Die verschiedenen Maßnahmen wurden soeben schon darge stellt. Deswegen muss ich darauf nicht mehr im Einzelnen ein gehen. Ich möchte nur noch einige Punkte ansprechen.
Es ist gut, dass das Gewaltpräventionsprogramm nach Dan Olweus an allen Schulen installiert wird. Darauf haben wir uns im Sonderausschuss auch geeinigt. Es ist gut, dass dies schnell mit zunächst 40 Schulen startet, dann aber weiter ver breitet werden soll, und dass man generell zu einer Einigung über Gewaltpräventionsprojekte an unseren Schulen gefun den hat.
Es ist auch gut, dass die Zahl der Schulpsychologen erhöht wird. Etwas bitter ist es natürlich, dass Schulpsychologie als eigener Studiengang nicht vorgesehen ist, sodass es schwie rig wird, die große Zahl von Schulpsychologen, die wir ei gentlich haben wollen, zu finden. Da wäre es ganz wichtig, in den bestehenden Studiengängen noch einiges zu tun. Das steht auch im Bericht. Es fehlt allerdings noch etwas an Konkreti sierung, um das einmal so zu sagen.
Eine weitere Forderung, die der SPD-Fraktion im Sonderaus schuss sehr wichtig war, die wir dort nicht durchsetzen konn ten, die sich aber mit Ihrer Argumentation, Frau Kurtz, jetzt trifft, nämlich wegzukommen von der Kommstruktur und dorthin zu gehen, wo die Schülerinnen und Schüler sind, be trifft die Schulsozialarbeit. Ich möchte hier auch für unsere Fraktion noch einmal deutlich sagen: Mit der Implementie rung und damit auch der Finanzierung der Schulsozialarbeit haben wir eine der besten Möglichkeiten, ein niedrigschwel liges Angebot zu machen, aber auch ein Angebot, das die Menschen ganzheitlich sieht und sie nicht nur in einer spezi ellen Problemsituation wahrnimmt. Wie gesagt: Ich kann die se Forderung hier nur erneuern. Schulsozialarbeit ist Teil der Bildungsarbeit und deswegen auch Landesaufgabe.
Eine wichtige Rolle hat für uns auch die Frage der Elternkom petenz, der Erziehungskompetenz der Eltern gespielt. Wir ha ben im Sonderausschuss beschlossen, es sollten Beratungs module für Eltern in Zeiten typischer Umbruchsituationen im Kinderleben installiert werden. Das hört sich sehr sperrig an.
Man hätte es eigentlich auch etwas einfacher ausdrücken kön nen. Was sind typische Umbruchsituationen im Leben? Ich würde sagen, da kommt zunächst die Pubertät, und irgend wann später kommen vielleicht die Wechseljahre.
(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Für die Pubertät auch nicht! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bei den Lehrern!)
Was uns da stört, ist Folgendes: Es wird jetzt die Konzeption vorgelegt, das Programm STÄRKE nach seinem Auslaufen im Jahr 2013 mit einem Beratungsangebot für Eltern weiter zuentwickeln, das dann zunächst an 20 Schulen in eine Mo dellphase gehen soll. Ich muss sagen, da hätte man auch schon etwas früher ansetzen können, statt erst 2013, nach dem Aus laufen von STÄRKE, ein neues Modell zu implementieren und danach eine Evaluation vorzunehmen. Irgendwann haben wir es dann, aber dann sind die Kinder schon lange groß. Da her wäre es für uns ein ganz wichtiges Anliegen, hier zügiger vorzugehen.
Hier gäbe es aus unserer Sicht auch eine Andockung an die Schulsozialarbeit; damit wird sich vielleicht manches Modell beschleunigen.
Das wäre vielleicht nicht schlecht. – Wenn Sie schon sagen, Herr Kleinmann, das könne man sich überlegen, müssten Sie nur noch Ihre Kolleginnen und Kollegen überzeugen. Dann bekommen wir das vielleicht auch hin.
Alles in allem: Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, auf dem es jedoch noch sehr viel zu tun gibt. Damit kann nicht Schluss sein.
