Protocol of the Session on March 2, 2011

Das Vergaberecht ist ein untaugliches Mittel, weil das Land nur im Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie tätig sein kann. Eine generelle Tariftreue für alle Branchen und alle Ver gabeformen – so, wie es im Entwurf vorgesehen ist – ist mit der europäischen Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Das ist der klare Tenor der Rüffert-Entscheidung des EuGH. Ich gebe Ihnen recht, dass es im öffentlichen Nahverkehr ei ne Ausnahme gibt, weil das da nicht in das System passt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Entsendegesetz!)

Ein Tariftreuegesetz, das nur im Rahmen des ArbeitnehmerEntsendegesetzes wirksam ist, brauchen wir nicht,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Doch!)

da bereits Zoll- und Finanzverwaltung auf Verstöße hin kon trollieren. Wenn andere Länder das machen, ist das redundant. Wir brauchen keine überflüssigen Gesetze.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Ihr Entwurf geht weiter und erstreckt sich auf alle Branchen und setzt mit der Kunstfigur des repräsentativen Tarifvertrags eine Marktzutrittsschwelle, die Volkswirtschaften mit gerin gerem Lohnniveau von der Vergabe praktisch ausschließt. Sie müssen sich außerdem den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie in die Tarifautonomie eingreifen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Die staatliche Regulierung des gesamten öffentlichen Verga berechts hat mit fairem Wettbewerb nichts mehr zu tun. Der Staat als größter Nachfrager missbraucht damit seine Markt macht.

Verfehlt ist auch die Mindestlohndebatte. Das Land kann Min destlöhne nicht regeln, da bereits eine bundesrechtliche Re gelung besteht. Die Sperrwirkung des Artikels 72 unseres Grundgesetzes lässt sich nicht wegdiskutieren. Eigentlich kann man hierzu keine unterschiedlichen Rechtsauffassungen vertreten.

Ginge es nach dem Willen der Verfasser des Entwurfs, müss ten die Vergabestellen ihre Arbeit mit einem erheblichen per sonellen und sachlichen Aufwand erledigen und eine Verga bebürokratie aufbauen, deren Effizienz fraglich wäre. Diesen Mehraufwand könnten die Kommunen wegen des Konnexi tätsgrundsatzes als gemeindliche Verpflichtung betrachten. Das Land müsste die Kosten ausgleichen. Aber auch die Ver pflichtungen, die Sie den Anbietern und ihren Subunterneh mern zumuten wollen, würden, betriebswirtschaftlich gese hen, die Kosten erhöhen. Sie würden öffentliche Aufträge da mit zwangsläufig verteuern.

Der Städtetag in Nordrhein-Westfalen geht bei Bauaufträgen von 5 % Mehrkosten aus. Für die öffentlichen Haushalte wür de das eine weitere Belastung bedeuten. Der baden-württem bergische Gemeindetag teilt diese Befürchtung, wie er uns in der Anhörung wissen ließ. Nur die der SPD nahestehenden Gewerkschaften begrüßen das Tariftreuegesetz, aber nicht oh ne noch verschlimmbessernde Vorschläge zu machen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Ansonsten zeigte sich in der Anhörung eine breite Ablehnung des Entwurfs. Auch der Handwerkstag hat Ihren Entwurf ab gelehnt. Wer etwas anderes sagt, hat eine Leseschwäche.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Lesen Sie einmal die Stellungnahme!)

Meine Damen und Herren, wir haben gerade die schlimmste Krise der Nachkriegszeit bewältigt. Daraus sollten wir lernen. Unternehmen, die sich in einer Krise befinden und kollektiv rechtlich mit ihren Betriebsräten eine zeitweise Absenkung des Tariflohns vereinbaren, werden faktisch von der Vergabe ausgeschlossen. Das kann niemand wollen. Der Entwurf sieht dafür keine Ausnahmeregelung vor. Bieten diese Unterneh men dennoch im Wettbewerb mit, droht ihnen eine Vertrags strafe von 1 % der Auftragssumme.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist doch Unsinn!)

