die vermeintlich als modern gelten, über die aber z. B. ein Bür gerentscheid in Hamburg die wahre Position der Bevölkerung zutage gebracht hat, nämlich dass die Bevölkerung dies nicht will.
Der Gesetzentwurf, den die SPD vorlegt, beinhaltet einen Punkt, in dem wir uns einig sind, den wir aber nicht durch ei ne Gesetzesänderung verankern müssen. Das ist der Punkt, mehr individuelle Förderung in den Schulen zu haben. Die sen Aspekt wollen auch wir immer weiter nach vorn bringen.
Wir haben im Schulausschuss eine Diskussion über die Be deutung von individueller Förderung geführt. Es war interes sant, dass eine Vertreterin der Grünen ausweislich des Berichts über die Beratungen im Schulausschuss zum Ausdruck ge bracht hat, dass bei einer individuellen Förderung – so, wie sie sie versteht – die Schülerinnen und Schüler, die in einem bestimmten Fach auf einem höheren Leistungsstand sind, in eine andere Lerngruppe gehen können.
Dieses Konzept ist das Konzept der Gesamtschulen, das in Deutschland schon ausprobiert worden ist und bei dem man eben nicht die Erfolge erzielt hat, die von Ihrer Seite aus da mit verbunden werden. Im Gegenteil: Untersuchungen über diese Gesamtschulen haben erbracht, dass die soziale Kom petenz der Schülerinnen und Schüler darunter leidet, dass man sie aus dem Klassenverband herausnimmt und immer wieder zu unterschiedlichen Gruppen zusammenstellt.
Individuelle Förderung, wie wir sie verstehen, bedeutet, dass in einem Klassenverband auf unterschiedliches Lerntempo und auf den Lernstand der Kinder eingegangen wird. Das ist etwas ganz anderes, als sie in unterschiedliche Leistungsgrup pen zu differenzieren. Dieses Konzept geht, glaube ich, nach wie vor besser, wenn wir es verankern wollen, wenn die Grup pen nicht zu heterogen sind. Wir haben auch in den Schular ten, die wir in Baden-Württemberg haben, heterogene Lern gruppen. Aber sie werden noch heterogener, wenn Sie Ihre Vorstellungen einer Schulstruktur umsetzen. So werden wir es nicht leichter haben, individuelle Förderung unterzubrin gen.
Sie kommen immer wieder mit der Frage der Demografie. Sie haben auch in der letzten Debatte das GEW-Gutachten zitiert. Ich möchte Sie darum bitten, darauf einzugehen, dass in die sem Gutachten, das Sie immer wieder zitieren, unterstellt wird, dass eine Werkrealschule, die genehmigt ist, dann, wenn sie nicht mehr zweizügig ist, den Status einer Werkrealschu le verlieren würde. Das ist bei den dauerhaft genehmigten Werkrealschulen nicht der Fall. Deshalb sind die Zahlen, die diesem Gutachten zugrunde gelegt sind, für die politische Dis kussion darüber nicht tauglich.
Meine Damen und Herren, gehen Sie bitte auf das ein, was wir Ihnen immer wieder vorhalten, wenn wir über die Grund schulempfehlung diskutieren und Sie sagen, dass die Grund schulempfehlung aufgegeben und ein freies Elternwahlrecht eingeführt werden solle. Wir halten Ihnen entgegen, dass Bau mert davon ausgeht, dass die soziale Disparität, also die Ab hängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft, größer wird, wenn die Frage des Übergangs auf die weiter führenden Schularten den Eltern überlassen bleibt und nicht an eine Grundschulempfehlung gebunden wird.
