(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der Grünen – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Sehr gut!)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen Eigenverantwortung an vielen Stellen. Wir brauchen ein neues Denken bei der Aufgabenverteilung zwischen öffentlicher Hand und Bürgerinnen und Bürgern, eine subsidiär organisierte Aufgabenwahrnehmung. Beispiele sind genannt worden. Da wünsche ich mir, dass man nicht jedes Beispiel
von vornherein madig macht, sondern dass man diese Aufgabenkritik durchführt, die wir gemeinsam mit den Bediensteten konstruktiv fortführen wollen, auch wenn dieser Haushalt verabschiedet sein wird. Das haben wir fest verabredet. Da wünsche ich mir dann, dass von der Opposition nicht zu allem, was wir machen, grundsätzlich ein Nein kommt, sondern dass sie dies konstruktiv begleitet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Dieser Haushalt ist mehr als eine riesige Ansammlung von Zahlen. Er ist Ausdruck politischen Gestaltungswillens und politischen Gestaltungsvermögens.
Wir wollen einen starken Staat, wo es um seine Kernaufgaben geht, nämlich die Zukunftschancen junger Generationen zu wahren und zu mehren und die Sicherheit von Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land zu gewährleisten. Das habe ich Ihnen konkret an Zahlen benannt. Wir wollen einen schlanken Staat in seinem Verwaltungshandeln und eine ständige Überprüfung von Förderprogrammen, ob sie zielgenau sind und ob sie nach wie vor berechtigt sind. Beides, nämlich den starken Staat, wo es um Kernaufgaben geht, und den schlanken Staat, wo es um unseren eigenen Verantwortungsbereich geht, was Verwaltung und Förderprogramme betrifft, haben wir nicht nur versprochen,
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Na, na, na! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das haben Sie nicht verspro- chen! Das sind unsere Worte!)
Ich freue mich deswegen auf die konstruktiven Beratungen, zunächst in den Finanzausschusssitzungen und dann hier in der zweiten Lesung, wo man zu jedem einzelnen Fachressort noch einmal im Detail sprechen kann. Ich denke, wir dürfen gespannt sein, wie die Opposition versuchen wird, an der einen oder anderen Stelle noch Verbesserungen – für die sind wir immer dankbar – unterzubringen. Nur: An den Eckpunkten werden wir nichts ändern.
(Anhaltender Beifall bei der FDP/DVP – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Auf jeden Fall hat er besser geredet als der Mappus!)
Die Sanierung des Landeshaushalts ist die überragende Aufgabe in dieser Wahlperiode des Landtags von Baden
Württemberg, und wir gehen sie an. Der Weg aus der Schuldenfalle hat Vorrang vor jedem anderen Thema. Dies meinen wir ernst. Dies haben wir in der Koalitionsvereinbarung niedergelegt, dies hat die Regierungserklärung ausgesagt, und in den Haushaltsjahren 2007 und 2008 legen wir weite Teile dieses Weges zu unserem erklärten Ziel zurück.
Ich danke allen Beteiligten: dem Kollegen Stratthaus und seinen Beamten im Finanzministerium, dem Kollegen Dr. Goll und damit auch der FDP/DVP in unserer Regierung, dem Kollegen Mappus und seiner gesamten Fraktion und dem Kollegen Dr. Noll. Wir haben in der Haushaltsstrukturkommission souverän, arbeitsintensiv und erfolgreich mit großer Entschlossenheit und Entschiedenheit und trotzdem maßvoll unsere Hausaufgaben gemacht.
Wo kommen wir her, und wo gehen wir hin? Wir haben entlang der Rezession und Stagnation der Wirtschaft in den Jahren 2003 und 2004 schlechte Haushaltszahlen realisiert. In diesen beiden Jahren haben wir jeweils 2 039 Millionen € neue Schulden gemacht. Im Jahr 2005 hat uns der Landtag 2 Milliarden € neue Schulden bewilligt. Wir haben durch Haushaltssperre, durch restriktiven Haushaltsvollzug und durch die Tatsache, dass keine Tariferhöhung anstand, real nur 1,686 Milliarden € neue Schulden aufnehmen müssen. In diesem Jahr gibt es Schuldenrechte im Umfang von 1,9 Milliarden €. Wir gehen auf der Basis der letzten Monate und der absehbaren Rechnungsabschlüsse aber nur noch von einer notwendigen Neuverschuldung in Höhe von 1,535 Milliarden € aus.
