Protocol of the Session on November 9, 2006

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wolf, es tut mir leid, aber ich kann nicht anders als festzustellen: Die neue Regierung setzt die erfolgreiche Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der alten Regierung nahtlos fort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: In Baden-Württem- berg!)

Nein, in Berlin.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Warum habt ihr denn dann Neuwahlen gemacht, wenn das so klasse war?)

Wir haben hierüber schon gestritten, beispielsweise über das Antidiskriminierungsgesetz. Das war doch toll. Man hat nicht einmal ein Komma ändern müssen. Wir haben es doch gemeinsam gemacht. Jetzt stehen Sie auch dazu!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Stefan Mappus CDU: Wir haben nicht nur das Komma ge- ändert, sondern das ganze Gesetz!)

Wir haben die Höchststeuersätze, die Sie vorher hatten, abgesenkt, damit die Unternehmen Luft zum Investieren haben. Wir setzen diese Politik jetzt mit der Unternehmensteuerreform fort.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Dann stehen Sie doch dazu! Sie sollten nur eines nicht machen: Sie sollten nicht ideologisch vernagelt falsche Dinge in die Welt setzen,

(Beifall bei der SPD)

die den Menschen schaden, beispielsweise die Aussage, dass man ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr einstellen könne, weil man sie nicht mehr loswerde.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Falsch! Völlig falsch! – Gegenruf des Abg. Stefan Mappus CDU: Nein! Das ist völlig richtig!)

Das ist völlig falsch. Sie sollten hier nicht nur aus den Heftchen von Frau Dr. Meister-Scheufelen vorlesen, sondern auch einmal fragen, was sich hinter den Zahlen verbirgt.

(Abg. Christine Rudolf SPD: So ist es!)

Wenn Sie von einem großen Erfolg bei den älteren Beschäftigungslosen sprechen – minus 14 % –, dann ist das kein Erfolg in dem Sinne, dass sie jetzt im Arbeitsleben wären, sondern sie sind im vorgezogenen Ruhestand.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Und wer ermög- licht denn den? Wer hat denn den ermöglicht?)

Da sind die 14 % gelandet. Deshalb appelliere ich einfach an Sie – mehr kann man ja gar nicht machen. Baden-Württemberg steht gut da. Das bestreitet niemand.

(Abg. Guido Wolf CDU: Also! Dann sag es doch mal!)

Die Statistiken können wir alle lesen. Wir sind auch froh und freuen uns über gute Entwicklungen. Aber man sollte vor lauter Schenkelklopfen über diese guten Entwicklungen nicht die Probleme vernachlässigen, die es nach wie vor gibt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE – Abg. Guido Wolf CDU: Haben wir doch nicht!)

Diese Probleme haben wir bei älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich frage mich schon, warum die Arbeitsverwaltung in Baden-Württemberg nicht in der Lage ist, Qualifizierungsgelder für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Job unterzubringen. Es wäre doch ein Ding, das beispielsweise mit dem ESF zusammenzubringen, um da eine Kombigeschichte zu machen und das vonseiten der Landesregierung positiv zu begleiten,

(Minister Dr. Wolfgang Reinhart: Das ist die Bun- desarbeitsverwaltung des Herrn Müntefering!)

damit das Realität wird. Denn wir wissen, dass da etwas notwendig ist.

Wir haben viele hoch qualifizierte Ingenieure. Das haben Sie auch betont. Aber wir haben trotzdem schon heute einen Ingenieurmangel. Das bringt den Standort jetzt nicht von heute auf morgen in Gefahr. Aber wenn man hier nicht die qualifizierten Ingenieure findet und sie nicht alle von außen herkommen, dann muss man sich natürlich schon überlegen, wenn man Hightechprodukte auf den Markt bringen will, ob man das hier noch machen kann. Wo ist das Programm, um diese Naturwissenschaften und diese Ingenieurwissenschaften wieder stärker nach vorne zu bringen?

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Können Sie das mit der Kollegin Bregenzer einmal abstimmen? – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das hat vorhin anders geklungen bei der Frau Bregenzer! – Ge- genruf der Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie können einfach nicht zweigleisig denken!)

Jetzt komme ich noch einmal zu dem von Ihnen so bezeichneten verriegelten Arbeitsmarkt. Sie setzen laufend Parolen in die Welt, die Sie dann hinterher nicht umsetzen können.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das kommt von den Betrieben!)

