Letztlich wird es darauf ankommen, dass der Bund seine Verantwortung an dem Gesamtprojekt übernimmt. Es wäre verkehrspolitisch für das Land überhaupt nicht zu verantworten, lediglich die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm mit Baubeginn ab dem Jahr 2017 ins Auge zu fassen.
Ich wiederhole es: Es gibt keine vernünftige Alternative zu Stuttgart 21. Es gibt keine Alternative, die billiger wäre.
Will man eine Leistungssteigerung des Bahnhofs und eine funktionierende Anbindung an die Neubaustrecke, dann fallen bei Beibehaltung des Kopfbahnhofs, des Sackbahnhofs – man kann den ja nicht nur grün anstreichen; ich habe es schon einmal gesagt, Herr Palmer – in jedem Fall Investitionskosten von über 2 Milliarden € an. Davon wird sich auch der Bund überzeugen lassen.
Meine Damen und Herren, ich will zu dem, was heute gemutmaßt wird, noch zwei, drei Sätze sagen. Wenn in den „Stuttgarter Nachrichten“ getitelt wird, durch das Land sollten Baurisiken bis 800 Millionen € getragen werden, dann will ich dazu klar sagen: Der von der Deutschen Bahn AG in die Wirtschaftlichkeitsrechnung eingestellte Risikozuschlag ist eine gegriffene Zahl
und nicht durch konkrete Untersuchungen belegt. Nach Einschätzung eines Gutachters, den wir vom Land aus befragt haben, liegt das realistische Kostensteigerungsrisiko bei etwa 300 Millionen €.
Aber wichtiger ist die Frage: Wie gehen wir mit dem Kostenrisiko, das zweifellos – in welcher Größenordnung auch immer – vorhanden ist, um?
Das ist zwischen den Beteiligten noch nicht abschließend geklärt. Es gibt da Modellrechnungen. Aber am allerwichtigsten ist für mich – das hat auch die Deutsche Bahn AG so akzeptiert –: Das Land hat als Bedingung für eine Beteiligung am Risiko die Einsetzung eines unabhängigen Projektsteuerers gefordert, der den Bauablauf kontrollieren und auf
die Einhaltung des Kostenrahmens achten soll. Die Deutsche Bahn AG – ich sage es noch einmal – hat dies auch ausdrücklich zugesagt.
Meine Damen und Herren, ein Stichwort, das hier in der Debatte genannt wurde, war EU-Förderung. Ich will darauf mit zwei Sätzen eingehen: Die EU-Förderung muss kommen. Aber die EU ist nicht das Problem. Diesen Eindruck habe ich nach allen Gesprächen mit Professor Balázs: Die EU ist nicht das Problem. Der Bund darf Stuttgart 21 nicht diskriminieren, er darf das Land nicht diskriminieren.
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wer regiert im Bund? – Gegenruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die Grünen nicht!)
Eine Finanzierung, wie sie woanders problemlos möglich ist – also etwa bei der Anbindung des Flughafens Leipzig –, muss auch in Baden-Württemberg selbstverständlich sein. Baden-Württemberg ist der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Transfers und der Aufbau Ost sind notwendig; dazu stehen wir. Aber nach dem neuen Investitionsrahmenplan des Bundes sollen 80 % – 80 %! – der Schienenmittel in den Osten fließen. Wer Baden-Württemberg absägt, sägt an den wirtschaftlichen Grundlagen Deutschlands.
Deswegen nochmals: Der Bund muss aktiv und finanziell mithelfen, dass die Magistrale Stuttgart–Flughafen–Ulm realisiert wird. Ich bin zuversichtlich, dass dies auch geschieht.
Herr Minister, wenn der bisher in der Wirtschaftlichkeitsrechnung eingestellte Betrag von 250 Millionen € durch die EU nicht in dieser Höhe geleistet wird, wer übernimmt dann den Differenzbetrag zwischen der tatsächlich geleisteten Summe und den veranschlagten 250 Millionen €?
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das muss man ver- handeln! Das muss man verhandeln mit dem Bund und der DB!)
Zweite Frage: Wenn diese Wirtschaftlichkeitsrechnung, wie es jetzt in der Presse nachzulesen ist, mit einem Risiko von 1 Milliarde € versehen wird: Bis zu welchem Betrag hat die Landesregierung Zusagen gemacht, dieses Tunnelrisiko zu übernehmen, oder beabsichtigt sie, solche Zusagen zu machen?
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wer kommt auf die 1 Milliarde? – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Und drittens: Wer hat die Zahlen an die Presse ge- geben?)
Herr Kollege Palmer, warum fragen Sie nicht, was geschehe, wenn das Risiko bei 5 Milliarden € liegt?
All diese Fragen, die Sie jetzt angesprochen haben, werden in dem Arbeitskreis seriös aufgearbeitet, und dann wird man sich über die Verteilung der Risiken einigen, und zwar bis zum Frühjahr. Dann werden Sie eine klare Antwort auf diese Fragen erhalten.
