Protocol of the Session on December 14, 2006

Trotzdem reagieren wir. Ab dem 1. April 2007 wird die Jahrespension eines Beamten in Baden-Württemberg von bisher 12,55 Monatsbezügen auf 12,3 Monatsbezüge gesenkt. Das heißt, das Weihnachtsgeld, das schon längst gezwölftelt ausgezahlt wird, beträgt nicht mehr 55 % einer Monatspension, sondern nur noch 30 % – ein Viertel eines Monatsbezugs weniger. Dies ist eine Reaktion auf Ihre Forderung. Deswegen sagen Sie bitte nicht, diese Regierung würde nicht handeln.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Doch!)

Wir reagieren mit richtigen Maßnahmen, weil hier, wie Sie zu Recht sagen, im Grunde genommen eine Schwachstelle unseres Haushalts liegt.

Wir kürzen nicht auf null. Denn eine Kürzung um 55 Prozentpunkte, also des gesamten Weihnachtsgelds, wäre gegen den Vertrauensschutz, den ich erwähnt habe. Diese 30 % auf Dauer haben die Pensionäre in Baden-Württemberg verdient.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber mit der Dyna- misierung steigt es wieder an!)

Die Dynamisierung war bisher geltendes Recht und bleibt geltendes Recht, Kollege Palmer. Ein Blick in die Bundesgesetzgebung sagt Ihnen, dass ein Pensionär schon bisher an jeder Gehaltserhöhung teilgenommen hat. Dies ändert sich nicht, dies bleibt so. Keine Verschlechterung des Haushalts, keine Änderung der Struktur.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sonst können Sie nichts mehr machen! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Zweitens: Ich lade Sie ein: Helfen Sie mit! Wir werden im Februar und im März in der Regierung und in den Regierungsfraktionen das Konzept „Pension ab 67“ beraten. Wir warten in diesen Tagen noch den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab, aber die Umsetzung durch sie kommt uns zu spät. Wir wollen in dieser Wahlperiode mit entsprechendem Vorlauf und mit Vertrauensschutz, der rechtlich nötig ist, mit dem Einstieg in die längere Lebensarbeitszeit für Beamte beginnen. Ich stelle mir vor, dass schon mit den nächsten Haushaltsberatungen eine um ein Vierteljahr längere Arbeitszeit auf Beamte in Baden-Württemberg zukommt und dass dann in einigen Stufen – aber nicht in 18 Stufen, maximal in 8 – die Umsetzung kommt. Wenn dann in Baden-Württemberg der Pensionseintritt erst mit 67 Jahren erfolgt, wenn also die Lebensarbeitszeit zwei Jahre länger dauert, dann haben wir die wichtigste Veränderung vollzogen, weil mit längerer Arbeitszeit und späterem Pensionseintritt die Personalausgaben deutlich nach unten gehen. Das ist die zweite Antwort auf Ihre Forderung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Drittens: Wir arbeiten derzeit an Konzepten, um einen Pensionsfonds einzuführen. Auch dies legen wir Ihnen im Frühjahr nächsten Jahres vor. Eine entsprechende Aussage haben wir in der Koalitionsvereinbarung gemacht. Die Vorbereitungen laufen. Wir wollen einen Teil der Mehrausgaben untertunneln und diese Finanzierungsaufgabe mit einem Pensionsfonds bewältigen.

Dann zum Stellenabbau: Uns geht es auch um die Pensionsausgaben der Jahre 2040 und folgende,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist der Punkt, wo man ansetzen muss, natürlich!)

damit Ihre und unsere Nachfolger sagen können: „Die haben nicht nur für sich, sondern vorausschauend geplant.“ Wir werden in dieser Wahlperiode über einen weiteren Stellenabbau in den Fachbehörden und in allen anderen Bereichen nachdenken und entsprechend handeln, damit sich dadurch die langfristige Pensionslast etwas verringern lässt.

