daran hindern, am Ziel festzuhalten.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Ein weiterer Schwerpunkt im Doppelhaushalt sind Verbesserungen beim Landeskriminalamt für die Erarbeitung von DNA-Analysen. 2005 trat das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse in Kraft. Damit haben sich die Auftragszahlen für molekulargenetische Untersuchungen beim Kriminaltechnischen Institut mehr als verdoppelt. Daher ist die im Haushalt eingeplante Erweiterung der Teilautomatisierung der DNA-Analytik beim Landeskriminalamt von großer Bedeutung.

Es wurde – ich weiß nicht mehr, wer es gesagt hat – von immer neuen Szenarien, die immer neue Mittel und Ausstattungen erforderten, gesprochen. Meine Damen und Herren Kollegen, ich bitte schon, zu konstatieren, dass wir diese Szenarien nicht erfinden. Wir sind hier nicht virtuell unterwegs, sondern die Szenarien ergeben sich, weil sich natürlich auch die technischen Möglichkeiten der Extremisten und Terroristen erweitern, und die nutzen diese technischen Möglichkeiten. Da müssen wir einfach Schritt halten. Mir wäre es auch lieber, diese Entwicklung würde anders verlaufen. Aber es ist nun einmal so, wie es ist. Deswegen müssen wir Schritt halten. Also: Wir brauchen eine verbesserte Ausstattung für die Terrorismusbekämpfung.

In diesem Zusammenhang will ich dem Finanzausschuss ganz ausdrücklich danken. Er hat sich für eine Verbesserung der technischen Ausstattung des Landeskriminalamts – insbesondere im Bereich der Telekommunikation – zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt und dem Landtag empfohlen, die notwendigen Mittel bereitzustellen. Das Stichwort „IMSI-Catcher“ ist gefallen. Allein ein solches Gerät kostet 500 000 €, wenn ich das noch richtig im Kopf habe.

Nur ein Wort zur Stellensituation, Herr Kollege Gall, und zum Stellenabbau bei der Polizei. Es ist wahr: Wir müssen sowohl beim Polizeivollzugsdienst als auch beim Nichtvollzugspersonal die Zahl der Stellen reduzieren. Zwischen 2008 und

2010 müssen insgesamt 799 Planstellen des Polizeivollzugsdienstes und 2014 weitere 50 Planstellen abgebaut werden. Die erste Abbaurate, die für das Jahr 2008, umfasst insgesamt 265 Stellen. Weitere Streichungen kommen im Zuge der Erwirtschaftung der Effizienzrendite hinzu. Punktuelle Verbesserungen werden in folgenden Bereichen aber dennoch eintreten:

Den aus altersstrukturellen Gründen schlechten Beförderungsmöglichkeiten für Polizeimeister und Polizeiobermeister – auch Kollege Sckerl hat dies angesprochen – wollen wir unter anderem mit dem Einstieg in einen „atmenden Stellenplan“ begegnen, der insgesamt 1 400 Stellenhebungen im mittleren Polizeivollzugsdienst ab 2007 umfasst.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Das weiß bei der Polizei auch niemand, was das ist!)

Herr Gall, wenn Sie sich dadurch wohler fühlen, dann füge ich jetzt in aller Deutlichkeit das, was ich auch schon an anderer Stelle mehrfach gesagt habe, hinzu: Dies sind jährlich 350 Stellen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Und nicht 70, wie er sagt!)

Zwei und zwei gibt vier, und vier mal 350 gibt 1 400. Wenn Sie sagen, Sie könnten das an zwei Händen abzählen, muss ich feststellen: So viele Finger haben Sie sicherlich nicht.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Das haben Sie nicht gesagt. Dann nehme ich das zurück. Es war der Kollege Sckerl.

Der Anteil der Stellen des gehobenen Polizeivollzugsdienstes soll von 2006 bis 2010 schrittweise von 50 auf 55 % erhöht werden. Im Hinblick auf den Personalbedarf und die zu seiner Deckung erforderlichen Einstellungen reichen die vorhandenen Ausbildungsstellen für Polizeianwärter bei der Bereitschaftspolizei mittelfristig nicht mehr aus. Die Einstellungen für 2007 und die folgenden Jahre stehen noch nicht abschließend fest. Das wird auch davon abhängen, wie sich die Verlängerung der Lebensarbeitszeit gestaltet. Ab 2008 dürften die jährlichen Einstellungszahlen auf ca. 600 ansteigen. Deshalb ist für das Haushaltsjahr 2008 die Neubewilligung von immerhin 113 Stellen für Polizeimeisteranwärter eingeplant.

