Protocol of the Session on November 8, 2006

mehrere Wochen im Unterricht gewesen ist oder am Unterricht teilgenommen hat und – darauf kommt es an – das dann vernetzt hat; denn die Kinder haben ja nicht nur ein Schulproblem, sondern sie haben oft ganz andere Probleme. Wenn wir einen separaten Sozialarbeiter an der Schule allein lassen, dann haben Sie spätestens nach einem Jahr keine Vernetzung mehr zu den regionalen Jugendhilfeträgern und zu den vielen sinnvollen ergänzenden Maßnahmen.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Unsinn! Keine Ah- nung!)

Ich will Ihnen das einfach noch einmal servieren, und zwar mit einem Vergleich aus der Küche: Sie verlangen einen Eintopf. Der Eintopf heißt Schule, Schulsozialarbeit, Erziehung und Bildung. Das ist für Sie ein großer Topf.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Sie haben nichts ver- standen! Keine Ahnung!)

Sie brauchen diesen großen Eintopf deswegen, weil da natürlich wichtig ist, dass das Land als Financier von diesem

Schulsozialtopf die Finanzierung und die Federführung übernimmt. Wir brauchen aber, weil die Kinder unterschiedlich sind und weil auch nicht jedes Kind Schulsozialarbeit benötigt, keinen Eintopf für alle, sondern wir brauchen ein Menü. Ein Teil des Menüs kann die Schulsozialarbeit sein. Es steht überhaupt nichts dagegen, wenn bei diesem Menü mehrere mitfinanzieren. Es hat noch keinem Menü geschadet, wenn sich der beteiligt, der es am besten kann.

(Zuruf bei den Grünen)

Die Kommunen können gut Jugendhilfe, das Land kann gut Bildung und Erziehung, und die Kombination aus beidem ist, glaube ich, ganz gut. Uns war von Anfang an klar – den Kommunen musste es auch klar sein; wir haben es oft genug gesagt, und zwar seit drei Jahren; es ist nicht überraschend weggefallen –, dass die Jugendsozialarbeit an den Schulen ein Modellversuch ist. Diese Anschubphase ist nun vorbei und meine Rede auch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Christoph Bayer SPD: Gott sei Dank!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Bayer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Rede von Herrn Hoffmann hat gezeigt, dass er definitiv nicht auf der Höhe der aktuellen Diskussion ist.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ach komm!)

Was wir schon seit einigen Jahren sowohl im Bereich der Jugendhilfe als auch im Bereich der Schule diskutieren, ist ein Zusammenführen der Begriffe Erziehung, Bildung und Betreuung. Was Sie gemacht haben, ist eine Aufspaltung: die Familie für die Erziehung, die Schule für die Bildung und die Jugendhilfe für die Betreuung. Das ist wirklich eine Diskussion von vorgestern.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich nenne Ihnen die Knackpunkte in der Diskussion, die klar sind. Schulsozialarbeit ist nach unserer Auffassung nicht irgendeine Aufgabe von Jugendhilfe, sondern sie ist Bestandteil des Schulalltags und deswegen auch als Landesaufgabe zu definieren.

Der zweite Knackpunkt ist die gesetzlich verbindlich geregelte Kooperation, von der Sie auch gesprochen haben. Sie ist im SGB VIII bundesrechtlich geregelt als Pflichtaufgabe der Jugendhilfe. Dem entspricht in keiner Weise eine entsprechende Verpflichtung im Schulgesetz. Deswegen muss es in Baden-Württemberg aufgenommen werden.

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Aber im Kommu- nalgesetz!)

Das sind unsere Forderungen. Ich möchte jetzt, obwohl mir am Schluss Ihrer Rede ab und zu fast der Gaul durchgegangen ist, noch einmal in aller Sachlichkeit versuchen, unsere Forderungen herzuleiten und zu begründen.

Das mache ich zunächst mit dem Hinweis auf die Feststellung: Schulpädagogik hat sich verändert, Herr Hoffmann. Die Diskussion um das, was gute Schulen heute wirklich ausmacht, um die Stärkung der Autonomie in den einzelnen Schulen, die Diskussion um gemeinwesenorientierte Schulen, all diese Diskussionen münden in einer grundlegenden Einsicht, nämlich dass die Schule für die Schülerinnen und Schüler nicht nur ein Lernort, sondern ein Lebensort ist. Nach diesem Selbstverständnis werden Schülerinnen und Schüler nicht allein in ihrer Schülerrolle, in ihrer Lernrolle wahrgenommen, sondern auch als Personen mit ganz vielfältigen Bedürfnissen, mit Interessen, mit Entwicklungsaufgaben und auch mit Problemen bei der Lebensbewältigung. Das muss allerdings auch Konsequenzen haben, organisatorische Konsequenzen für den Schulalltag. Das eröffnet auch eine neuartige Koordination und Annäherung von Jugendhilfe und Schule. Das macht eine Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule nicht nur sinnvoll, sondern auch zwingend notwendig und verpflichtend.