Abschließend: Richtig wäre es, wenn wir – diese Kompetenz haben wir jetzt – in Stufen das Gehalt in der aktiven Zeit, das Eingangsgehalt für die jungen Beamten etwas erhöhen, damit wir auf dem Arbeitsmarkt attraktiver gegenüber Daimler-Chrysler und der BW-Bank sind, und im Gegenzug die Pensionshöhe etwas absenken. Mein Vorschlag ist bekannt: 10 % am Anfang mehr und 10 % weniger Pension. Dies in Stufen umzusetzen wird ebenfalls mein Ehrgeiz in dieser Wahlperiode sein.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Ich danke für die guten Wünsche zum Kovorsitz in der Kommission zur Reform des Föderalismus, bei der es um die Finanzbeziehungen geht. Ich darf Sie – das meine ich sehr ernst – – Es gibt Aufgaben, die allein Regierungssache sind, und es gibt Aufgaben, die Landtagsangelegenheiten sind. Es gibt auch Aufgaben, bei denen man gut beraten ist, über die Fraktions- und Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Ich will Sie ausdrücklich bitten – ich spreche die Kollegen Drexler und Kretschmann im Besonderen an –, mich – neben den Regierungsfraktionen und neben den Kollegen in der Regierung – zu beraten. Denn ich glaube, dass eine Neuordnung der Finanzbeziehungen und der Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland überfällig ist.

Zu glauben, dass es dabei zu Gewinnern und Verlierern kommt, wäre falsch. Zu glauben, dass unsere Kasse prall gefüllt wird und zehn andere dabei verlieren, wird nicht realistisch sein. Wir brauchen intelligentere Antworten und müssen prüfen, wo die konkreten Baustellen sind.

Ich glaube erstens, dass derzeit für die, die nicht sparen, überhaupt keine Anreize zum Sparen bestehen. Wir müssen Anreize schaffen, damit andere Länder dort hinkommen, wo wir sind und wo sie hinwollen. Das ist meines Erachtens ein Erstes, das man beschließen soll.

Zweitens: Ich glaube, dass mehr Länderkompetenzen in der Steuergesetzgebung angebracht sind. Das Aufkommen der Grundsteuer und der Grunderwerbsteuer steht den Ländern und den Kommunen zu. Das wird im Deutschen Bundestag beschlossen. Warum sollte man nicht das Prinzip vorschlagen, dass die Steuern, die in die Landeskassen und in die Kommunalkassen gehen, in den Landtagen dem Grunde und der Höhe nach zu beschließen sind?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Ja! Die Jagdsteuer!)

(Ministerpräsident Günther Oettinger)

Die Kommunen haben ein Hebesatzrecht, das Land praktisch nicht.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Wir haben bei der Einkommensteuer und bei der Lohnsteuer nur dort eine Spreizung, wo die Kirchensteuer in Deutschland prozentual nicht überall gleich ist. Warum nicht ein Zuschlagsrecht bei der Einkommen- und der Lohnsteuer? Dann könnte ein Land seinen Bürgern sagen: „In den nächsten fünf Jahren führen wir das Ganztagsschulwesen ein und erheben dafür einen Zuschlag, und sobald die Gegenleistung erreicht ist, wird der Zuschlag entsprechend wieder abgebaut.“ Ich glaube, dass den Ländern generell mehr Spielräume in der Steuerfestlegung zu übertragen sind. Dies bereite ich in der Kommission vor.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ein letzter Punkt: Geld verteilen kann der Bund nicht. Ein Abbau von Standards jedoch, die in Bundesgesetzen festgelegt sind und die die Aufgabenerfüllung den Ländern und Kommunen vorgeben, eine Prüfung von Aufgaben, eine Aufgabenkritik, ein Strukturgesetz des Bundes zur Entlastung von Ländern und Kommunen kostet den Bund nichts, bringt aber uns und unseren Gemeinden viel. Auch darauf arbeite ich hin.

(Beifall bei der CDU)

Ein Haushalt ist immer auch ein Buch, aus dem man den Erfolg oder Misserfolg der Landespolitik herauslesen kann.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: So ist es! Genau!)

Ob ein Land erfolgreich ist oder nicht, zeigt sich zuallererst auf dem Arbeitsmarkt. Ich glaube, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt – das Ziel, Beschäftigung für junge Menschen nach der Schule anzubieten, das Ziel, den Arbeitslosen in Arbeit zurückzuholen, das Ziel, durch Erwerbstätigkeit sozial unabhängig zu sein, das Ziel, durch Arbeit Lebensinhalt zu bekommen – und damit die Sicherung einer hohen Beschäftigungsrate die überragende Aufgabe der Politik schlechthin ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Im Spätherbst haben wir Arbeitslosenquoten, die mehr aussagen als jede Rede, mehr aussagen als jedes Wort. BadenWürttemberg hat eine Arbeitslosenquote von 5,5 %. Seit sechs Jahren hat dieses Land Monat für Monat eine niedrigere Arbeitslosenquote als Bayern. Wir haben die höchste Beschäftigung und die geringste Arbeitslosigkeit. Im November vorigen Jahres betrug die Arbeitslosenquote 6,7 %. Wir haben die Arbeitslosenquote innerhalb eines Jahres um 1,2 Prozentpunkte reduziert. Obwohl die Zahl der Menschen, die hier leben, wächst, obwohl Baden-Württemberg Zuwanderung hat, obwohl die Menschen hierher drängen, weil es hier Arbeit gibt, senken wir den Umfang der Arbeitslosigkeit. Niedersachsen hat 9,4 %, Nordrhein-Westfalen 10,3 %, Hessen 8,2 %, Bayern 5,8 % und Baden-Württemberg 5,5 %. Dies hat zuallererst mit dem Fleiß der Arbeitnehmer und mit treuen Arbeitgebern zu tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ute Vogt SPD: So ist es!)