2007 beschränken wir uns auf 1 000 Millionen € neue Schulden, 2008 beschränken wir uns auf 750 Millionen € neue Schulden. Das heißt, die Senkung der Neuverschuldung von über 2 Milliarden € auf eine Dreiviertelmilliarde Euro innerhalb von vier Jahren ist ein beachtlicher Weg, der zum Teil hinter uns, zum Teil aber auch noch vor uns liegt. Diesen Weg setzen wir konsequent dahin fort, dass der Landtag in der laufenden Wahlperiode von dieser Regierung einen Haushalt vorgestellt bekommt und beschließen wird, der ohne Aufnahme neuer Schulden auskommt und bei dem alle Aufgaben und Ausgaben mit Steuereinnahmen, Gebühren, Abgaben und Beiträgen bestritten werden sollen.
Damit das klar ist, sage ich: Wir liegen im Ländervergleich trotz dieser Schulden sehr gut. Wir liegen schlechter als Bayern. Wir liegen gleichauf mit Sachsen. Wir liegen vor 13 anderen Ländern. Dies ist der Anspruch der Bürger in Baden-Württemberg an die Politik. Ich glaube, dass der Weg aus der Schuldenfalle dem Leistungsanspruch dieser Gesellschaft, unserer Bürgerschaft, gerecht wird. Deswegen stellen wir ihn in der Tagesordnung unserer Aufgaben ganz vornan auf Platz 1.
Wenn man das Ziel so unbedingt erklärt, muss man sich des Risikos bewusst sein. Das bin ich mir durchaus. Denn ich war neu hier im Landtag, als die mittelfristige Finanzplanung in den Achtzigerjahren schon einmal einen Haushalt ohne neue Schulden vorsah. Dieses Ziel wurde im Jahr 1986 verfehlt, es wurde nicht erreicht. Ich war als Frak
tionsvorsitzender in Mitverantwortung, als wir in der letzten Wahlperiode die Nullverschuldung für dieses Jahr vorgesehen hatten. Wir haben dieses Ziel wiederum nicht erreicht. Ich will, dass der dritte Anlauf glückt.
Ich stelle fest: Unsere Ressortminister, die Fachminister, sitzen nicht eifersüchtig auf ihren Finanztöpfen und verteidigen nicht alle Programme. Ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass in einem ganz breiten Umfang jeder Fachminister in der Nullverschuldung sein Ziel und unser gemeinsames Ziel sieht. Deswegen traue ich uns zu, dass der dritte Anlauf glücken kann.
Wann, wenn nicht jetzt? Ich gebe durchaus zu: Nicht nur der Rotstift, nicht nur unser Mut zu Kürzungen, nicht nur unsere eigene Haushaltspolitik sind dafür verantwortlich, dass ein solcher Haushalt mit den richtigen Schritten in die richtige Richtung vorgelegt werden kann.
Wir gehen zunächst einmal davon aus, dass es keine Kahlschläge geben muss. Ich will behaupten, dass die große Mehrzahl der Programme, die im Haushalt des Landes Baden-Württemberg stehen, zeitgemäß sind. Sie sind von uns oder unseren Vorgängern aus guten Gründen geschaffen worden. Deswegen ist ein Kahlschlag, eine Streichung ohne Nachdenken nicht unsere Politik.
Wir bauen darauf, dass die Wirtschaft in Baden-Württemberg und Deutschland wächst. Wir bauen darauf, dass dadurch auch die Steuereinnahmen nach oben gehen. Wir werden dort, wo wir Programme haben, die auf Freiwilligkeit basieren, in den nächsten Jahren nicht erhöhen, sondern wir trauen uns eine Kürzung um 5 oder 10 % zu, deckeln manche Programme und frieren andere ein. Aus diesem größer werdenden Delta bekommen wir den Abbau der Neuverschuldung hin. Das ist unsere Politik.
