Protocol of the Session on March 1, 2011

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskam mertag hat noch einmal darauf hingewiesen, dass in BadenWürttemberg bereits im Jahr 2014 über 3 000 Fachkräfte feh len werden. Das heißt, dass wir in diesem Land nicht mehr viel Zeit haben. Wir müssen es endlich anpacken und es schaf fen, dem Fachkräftemangel offensiv zu begegnen. Dazu ge hört in erster Linie, dass die am besten ausgebildete Frauen generation in unserer Geschichte auch eine echte Chance ha ben muss, ihre beruflichen Fertigkeiten anzuwenden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Wenn wir es ernst damit meinen, dass Frauen echte Gleich stellung erfahren sollen, dass sie ihre Talente in der Gesell schaft, in der Wirtschaft wirklich entfalten können sollen, da mit nicht nur die Hälfte des Himmels, sondern auch die Hälf te der Erde den Frauen gehört, dann muss diese Gleichstel lung endlich auch in den Führungsetagen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung ankommen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir auch in BadenWürttemberg eine Frauenquote.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Sehr gut!)

Die Zukunftsfähigkeit des Landes hängt natürlich auch von einer guten Verkehrsinfrastruktur ab. Sie hängt davon ab, dass wir starke Unternehmen haben, die gut forschen und entwi ckeln. Sie hängt davon ab, dass wir im Bereich der Bildung genügend Geld anlegen. Aber die Zukunft dieses Landes hängt auch davon ab, dass Männer und Frauen in diesem Land end lich die gleichen Chancen bekommen. Dafür werden wir kämpfen – jetzt und auch nach dem 27. März 2011.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Krueger.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jetzt kommt die CDU!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich richtig gezählt habe, sind es sieben Kolleginnen, die diesem Landtag in der neuen Legislaturpe riode nicht mehr angehören werden, weil sie nicht mehr kan didieren. Deshalb will ich zu Beginn dieser Debatte die Chan ce nutzen, ihnen und allen anderen Frauen dieses Parlaments –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und warum nicht den Männern?)

zugleich auch im Namen der frauenpolitischen Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Elke Brunnemer, die, wie Sie gehört haben, heute krank ist – sehr herzlich zu danken.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD und der Grünen – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ja!)

Es ist ein Dank für das große, gemeinsame, über die Frakti onsgrenzen hinweg getragene Engagement in Frauen- und Gleichstellungsfragen. Wir haben uns über das institutionali sierte, interfraktionelle Frauenfrühstück gemeinsam und sehr engagiert für die Belange von Frauen und für eine aktive Gleichstellungspolitik eingesetzt.

Hin und wieder haben wir erlebt, dass es notwendig war, mah nend die Stimme zu erheben, wenn bei der Gremienbesetzung einmal mehr die Frauen nicht zum Zuge kamen. Dort, wo Frauen Hilfe und Schutz brauchten, haben wir uns gemein sam für die Einrichtung eines Opferschutzfonds eingesetzt. Wir haben den geschlechterspezifischen Aspekt in den Lan deshaushalt eingebracht. Nun sind wir gespannt, wie sich das Pilotprojekt „Gender-Budgeting“ im Wirtschaftsministerium und im Sozialministerium weiter entfalten wird.

Es wäre sicher noch vieles zu nennen; in einer fünfjährigen Legislaturperiode kommt einiges zusammen. Bemerkenswert war, dass wir uns in den Zielen, die wir verfolgt haben, eigent lich stets einig waren. Lediglich über den Weg dahin gab es hin und wieder unterschiedliche Auffassungen. Ich denke, dies wird auch bei der heutigen Diskussion der Fall sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gleichberechtigung ist kein Luxus, sondern ein Gebot unserer Verfassung. Recht liche Gleichstellung muss aber auch im Alltag gelebt werden. Dabei spüren Frauen nach wie vor leider einige Defizite. Des halb dürfen wir in unserem Bemühen – ich sage hier an die Adresse der Frauen auch ganz bewusst: in unserem gemein samen Bemühen – um die weitere Verbesserung der Chancen gleichheit für Frauen und Männer nicht nachlassen.