Mit Spekulationen kann man natürlich auch Debatten bestreiten. Aber wenn ich in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 23. Oktober 2006 lese „aus dem erweiterten Teilnehmerkreis“, muss ich dazu sagen: Da gab es einen Gesprächskreis. Einen erweiterten Teilnehmerkreis habe ich nicht gesehen. Am Rande dieser Sitzung ist irgendwo in den Wandelgängen Boris Palmer aufgetaucht und hat auch noch etwas dazu gesagt.
Nur: Das entbehrt natürlich einer seriösen Gesprächsgrundlage. Deswegen spekulieren wir hier nicht herum. Wir ermitteln die Risiken. Wir stellen dazu Alternativrechnungen vor. Im Frühjahr werden wir uns ganz konkret darauf verständigen, wie diese Risiken zu verteilen sind.
Dann werden wir auch exakte Angaben haben, was den Umfang dieser anzunehmenden Risiken anbelangt. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Wichtiger ist für mich, dass der Bund unsere Voraussetzung akzeptiert hat, dass wir einen Projektsteuerer einsetzen, der die Risiken minimiert. Bei seriöser Schätzung werden diese weit unter dem liegen, was bislang hier in der Spekulation ist.
Meine Damen und Herren, dieses Projekt hat für BadenWürttemberg, hat für die Bundesrepublik eine sehr große Bedeutung. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Fakten, die jetzt konkret auf dem Tisch liegen, dazu führen werden, dass dieses Projekt auch realisiert wird. Tragen wir unseren Teil dazu bei, dass wir jetzt die Chance ergreifen und nicht erst im Jahr 2017 oder überhaupt nicht. Jetzt haben wir eine Chance, die sich uns vielleicht nie mehr in dieser Form bieten wird.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie noch darauf hinweisen, dass heute im Plenarsaal einige Aufnahmen zur Ergänzung unseres Landtagsfilms gemacht werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße ausdrücklich, dass der Minister sehr sachliche Ausführungen gemacht hat,
Herr Minister, offiziell steht nun fest: Das Land Baden-Württemberg, die Region und die Stadt sollen für Stuttgart 21 einen Finanzierungsanteil von 884 Millionen € erbringen, 250 Millionen € EU-Mittel sind unsicher, 340 Millionen € Mehrerlöse aus dem Bahnverkehr können nicht garantiert werden und sind daher auch unsicher, und die Vorfinanzierungszusage des Landes, die unter Erwin Teufel noch 1 Milliarde DM lautete, ist mittlerweile mit einem Umtauschkurs von 1 : 1 in 1 Milliarde € umgewandelt worden.
Das ergibt in der Summe 2,4 Milliarden € Mittel aus Baden-Württemberg für dieses Eisenbahnprojekt, das eine Bundesaufgabe darstellt. Das heißt, zusätzlich zum Länderfinanzausgleich schieben wir 2,4 Milliarden € aus BadenWürttemberg weg in andere Kassen. Das müssen Sie sich schon einmal klarmachen und uns erklären.
Wir haben es unterlassen, genau diese Summe – 2,4 Milliarden € – zur Finanzierung einer Landesaufgabe zu verwenden, nämlich für die Sanierung unserer Universitäten. Wäre es nicht besser, 2,4 Milliarden € aus unseren Kassen in die Sanierung unserer Universitäten zu investieren, statt eine Aufgabe zu übernehmen, für die allein der Bund zuständig ist?
Bei 2,4 Milliarden € Landesbelastung ist leider noch nicht Schluss. Es geht um 640 Millionen € Grundstückserlöse, die die Stadt Stuttgart übernimmt. Diese Grundstücke werden bisher nur von öffentlichen Unternehmen gekauft – Landesbank etc. –; das heißt, auch dieser Betrag kommt aus unseren Kassen.
Außerdem – und das ist neu; das liegt erst heute auf dem Tisch und ist, Herr Minister, erst am Montagabend bekannt geworden, und zwar durch ein Gespräch mit der Bahn in Frankfurt; auch Sie wissen das – liegt jetzt die Forderung, ein Risiko von 1 Milliarde € beim Tunnel abzufedern, auf dem Tisch.
Nun kann man sagen, es gebe ein Gutachten, nach dem das Risiko nur bei 300 Millionen € liege, Herr Minister. Ist das der gleiche Gutachter, der die Kunstschätze aus Baden begutachtet hat? Ich weiß es nicht. Aber ich kann Ihnen sagen, dass es Erfahrungswerte mit solchen Tunnelprojekten gibt. Ich nenne sie Ihnen: Ingolstadt–Nürnberg: beim Baubeginn 2,0 Milliarden €, bei Bauvollendung 3,6 Milliarden €, also 80 % Kostensteigerung; Frankfurt (Main)–Köln: beim Baubeginn 4,0 Milliarden €, bei Bauvollendung 6,0 Milliarden €, also 50 % Kostensteigerung; Berlin Hauptbahnhof trotz Abspeckung: beim Baubeginn 500 Millionen €, bei Bauvollendung 700 Millionen €, also 40 % Kostensteigerung; Lötschbergtunnel in der Schweiz – errichtet durch die erfahrensten Tunnelbauer der Welt –: 34 % Kostensteigerung von Baubeginn bis heute; Neue Alpentransversale in
der Schweiz: beim Baubeginn 16 Milliarden Franken, nach der aktuellen Kostenschätzung 24 Milliarden Franken.