Wir haben das erst neulich erlebt mit Ihrer wunderbaren Bundesratsinitiative zum Mietrecht, zu der Sie immer erzählen, niemand baue Mietwohnungen, weil das Mietrecht so schlimm sei, und deshalb hätten Sie die Bundesratsinitiative eingebracht. Das war doch schon wieder eine Bauchlandung erster Klasse im Bundesrat mit Ihrer Initiative.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Genauso würde es beim Arbeitsrecht sein, wenn Sie auf die Idee kämen, da irgendetwas zu machen. Es wurde schon darauf hingewiesen:

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Durch die Hartz-Gesetze sind alle Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten vom allgemeinen Kündigungsschutz ausgenommen. Schon das betrifft ein Viertel der Betriebe.

(Zuruf des Abg. Stefan Mappus CDU – Gegenruf der Abg. Christine Rudolf SPD: Sie können den Mund wieder zumachen, Herr Mappus!)

Wir haben 2003 eine Regelung bekommen, die jetzt vom Europäischen Gerichtshof einkassiert wurde. Aber immerhin war sie drei Jahre lang völlig unbestritten in Kraft. Das war eine Regelung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um sie begrenzt beschäftigen zu können. Was war denn die Wirkung davon? Das hat doch niemanden interessiert!

Wenn Sie mit den Leuten vom Maschinenbau reden, dann sagen sie Folgendes: „Wir machen keine Politik, bei der wir auf Auftragsschwankungen mit Entlassungen reagieren und beim ersten Aufschwung wieder einstellen. Das können wir uns gar nicht leisten. Wir machen Folgendes: Wir behalten auch in auftragsschwachen Zeiten“ – wir hatten ja ein paar schwierige Jahre in den Neunzigerjahren – „unsere qualifizierten Kräfte, stellen aber beim Aufschwung nicht sofort wieder frisch ein, sondern warten, bis wir wissen, was wir langfristig an qualifizierten Kräften beschäftigen können.“

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Präsi- denten)

Wir bedienen uns Arbeitszeitkonten, wir bedienen uns Leiharbeit. Das alles sind Instrumente, die während der Regierungszeit von Rot-Grün in Berlin vorangebracht wurden und die auf diese flexiblen Schwankungen reagieren können. Aber es gibt kein Hire and Fire. Das taugt überhaupt nichts für die baden-württembergische Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abg. Schmiedel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Rülke?

Natürlich.

Bitte schön, Herr Dr. Rülke.

Herr Kollege Schmiedel, Sie haben gesagt, ich würde Parolen in die Welt setzen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ja!)

Sind Sie bereit, anzuerkennen, dass das, was ich vorhin zum Thema Lohnhöhe und zum Thema „Verriegelung des Arbeitsmarkts“ gesagt habe, nicht meine Parole ist, sondern ein Ergebnis einer Umfrage der IHK Stuttgart, an der sich 2 400 Unternehmen der Region beteiligt haben?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau!)

Ich bin bereit, anzuerkennen, dass es eine solche Umfrage gab.

(Heiterkeit – Abg. Stefan Mappus CDU: Immer- hin!)

Sie haben in Ihrer selektiven Wahrnehmung natürlich nur das wahrgenommen, was in Ihre verriegelte Ideologie passt. Sie haben nicht wahrgenommen, dass z. B. bei den Dienstleistungsberufen nicht die Lohnhöhe entscheidend ist, sondern dass es die innere Motivation ist, die bei vielen vermisst wird. Das ist der Punkt, wo wir sagen: Das ist landespolitische Verantwortung, dass wir junge Leute auch mit weniger Qualifikation motiviert ins Arbeitsleben schicken, sie nicht mit Misserfolgserlebnissen konfrontieren, und dass wir jedem sagen, der sich anstrengt: „Auch deine Leistung lohnt sich, auch wenn du nicht zur Spitze gehörst. Auch du sollst eine Chance in diesem Arbeitsleben haben.“

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie das ernst nehmen, dann werden auch für Berufe im Dienstleistungsbereich wieder junge Leute mit geringerer Qualifikation eingestellt werden, weil die Arbeitgeber wissen, dass sie von sich aus das Grundverständnis mitbringen: Diese Gesellschaft braucht mich, für diese Gesellschaft will ich etwas tun.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Da haben wir keinen Dissens!)