Ein Kernthema ist ganz sicher nach wie vor die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zunehmend auch von Beruf und Pflege. Vor besondere Herausforderungen stellt uns nach wie vor das unterschiedliche Berufswahlverhalten von Männern und Frauen. Auch die Frage der Entgeltgleichheit – oder ei gentlich der Entgeltungleichheit – kann uns nicht ruhen las sen. Denn diese Entgeltungleichheit ist deshalb unbefriedi

gend, weil sie eben nicht in allen Punkten sachlich zu begrün den ist. Deswegen werden auch diese Disparitäten weiterhin auf der Tagesordnung bleiben.

(Unruhe – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Pst!)

Deshalb steht der Equal Pay Day am 25. März 2011 mahnend im Raum. Das ist der Tag, an dem die Frauen das Erwerbsein kommen erwirtschaftet haben werden, das die Männer bereits am 31. Dezember 2010 erlangt hatten. Das heißt: Politik, Wirt schaft und Gesellschaft sind weiterhin gefordert, Chancen gleichheit zu verwirklichen.

Nun hat Herr Dr. Schmid vorhin schon viele Punkte angespro chen, die er nicht ausreichend verwirklicht sieht. Dennoch glaube ich, dass wir mit Fug und Recht sagen können, dass in Baden-Württemberg wie auch in der Bundesrepublik Deutsch land insgesamt viele Maßnahmen auf den Weg gebracht wur den. Dies beginnt beim Bundeselterngeld, an dem zunehmend auch Männer partizipieren. Dies ist nicht ohne Bedeutung für die Frage: Wie sieht es mit den Berufschancen für Frauen aus? Diesen Zusammenhang sollte man nicht übersehen. Das geht weiter mit dem ergänzenden Landeserziehungsgeld, dem Aus bau der Kleinkindbetreuung, der Ganztagsangebote in Kin dergärten und Schulen, geht aber natürlich auch bis hin zu den bekannten MINT-Programmen, durch die man sich darum be müht, Frauen für naturwissenschaftliche Studiengänge und Berufe zu gewinnen, zu interessieren und sie dabei auch zu begleiten.

Die Landesregierung hat in der vergangenen Legislaturperio de ein Aktionsprogramm Chancengleichheit aufgelegt und umgesetzt. Lieber Herr Schmid, den von Ihnen angespro chenen bundesweiten Gleichstellungsatlas gäbe es gar nicht, wenn die Sozialministerin des Landes Baden-Württemberg diesen nicht per Antrag in der Frauen- und Gleichstellungs ministerinnenkonferenz auf den Weg gebracht hätte. Ich glau be, auch das gehört zur Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Claus Schmie del SPD: Wir wollen auch Ergebnisse sehen! – Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD – Der Rednerin wird das Ende ihrer Redezeit angezeigt.)

Ich würde gern meine Redezeit, die ich für die zweite Run de habe, jetzt in Anspruch nehmen, wenn es gestattet ist. Dann kann ich meine Ausführungen in einem Zug beenden.

Auch der Bilanzbericht nach dem Chancengleichheitsgesetz in Baden-Württemberg zeigt positive Entwicklungen, auch wenn gleichzeitig deutlich wird, dass natürlich weiterer Hand lungsbedarf besteht. So ist z. B. der Frauenanteil in der B-Be soldung, also in den Führungspositionen, im Land inzwischen bei 14,5 % angelangt, nachdem noch im Jahr 2005 lediglich 9 % der Personen in der B-Besoldung Frauen waren. Wenn man nun aber sieht, dass der Frauenanteil im höheren Dienst bei 43 % liegt, dann wird auch offenbar, wo noch Nachholbe darf besteht.

(Zuruf des Abg. Albrecht Fischer CDU)

Wir müssen uns aber auch über eines im Klaren sein: Diese Entwicklung wird nicht allzu rasant vor sich gehen, weil wir hier auf die natürliche Fluktuation setzen müssen.

Wenn wir in die Privatwirtschaft schauen und nach Frauen in Führungspositionen suchen, dann werden wir sie wie weiße Raben nur äußerst selten finden. Das erstaunt – da haben Sie völlig recht, Herr Schmid – vor dem Hintergrund, dass wir die am besten ausgebildete Frauengeneration aller Zeiten vorfin den.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das liegt an der man gelnden Kinderbetreuung!)