Gehen Sie bitte darauf ein; denn das halte ich in einer inhalt lichen Auseinandersetzung für wichtig.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es uns da rum, bessere Lernmöglichkeiten für alle Kinder zu schaffen. Das ist die Grundvoraussetzung. Wir wissen – Herr Schebes ta, das ist auch von Ihnen nicht bestritten worden –, dass wir in Baden-Württemberg im Bildungssystem eine Ungleichheit haben, die vor allem durch die soziale Herkunft geprägt ist. Das haben uns die Studien eindeutig belegt.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Dann sagen Sie doch einmal etwas zu der Aussage von Baumert! Gehen Sie doch einmal darauf ein!)
Deswegen stelle ich fest: Wir haben ein ungerechtes Bildungs system, das wir mit unserem Gesetzentwurf gerechter machen wollen.
Sie haben nun natürlich auch die Bedeutung der individuel len Förderung erkannt. Sie sagen aber, dass diese nicht zu he terogen sein dürfe.
Ich empfehle Ihnen, einmal den „Staatsanzeiger“ vom 25. Fe bruar zu lesen. Dort sagt der Neurobiologe Professor Hüther Folgendes – das will ich Ihnen gern einmal zitieren, damit Sie den Grundgedanken unserer Position erkennen –:
Schule macht Spaß, wenn gemeinsam entdeckt und ge staltet wird, man dazugehört und jeder seine spezifischen Fähigkeiten zum Gelingen einer Sache einbringen kann. Wenn sich alle gemeinsam um ein Problem kümmern, die Denker und die Handwerker, Behinderte und Nichtbehin derte. Bei gemeinsamen Projekten kommen die Unter schiedlichkeiten der Kinder zum Tragen. Selektion ist da mit überflüssig. Es ist ein biologisches Harakiri-Modell, alle Schüler gleich und EU-genormt in die Schemata zu pressen.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Sie wollen alle in ei ner Schule gleichmachen! – Weitere Zurufe von der CDU)
Genau das ist der Punkt. Deswegen plädieren wir in diesem Gesetzentwurf für die Gemeinschaftsschule, für eine Schule der Vielfalt. Das ist unsere Position.
Nein, es ist nicht mehr amüsant, es ist schon tragisch, wie Sie gerade in der Werkrealschuldiskussion herumeiern. Was haben Sie hier zur Zweizügigkeit der Werkrealschule große
Töne gespuckt! Jetzt ist die Einzügigkeit plötzlich zugelas sen. Denn Sie merken, dass Sie mit Ihrem Modell gescheitert sind.
Das ist doch das Problem. Anstatt zuzulassen, dass eine Schu le auf dem Dorf bestehen bleiben kann und dort mehrere Ab schlüsse gemacht werden können,
anstatt diesen Weg zu gehen, haben Sie blockiert, haben Sie solche Konzepte bisher verhindert. Das ist Ihr Problem. Wir werden den anderen Weg gehen.
Unser Gesetzentwurf sieht auch echte Ganztagsschulen vor. Auch das haben Sie hier lange blockiert und verhindert. Was haben wir uns hier anhören müssen, dass dies alles nicht mög lich sei. Plötzlich, kurz vor der Wahl, kommen Sie auf die Idee und sagen: „Das müssen wir jetzt aber doch in einem Schul gesetzentwurf festlegen.“ Das, was Sie hier betreiben, nenne ich heuchlerisch und pharisäerhaft.
Deswegen geht es uns darum, mit diesem Gesetzentwurf Schulen den Freiraum zu geben, innovative Schulkonzepte machen zu dürfen, sie darin zu fördern, anstatt zu blockieren, wie Sie das nachweislich machen. Die Schule muss von un ten wachsen. Wir wollen nicht von oben diktieren, wie die Schule auszusehen hat; wir wollen Schulentwicklungsprozes se hin zum längeren gemeinsamen Lernen stärken.
Ich sage Ihnen auch deutlich: Es ist Quatsch, wenn Sie und Ihr Fraktionsvorsitzender davon reden, dass unser Konzept, Schule von unten wachsen zu lassen, Schule im Dorf zu las sen, Milliarden kosten würde.