Protocol of the Session on November 9, 2006

Da haben Sie recht. Aber dann hätten Sie von den Regierungsfraktionen und der Landesregierung auf Bundesebene einschreiten müssen, bevor es zu diesem Beschluss kommt, die Mittel zu sperren. Kritik, wenn es zu spät ist, hilft nicht weiter.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Uli, gib mal Gas!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Wolf, die verschiedenen Koalitionsoptionen, die im Moment in der Diskussion sind, haben Sie vielleicht etwas verwirrt. Aber man darf schon darauf hinweisen, dass sicherlich seit Jahrzehnten die CDU die Politik und auch die Wirtschaftspolitik in BadenWürttemberg verantwortet, aber dass doch immerhin schon seit zehn Jahren die FDP/DVP den Wirtschaftsminister stellt.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: In wechselnder Besetzung!)

Man darf vielleicht auch darauf hinweisen, dass es einen gewissen Einfluss der FDP/DVP auf das Thema gibt,

(Beifall bei der FDP/DVP)

das wir am heutigen Tag diskutieren.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Es ist richtig: Wir hatten in Baden-Württemberg im Oktober 2006 eine Arbeitslosenquote von 5,6 %. Im Bund lag sie bei knapp unter 10 %. Das Wirtschaftswachstum in Baden-Württemberg wird für dieses Jahr auf 3,3 % prognostiziert. Im Bund liegt die Prognose etwa einen Prozentpunkt darunter. Das hat natürlich Gründe. Ich will jetzt gar nicht das Hohelied der Landesregierung singen, sondern – da hat Herr Schmiedel durchaus recht – würdigen, was die Leistungen auch des baden-württembergischen Mittelstands sind.

Wir haben – das ist besonders erfreulich – eine Umkehrung des Beschäftigungsabbaus. Wir hatten im September 1,207 Millionen Arbeitsplätze im industriellen Bereich in BadenWürttemberg. Das war im Vergleich zum Vormonat eine Steigerung um 2 700 Arbeitsplätze. Das kann kein anderes Bundesland vorweisen.

Dennoch: Die Arbeitslosigkeit von 5,6 % stellt uns noch nicht zufrieden, obwohl uns Ökonomen sagen, dass in einer modernen Industriegesellschaft in der globalisierten Welt eine Arbeitslosigkeit zwischen 4 und 5 % als Vollbeschäftigung anzusehen sei. Das hat damit zu tun, dass die friktionale Arbeitslosigkeit nicht ganz zu überwinden ist. Es hat auch damit zu tun, dass wir natürlich ein Problem mit Geringqualifizierten haben.

Deshalb müssen wir uns drei Dinge überlegen, meine Damen und Herren. Erstens: Wie können wir die gute mittelständische Struktur unserer Wirtschaft weiter halten und ausbauen? Zweitens: Wie können wir den Arbeitsmarkt so entriegeln, dass die friktionale Arbeitslosigkeit zurückgeht? Und drittens: Wie können wir das Problem der Geringqualifizierten endlich wirksam angehen?

Zum Thema 1: Sicherlich, der baden-württembergische Mittelstand, der 66 % der Arbeitsplätze und 80 % der Ausbildungsplätze in unserem Land stellt, ist innovativ. Wir haben eine günstige Struktur. Wir haben eine Struktur von Familienunternehmen. Wir haben eine Struktur von innovativen Unternehmen. Wir stellen fest, dass dieser Mittelstand in der globalisierten Welt konkurrenzfähig ist. Wir müssen weiter daran arbeiten, ihm diese Konkurrenzfähigkeit zu bewahren. Das Thema „Bildung und Innovation“ steht hier mit Sicherheit im Vordergrund. Deshalb bin ich auch dankbar für die vorangegangene Debatte; denn sie ist ein Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Dennoch, meine Damen und Herren, müssen wir auch auf die Bundespolitik blicken. Wir müssen zugeben, dass wir ein Stück weit von einer günstigen weltkonjunkturellen Entwicklung profitieren. Wir müssen auch zugeben – da stehe ich gar nicht an –, dass die Politik der Agenda 2010 ein Schritt – nach unserer Auffassung ein zu kleiner Schritt – in die richtige Richtung gewesen ist

(Abg. Alfred Winkler SPD: So ist es! Das darf man auch einmal in Baden-Württemberg sagen!)

und dass manche der Auswirkungen des Jobwunders natürlich auch damit zu tun haben. Jedenfalls ist die Politik der Agenda 2010 erfolgreicher als das, was ich momentan in der Politik der Großen Koalition erkennen kann.

(Beifall des Abg. Werner Wölfle GRÜNE)

Das Hickhack um die Gesundheitsreform ist mit Sicherheit kein Beitrag zum Jobwunder im Lande Baden-Württemberg,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Siehste!)

ebenso das, was wir jetzt an Steuerreformen vorgelegt bekommen. Mich wundert schon, dass die SPD dem zustimmt, einerseits eine Unternehmensteuerreform zu machen, die netto eine Entlastung von 5 Milliarden € bringt, daneben aber eine Mehrwertsteuerreform, eine Reichensteuer und all dies zu beschließen, was dann ein Vielfaches an Kaufkraft wegnimmt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das war der Kompro- miss! – Gegenruf des Ministers Ernst Pfister: 3 % war der Kompromiss!)