Deshalb, finde ich, ist der Vorschlag zur Einführung einer Frauenquote z. B. zur Besetzung von Aufsichtsräten durchaus bedenkenswert und diskussionswürdig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Herrmann, aufpassen! – Gegenruf des Abg. Klaus Herrmann CDU: „Diskussionswür dig“! Ich habe aufgepasst! Diskussionswürdig ist al les!)

Bedenkenswert und diskussionswürdig.

(Unruhe)

Ich finde es toll, dass die Chancengleichheitsfragen für so viel Emotion sorgen. Ich finde, sie haben es verdient.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Diskussionswürdig ist alles! – Anhaltende Unruhe)

Gemach, gemach! Wahlkampf können wir draußen wieder machen. Jetzt sind wir erst einmal in der Plenardebatte.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sprechen Sie für die Fraktion?)

Der Deutsche Akademikerinnenbund fordert in seiner Nürn berger Resolution die Verankerung einer Frauenquote im Ak tiengesetz. Das wäre für sich genommen ein möglicher Weg, allerdings ist er faktisch natürlich zu kurz gesprungen. Denn sämtliche anderen Unternehmensformen wie z. B. die GmbHs wären damit außen vor.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber man kann ja ein mal anfangen!)

Das heißt, wenn man sich auf diesen Weg begeben will, dann muss man über die Ausgestaltung noch sehr intensiv diskutie ren und z. B. auch die besondere Situation mancher nahezu frauenfreien Branchen mit berücksichtigen. Aber an der Grundfrage, meine Damen und Herren, sind, glaube ich, nach vielen freiwilligen Versuchen wirklich ernsthafte Zweifel kaum noch anzubringen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf: Aha! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo bleibt der Applaus der CDU?)

Denn wenn es diesen Handlungsbedarf nicht gäbe, müssten schon heute die Hälfte der Führungspositionen mit Frauen be setzt sein. Dieser Satz stammt im Übrigen nicht von mir, son dern von einer Ministerin der Landesregierung.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was macht die Frakti on? Die ist ruhig! – Gegenruf des Abg. Helmut Wal ter Rüeck CDU: Das ist bloß die Ruhe vor dem Sturm, Herr Schmiedel!)

Ich teile ihn aber vollinhaltlich. Gleichwohl respektieren wir unterschiedliche Lebensentwürfe. Deshalb fordern wir auch differenzierte Lösungsansätze. Aber wir wollen – da darf ich Sie beruhigen; wenn Sie in den Veröffentlichungen unseres Fraktionsvorsitzenden nachlesen, werden Sie das bestätigt fin den –, dass gleiche Arbeit gleich bezahlt wird und dass Frau en die tatsächliche Teilhabe in Wirtschaft, Politik und Gesell schaft möglich wird.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Deshalb stehen wir für eine gleiche Wertschätzung aller Le bensentwürfe, aber eben auch dafür, dass die Beschäftigungs quote und das Karrierepotenzial von Frauen weiterentwickelt und gefördert werden.

Nur sind wir für einfache Lösungen, wie sie die Opposition immer so gern verkauft, nicht zu haben. Wir sind uns vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des sich ab zeichnenden und teils schon bestehenden Fachkräftemangels der Vielschichtigkeit dieser Aufgabe durchaus bewusst. Wir verschließen die Augen nicht, auch wenn ich noch einmal deutlich darauf hinweisen will: Das Thema „Frauen in Gre mien der Privatwirtschaft“ ist zunächst einmal eine Frage des Bundesgesetzgebers. Das wissen Sie. Dennoch sollten wir nicht darauf warten, bis die EU-Kommission im Rahmen ih rer Gleichstellungsstrategie ab 2012, wie sie es angekündigt hat, einen eigenen Vorschlag für gesetzliche Maßnahmen un terbreitet. Wir sollten diesen Politikbereich so, wie wir es schon in der Vergangenheit getan haben, auch in der Zukunft aktiv und begleitend mitgestalten. Deshalb bin ich der Über zeugung, dass die heutige Debatte nur ein weiterer Mosaik stein in der Diskussion um die weitere Gleichstellung von Männern und Frauen sein wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.