Bei der Bewahrung der inneren Sicherheit unseres Landes, insbesondere im Hinblick auf die Bekämpfung des islamis tischen Terrorismus, kommt auch, meine Damen und Herren – dies möchte ich heute auch noch ansprechen –, dem Verfassungsschutz eine ganz herausragende Bedeutung zu. Deshalb erhält das Landesamt für Verfassungsschutz Mittel für drei Projekte – und dafür bin ich sehr dankbar –, die dazu beitragen sollen, zielsicher und effektiv neue Anschläge zu verhindern.

In Stichworten, weil es angesprochen worden ist: der dritte Observationstrupp. Sie wissen, terroristische Gewalttäter agieren mit hoher Konspirativität. Quellen sind deswegen nur schwer zu gewinnen. Technische Abhörmaßnahmen können nur ganz gezielt und begrenzt zu neuen Erkenntnissen führen. Deswegen brauchen wir – begleitend und überprüfend – zu

sätzlich Observationen. Mit der Schaffung eines dritten Observationstrupps ist gewährleistet, dass wir das Mittel der Observation noch genauer und effizienter einsetzen können.

Der zweite Bereich ist das Internetkompetenzzentrum. Die modernen Kommunikationswege entwickeln sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Terroristen wissen diesen Fortschritt zu nutzen. Der baden-württembergische Verfassungsschutz ist bereits heute bundesweit spitze, wenn es darum geht, Terroristen im Internet aufzuspüren und zu beobachten. Umso wichtiger ist es, dass er auch die notwendigen Mittel dafür erhält. Wir haben uns vorhin im Gremium nach Artikel 10 GG darüber unterhalten. Meine Damen und Herren, für die Bereitstellung der personellen und sächlichen Ressourcen des Kompetenzzentrums durch dieses Haus bedanke ich mich sehr herzlich.

Ein Drittes und Letztes: die Antiterrordatei. Zahlreiche Behörden wirken an der Sicherheitsarchitektur in unserem Land mit. Umso wichtiger ist es dann, dass alle verfügbaren Informationen zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Empfänger gelangen. Der Bund hat deswegen auf Initiative BadenWürttembergs für den höchst brisanten Bereich des internationalen Terrorismus beschlossen, eine gemeinsame Datei, nämlich die Antiterrordatei, zu schaffen. Mit den gemäß den Beschlüssen des Finanzausschusses für Polizei und Verfassungsschutz zusätzlich bereitgestellten Mitteln sind die Voraussetzungen für einen reibungslosen Betrieb der Datei in Baden-Württemberg gegeben.

Meine Damen und Herren, ich glaube, man kann hier konstatieren – das möchte ich zum Schluss in dieser Runde noch sagen –: Wir sind im Innenressort einerseits unserer Verantwortung und Verpflichtung nachgekommen, und zwar in erheblichem Umfang, unseren Teil zur Konsolidierung des Haushalts beizutragen, haben andererseits aber gleichwohl in den hochsensiblen Bereichen der inneren Sicherheit zusätzliche Mittel bereitgestellt. Also das Instrumentarium stimmt, das Personal stimmt,

(Abg. Stephan Braun SPD: Die Motivation stimmt nicht!)

die Ausstattung stimmt, und die Ausbildung stimmt.

Die Motivation, lieber Kollege Gall, ist anders, als Sie sie hier beschreiben wollen. Ich bestätige Ihnen eines – da bin ich mit Ihnen einer Meinung –: Stabilität und innere Sicherheit haben in einer pluralistischen Gesellschaft, in einem demokratischen Gemeinwesen vieles gemeinsam, sie bedingen einander. Aber allein mit dem Ruf nach mehr Beförderungen, nach mehr Personal, nach besserer Ausstattung, nach mehr Geld wird es nicht getan sein. Daran ist man schon früher gescheitert. Ich weiß nicht, wer es gesagt hat – Faust II; sagen wir, es war Mephisto –:

Welch Unheil muss auch ich erfahren! Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr.

Herr Gall, die Folterkammer, die Sie vorhin erwähnt haben, gibt es nicht im „Stami“, aber die spüre ich in Ihnen, weil Sie natürlich selbst merken, dass dieser Spagat zwischen dem übergeordneten Ziel eines soliden Staatshaushalts und dieser

Aneinanderreihung von Mehrforderungen überhaupt nicht zu schaffen ist.

Das ist zu einfach.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir haben für unsere Mehrforderungen Deckungsvorschläge gemacht!)