Denn die SPD hat ja jahrelang argumentiert: „Wir brauchen mehr Kaufkraft in der Binnenkonjunktur. Wir brauchen eine Stärkung des Konsums.“

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das nannte aber Frau Vogt gestern „Konsumterror“!)

Aber was Sie machen, ist, dass Sie gerade im Bereich des Konsums das meiste wegnehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jede Koalition braucht Kompromisse!)

Ja. Aber manche Kompromisse sind so schlimm, da sollte man lieber aussteigen, Herr Schmiedel.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Genau! Blattschuss! – Zuruf: Die Mitte zwischen 2 und 0 ist 3! Das ist der Kompromiss! – Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Zum Thema Geringqualifizierte möchte ich auf eine Konjunkturumfrage und Beschäftigungsumfrage der IHK Stuttgart hinweisen. Die IHK Stuttgart sagt uns, dass es zwei Haupthemmnisse für die Einstellung von Geringqualifizierten gibt – deren Anteil am gesamten Arbeitsmarkt beträgt etwa 25 % –: Das eine ist die Lohnhöhe, und das Zweite ist die Verriegelung des Arbeitsmarkts. Bei der Lohnhöhe wird man vielleicht darüber nachzudenken haben, die Vorschläge von Professor Sinn aufzugreifen und Kombilohnmodelle einzuführen, wenn es auch Mitnahmeeffekte gibt; das ist ganz klar. Wir werden natürlich auch darüber reden müssen, wie wir den Kündigungsschutz weiter gestalten; das ist auch klar. Vor allem aber wird es notwendig sein, auch in der Zukunft den Mittelstand weiter zu stärken. Denn nur in der Folge einer erfolgreichen mittelständischen Wirtschaft wird es möglich sein, im Dienstleistungsbereich die notwendigen Arbeitsplätze für Geringqualifizierte zu schaffen.

Zu dieser Thematik vielleicht in der zweiten Runde etwas mehr.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Hillebrand.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Räder rollen wieder; der Konjunkturzug hat weiter Fahrt aufgenommen, und – um im Bild zu bleiben – Baden-Württemberg stellt dabei die Lokomotive. Nach einem realen Wirtschaftswachstum im dritten Quartal dieses Jahres von 2,75 % können wir im Land für das vierte Quartal sogar mit 3,25 % rechnen. Ich bin daher recht optimistisch, dass im Jahresdurchschnitt 2006 sogar endlich wieder einmal eine Drei vor dem Komma stehen wird.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres wiesen die Auftragsbücher der baden-württembergischen Industrie gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum ein kräftiges Plus von 12 % aus. Getragen wurde diese positive Entwicklung insbesondere von einer dynamischen und ungebremsten Auslandsnachfrage mit einem Plus von über 15 %. Wir haben jetzt Gott sei Dank aber auch zusätzliche Impulse aus dem Inland: zum einen durch eine hohe Investitionstätigkeit der Unternehmen – das ist angesprochen worden – und zum anderen in verstärktem Maße auch durch eine anziehende Nachfrage der privaten Haushalte.

Dies zeigt mehr als jede Umfrage: Die Menschen in unserem Land haben wieder Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft. Genau das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Denn wer täglich um seinen Arbeitsplatz bangt, gibt nicht mehr Geld aus als unbedingt nötig.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: So viel zum The- ma Kündigungsschutz!)

Meine Damen und Herren, Ludwig Erhard sagte einmal, die Wirtschaft sei nicht alles, aber ohne Wirtschaft sei alles nichts.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Und ohne li- berale Wirtschaftspolitik erst recht nichts! – Abg. Thomas Blenke CDU: Schon wieder ein qualifi- zierter Zwischenruf!)

Dem kann ich, lieber Herr Kollege, als Staatssekretär im Arbeits- und Sozialministerium nur zustimmen; denn ohne Wirtschaftswachstum gibt es keine neuen Arbeitsplätze. Es ist ja hier auch schon von manchen Seiten infrage gestellt worden, ob Wirtschaftswachstum nötig sei. Ohne Wirtschaftswachstum gibt es keine neuen Arbeitsplätze, und ohne Wirtschaftswachstum kommen wir beim Arbeitsmarkt nicht weiter.

(Beifall bei der CDU)

Genau dort, meine Damen und Herren, auf dem Arbeitsmarkt im Land, tut sich jetzt etwas.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Alles gesicherte Er- kenntnisse!)

Herr Kollege, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist binnen Jahresfrist vom August 2005 bis zum August 2006 um über 35 000 gestiegen. Das ist ein sattes Plus von einem vollen Prozent.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Statistiken können wir auch lesen!)

Lieber Herr Fraktionsvorsitzender von den Grünen, ich kann mir schon vorstellen, dass Ihnen nicht alles gefällt, was ich hier vorzutragen habe.

(Lachen bei der SPD und den Grünen – Unruhe)

Aber das sind Zahlen aus dem Land, und wir stehen im Land wesentlich besser da als die anderen Länder.

(Beifall bei der CDU)