Aber – ich gehe auf den zweiten Aspekt ein – auch Sozialpädagogik hat sich verändert. Sie sprachen davon. Mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz von 1990 erfuhr das Angebot der Schulsozialarbeit als Jugendhilfeleistung in § 13 erstmals einen rechtlichen Anker. Mit dem Konzept der Lebensweltorientierung aus dem Achten Jugendbericht ist es der Jugendhilfe gelungen, die Schule als zentralen Lebensort von Kindern und Jugendlichen systematisch in den eigenen Begründungszusammenhang einzubeziehen.

Diese Entwicklungen sind zwischenzeitlich auch in der Politik angekommen. Ich zitiere aus berufenem Munde:

Wir müssen endlich ernst machen mit der individuellen Förderung von Schülern. Und dafür brauchen Lehrer mehr Unterstützung von Spezialisten – z. B. von Logopäden, Schulpsychologen und Sozialarbeitern.

So Bundespräsident Horst Köhler in seiner Berliner Rede vom 21. September dieses Jahres.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wohlgemerkt, Herr Hoffmann und Regierungsfraktionen: Mehr Unterstützung von Spezialisten hat der Bundespräsident angemahnt. Kein Wort von ehrenamtlichen Jugendbegleitern, die in der Realität lediglich eine Ergänzung sein können.

Zum wiederholten Male: Schulsozialarbeit ist Bestandteil des schulischen Lernens und des Lebensraums Schule und braucht deswegen auch in der gesamten Breite eine entsprechende finanzielle Absicherung.

In einer Haushaltsrede der CDU-Fraktion in Balingen liest sich das so:

Bei der Finanzierung dieser Maßnahmen sind aber nicht nur wir als Schulträger gefordert; auch das Land muss sich an den Personalkosten dieser Maßnahmen beteiligen.

(Minister Peter Hauk: Wer sagt das?)

Die CDU-Fraktion in Balingen.

(Minister Peter Hauk: Die CDU-Fraktion in Balin- gen! Wir sind doch hier in Stuttgart im Landtag!)

Vielleicht lassen Sie sich von Ihren eigenen Leuten vor Ort auch einmal etwas sagen.

(Zuruf des Ministers Peter Hauk)

Es geht um die Finanzierung der Landesaufgabe, die Sie den Kommunen zuschieben. Ich komme gleich noch einmal darauf zu sprechen.

(Zuruf des Abg. Andreas Hoffmann CDU)

Aus diesen Gründen haben wir Sie gleich zu Beginn der Legislaturperiode erneut und abermals aufgefordert, wieder anteilig in die Finanzierung der Schulsozialarbeit einzusteigen. Deren Bedeutung wird ja auch überhaupt nicht bestritten, aber die Finanzierung weisen Sie den Kommunen, den kommunalen Jugendhilfeträgern zu.

(Unruhe)

Schauen wir doch einmal auf bildungsrelevante Bereiche in Zusammenarbeit mit Land und Kommune:

Beispiel Elementarbildung: Bei zunehmender Bedeutung und steigender Aufgabenfülle ist diese nicht flächendeckend adäquat ausgestattet.

Beispiel Schulpsychologen: Die Relation von Schulpsychologen und Schülern liegt weit unter den Werten anderer Bundesländer.

Landeszuschüsse für die Volkshochschulen: fast gegen null abgeschmolzen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Na ja! Die Null liegt bei Ihnen aber relativ weit oben!)

Die Schulsozialarbeit wird ausschließlich nach kommunaler Kassenlage finanziert. Das hat Konsequenzen. 42 % der Schulen mit Schulsozialarbeit verfügen über Vollzeitstellen. Die Hälfte der Arbeitsverhältnisse weisen einen Beschäftigungsumfang von unter 75 % auf. Teilweise entfallen auf eine halbe Schulsozialarbeiterstelle 1 000 Schüler.

Sagen Sie mir vor diesem Hintergrund doch bitte, wie ein Satz aus der Koalitionsvereinbarung zu verstehen ist.

(Zuruf von der CDU: Gerne!)

Vielleicht kann das jemand aus den Fraktionen, die sich dazu berufen fühlen, beantworten, aber vielleicht stehen Sie auch gar nicht mehr dahinter, wie bei so manchem Punkt. Wörtlich heißt es:

wer auch immer das ist –

werden gemeinsam mit den Kommunen die Jugendsozialarbeit an allen Schularten, vor allem aber an den Hauptschulen, stärken.

Das Gegenteil ist richtig. Sie haben sich aus den ohnehin schon nur mühsam zusammengezimmerten Projekten herausgestohlen und überlassen die Finanzierungslasten den