Ich gebe zu: Uns kommt dabei der glückliche Umstand zugute, dass sich die Wirtschaft besser entwickelt, als vorhersehbar war. Wer hätte zu Jahresbeginn geglaubt, dass die deutsche Wirtschaft um 2,4 % wachsen wird? Wer hätte uns in Baden-Württemberg über 3 % Wirtschaftswachstum zugetraut? Die Delle, die die Mehrwertsteuererhöhung verursacht, wird schmal ausfallen. Die Forschungsinstitute gehen für das nächste Jahr deutschlandweit von bis zu 2 % Wachstum aus, und ich sage für Baden-Württemberg deutlich mehr als 2 % Wirtschaftswachstum voraus.
Die Wirtschaft hat Tritt gefasst. Sie hat Vertrauen in den Standort. Die Auftragsbücher sind voll. Das heißt, wir können für die Haushaltspolitik der nächsten Jahre davon ausgehen, dass nicht Rezession und Stagnation eintreten, sondern dass Wachstum und Qualität unserer Wirtschaft dabei helfen.
Insofern sage ich: Nicht alles, was Schröder gemacht hat, war falsch. Es kam nur zu spät und war zu zaghaft.
Die Politik der ruhigen Hand hat Deutschland geschadet. Was im Jahre 2003 mit „Agenda 2010“ gemacht worden ist,
wurde von CDU, CSU und FDP mit richtigen Ansätzen im Bundesrat unterstützt. Es kam vier Jahre zu spät.
Wir hatten in den letzten Jahren die Folgen davon zu tragen, dass Rot-Grün im Grunde genommen mit Ideologie verblendet und ohne Mut in die Regierungsarbeit kam.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)
Die Mehrwertsteuererhöhung tritt am 1. Januar 2007 ein. Auch dazu ein offenes Wort: Drei Prozentpunkte mehr Mehrwertsteuer sind nicht wenig. Klar ist: Für den Handel und für das Handwerk wird daraus mit Sicherheit eine Verschlechterung des Wachstums im ersten und im zweiten Quartal zu beobachten sein. Aber wir setzen das Geld sinnvoll ein. Wir sind davon überzeugt, dass ohne diese Steuererhöhung die Sanierung des Bundeshaushalts und der Länderhaushalte nicht glücken kann.
Einen Prozentpunkt bekommt der Bund, damit er die Neuverschuldung, die während der Regierungszeit von RotGrün strukturell bei 60 Milliarden € lag und in den letzten Jahren immer bei 40 Milliarden € realisiert worden ist, auf 20 Milliarden € senken kann.
Einen weiteren Prozentpunkt bekommen die Länder, und dies ermöglicht den Haushalt, der Ihnen jetzt vorliegt. In diesem Haushalt stecken höhere Steuern unserer Bürger aus Umsatz und Verbrauch. Unsere Bürger wirken durch die höhere Mehrwertsteuer an der Sanierung unseres Landeshaushalts mit.
Der dritte Prozentpunkt dient einem klaren Ziel: Wir senken die Lohnnebenkosten. Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung wird zur Entlastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern am 1. Januar 2007 von 6,5 auf 4,2 % gesenkt. Das heißt, die Nettoeinkünfte eines Arbeitnehmers rücken näher an seine Bruttoeinkünfte heran, und der Arbeitgeber muss weniger bezahlen und kann es sich dadurch leisten, über Neueinstellungen nachzudenken.
Deswegen: Diese Mehrwertsteuererhöhung ist schmerzhaft, aber alle drei Ziele – Sanierung des Bundeshaushalts, Sanierung der Länderhaushalte, Senkung der Lohnnebenkosten – sind richtig. Dies ist eine Politik für die öffentliche Hand, für die nächste Generation und auch dafür, dass die Wirtschaft belebt werden kann.