Die Politik kann aber auch nicht ganz falsch gewesen sein. Die Politik für Bildung, die Politik für Forschung, die Politik für Wissenschaft, die Politik für Infrastruktur, die Politik für Wirtschaftsförderung unserer Kommunen und des Landes kann nicht so falsch gewesen sein, wenn Baden-Württemberg seit sechs Jahren über die weitaus beste Arbeitsmarktlage verfügt. Auch daran arbeiten wir weiter. Bitte stören Sie uns nicht.

(Beifall bei der CDU – Abg. Ursula Haußmann SPD: Wir leben in einer Demokratie! – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Frau Hauß- mann ist aufgewacht! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Die Opposition kann nach Hause gehen! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Nicht stören! – Zurufe der Abg. Karl Zimmermann CDU und Bir- git Kipfer SPD – Weitere Zurufe und Unruhe)

Im Haushalt haben wir erste Zahlen für Stuttgart 21 eingestellt.

(Unruhe)

Gestatten Sie mir zum Thema „Schiene und Baden-Württemberg“ ein offenes Wort: Das Grundproblem besteht nach meiner Überzeugung darin, dass der Bund mit den derzeit im Bau befindlichen Schienenmaßnahmen seine Haushalte der nächsten zehn Jahre zu 100 % verplant hat. Das heißt, dort, wo derzeit in Deutschland gebaut wird, sind Aufträge vergeben, die im Grunde genommen den gesamten Schieneninvestitionshaushalt bis Ende des Jahres 2016 binden. Dies ist für ein Industrieland wie Deutschland eigentlich unwürdig und entspricht nicht dem, was für die Mobilität in Deutschland notwendig ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ab Mai fährt der TGV auch Straßburg an. Er erreicht mit einem Tempo von 340 Stundenkilometern, vom Gare de l’Est in Paris kommend, den Rhein. Die Rheinbrücke wird vielleicht noch gebaut, aber danach kommt lange nichts. So, wie die Brücke zwischen Konstanz und Kreuzlingen eine Peinlichkeit für uns war, entsteht wiederum eine Peinlichkeit. In Österreich ist die Trasse bereits gebaut; in Ungarn wird sie gebaut. Nur in Baden-Württemberg hat der Bund nicht das gemacht, was Europa zu Recht erwarten kann.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Schweinerei!)

Dies werfe ich dieser Bundesregierung und auch ihrer Vorgängerregierung vor.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Vor al- lem der!)

Die Bundesregierung muss wissen, dass sie gerade im Jahr der deutschen Ratspräsidentschaft mit diesem Haushalt ihrer Verantwortung für die Schiene nicht gerecht wird. Deswegen arbeiten wir daran.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Drei große Trassen stehen im Mittelpunkt. Die eine ist Frankfurt–Mannheim. Deren Finanzierung wird am ehesten möglich sein. Die zweite ist die Rheintalbahn, wo es derzeit zuallererst um Trassenfestlegung, um Lärmschutz, um Abstandswahrung, um kommunale Interessen, um Tieferlegun

(Ministerpräsident Günther Oettinger)

gen, Umfahrungen und Tunnels geht. Dort geht es noch nicht um die Finanzierung.

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Aber klar ist: Mit dem, was an Wünschen und berechtigten Forderungen aus Rastatt, Offenburg und Freiburg kommt – viele andere kommen noch hinzu –, wird noch stärker deutlich, dass der Bundeshaushalt von Merkel, Tiefensee und Steinbrück nicht den Realitäten im Land entspricht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Marianne Wonnay SPD: Was macht denn das Land? – Abg. Ursula Haußmann SPD: Was tun denn Sie?)