Das wirkt zwar nicht gerade abschreckend, könnte aber zu ei nem – –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist Käse!)

Das ist nicht Käse. Das steht doch im Gesetzentwurf.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Nein. Diejenigen, die unterhalb des Tarifvertrags anbieten – –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das findet im Rahmen des Tarifvertrags statt!)

Diese 1-%-Regelung wirkt nicht abschreckend. Im Gegenteil, sie verleitet sogar noch zu rechtsuntreuem Verhalten.

Meine Damen und Herren, Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission, hat im Rahmen seines Besuchs bei uns vor wenigen Wochen gesagt: „Baden-Württemberg ist schon heu te da, wo wir in Europa hinwollen.“ Recht hat er. Baden-Würt temberg darf als Konjunkturlokomotive Europas die anderen Länder nicht abhängen, sondern muss sie mitnehmen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber nicht mit Dum pinglöhnen!)

Davon profitieren letztendlich wir alle. Tariftreuegesetz – nein danke.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitz mann.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Gerade haben wir erlebt, wer eigentlich die „Dagegen-Partei“ im Landtag von Baden-Württemberg ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Sie haben das wunderbar ausgeführt, Herr Kollege Löffler. Sie sind nämlich gegen einen fairen Wettbewerb. Sie sind dage gen, dass Unternehmen, die Tariflöhne zahlen, gute Chancen haben, öffentliche Aufträge zu bekommen. Man fragt sich schon, wo Sie eigentlich leben; denn Baden-Württemberg ist nun

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Kein Vorreiter!)

nicht gerade ein Vorreiter für fairen Leistungswettbewerb. Vie le Bundesländer haben ein Tariftreuegesetz.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es!)

Ich kann es Ihnen noch einmal vorlesen: Berlin, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Saarland,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Saarland ist nicht SPD-regiert! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/ DVP: Alles Nehmerländer! – Gegenruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das hat doch damit nichts zu tun! – Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Alles „Er folgsmodelle“!)

Brandenburg. In vielen weiteren Bundesländern sind derzeit Gesetzentwürfe für ein Tariftreuegesetz in Planung. Es gibt lediglich zwei Bundesländer, die noch nie ein Tariftreuege setz hatten und auch keines planen. Das sind Sachsen und Ba den-Württemberg.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Die erfolgreichsten Länder in Deutschland!)

Das ist die traurige Realität, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Sie sagen, sie seien für einen fairen Leistungswettbewerb. Al le Lippenbekenntnisse helfen aber nichts, wenn Sie nicht be

reit sind, etwas dafür zu tun. Ich kann die Argumentation, die Sie hier vorgebracht haben, einfach nur als Abwehrreflex be werten. Sie haben wieder von überbordender Bürokratie ge sprochen.

(Minister Ernst Pfister: Sie sind vielleicht lustig!)

Das ist immer das Argument der FDP, das in dem folgenden Beitrag sicher noch angeführt wird. Wenn Ihnen etwas nicht passt, reden Sie immer von Bürokratie. Andererseits haben Sie in vielerlei Hinsicht in diesem Land nichts für einen Bü rokratieabbau getan. Wir fordern schon ewig einen Normen kontrollrat, durch den kleine und mittlere Unternehmen, die unter Bürokratie leiden, entlastet werden sollen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wollen Sie die Arbeit des Kollegen Scheffold rügen?)

Wir wollten eine zeitliche Befristung von staatlichen Rege lungen. Man hätte ein Gaststättengesetz verabschieden kön nen, das Bürokratie reduziert. All das haben Sie nicht auf den Weg gebracht. Insofern können wir Ihre Bürokratieabwehrre flexe nicht ernst nehmen.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Der Kollege Löffler behauptete in der vergangenen Plenarsit zung im Rahmen der ersten Lesung des Gesetzentwurfs, das Rüffert-Urteil sei gut. Man müsse jetzt sorgfältig Handlungs alternativen prüfen. Sie seien auch bereit, Ihre Position zu überdenken.