Ich möchte nur abschließend noch eines sagen – damit wird vielleicht manches Gute vonseiten der Landesregierung selbst konterkariert –: Ich finde, wenn der Justizminister dieses Lan des, wie letzte Woche geschehen, auf einer Podiumsdiskussi on in einer Schule in Winnenden begründet, warum er nur ei ne Waffe abgegeben hat und die zweite behält – nämlich zum Schutz seiner Familie; falls denen einmal etwas passiert, kann er seine gut verschlossene Waffe schnell aus dem Schrank he rausholen, um seine Familie zu schützen –, und dies ausge rechnet an diesem Ort so darstellt, tut er seiner Landesregie rung und dem, was wir im Sonderausschuss in großer Einig keit beschlossen haben, keinen Gefallen. Es wäre dann viel leicht doch einmal eine Überlegung wert, ob man, wenn man, wie wir es tun, mit so vielen Programmen arbeitet und sich so umfangreich der Frage der Gewaltprävention nähert, so je manden in der Landesregierung brauchen kann.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist jetzt fast zwei Jahre her, dass der Amoklauf in Winnenden und Wendlingen stattgefunden hat. Wir haben fast ein Jahr lang fraktionsübergreifend in großer Ernsthaftigkeit versucht, die Ursachen und die Gründe für die se unfassbare Tat herauszufinden. Wir haben versucht, Maß nahmen und Strategien zu entwickeln, damit so etwas nicht wieder passiert.
Der Sonderausschuss war – das müssen wir ganz klar feststel len; das ist auch Anlass für unseren Dank an alle, die daran mitgearbeitet haben – eine Chance, hinter die Kulissen der Gesellschaft zu schauen, sich anzuschauen, wie die gesell schaftliche Realität in Familien aussieht und welche Proble me wirklich vorhanden sind.
Was in Hochglanzprospekten, wenn man über Familie und Gesellschaft redet, eben nicht sichtbar wird, das ist im Aus schuss, in den Anhörungen sichtbar geworden. Auch die tie fe Verunsicherung, die es in vielen Familien gibt, ist sehr klar zum Ausdruck gekommen.
Wir haben ernsthaft um Maßnahmen und Konzepte gerungen und haben auch eine ganze Menge Punkte gemeinsam verab schiedet. Frau Kurtz hat vieles davon schon angeführt. Wir haben uns darauf geeinigt – das wird sicher auch bleiben –, dass wir die Strukturen, was die Schulpsychologen angeht, ausbauen wollen. Der Ausbau der Zahl der Präventionsbeauf tragten an den Schulen und der Beratungslehrer sowie der Ein stieg in ein flächendeckendes Gewaltpräventionsprogramm nach Dan Olweus sind weitere wichtige Maßnahmen, die wir gemeinsam verabschiedet haben. Das ist richtig und gut.
Sie haben jetzt einen Zwischenbericht dazu vorgelegt, was umgesetzt wurde. Die Beschlüsse, die wir im Sonderausschuss gefasst haben, die zum Teil harte Zahlen beinhalten, sind von diesem Zwischenbericht im Wesentlichen umfasst.
Ich glaube, dass es für die Zukunft – seit dem Amoklauf sind jetzt fast zwei Jahre vergangen – wichtig sein wird, dass sich nach diesem Sonderausschuss und nach diesen Vorfällen nicht nur gewisse Strukturen, was den Stellenplan angeht, verän dern. Das scheint mir ganz wichtig zu sein. Es ist auch eine Erkenntnis aus dem Sonderausschuss gewesen, dass die Prä vention, die hier gemacht werden muss und die auch auf eine Stärkung des Erziehungsauftrags der Eltern abzielt, sicher nicht mit ein paar zusätzlichen Stellen zu realisieren ist. Viel mehr ist es erforderlich – das ist uns auch nachhaltig im Be wusstsein –, dass die Netzwerke, die wir haben und die wir jetzt ausbauen, auch funktionieren und miteinander kommu nizieren können.
Ich glaube, ein isoliertes Betrachten dieser einzelnen Berei che wird uns zu der Einsicht führen, dass ein Zusammenfü gen der verschiedenen Informationen, wie wir es an verschie denen Stellen schon haben, in ein wirkliches Präventionskon zept des Landes erst noch geleistet werden muss. Da sehen wir noch Handlungsbedarf.
Ich bin auch gespannt, wie dieses Gewaltpräventionspro gramm nach Dan Olweus umgesetzt werden wird. Herr Staats sekretär, Sie können das ja nachher vielleicht noch ein biss chen konkretisieren.
Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport spricht sich dafür aus, den Schulen kein Programm vorzugeben, sondern lediglich die Struktur nach Dan Olweus zur Ori entierung vorzugeben.
Da würde mich interessieren, wie das – wir haben über die ses Konzept auch im Sonderausschuss sehr intensiv geredet – später an den Schulen verbindlich wird.
Als Lehrer weiß ich sehr wohl, dass Unterlagen, die an die Schulen gehen und ihnen erläutern, was gemacht werden soll, häufig dicke Ordner füllen. Da wird viel abgeheftet. Wichtig ist dabei aber, dass Programme zur Gewaltprävention an den Schulen wirklich gelebt werden. Das, was mit OES in BadenWürttemberg auf den Weg gebracht wird, darf natürlich nicht nur darin münden – Sie haben es ja auch angeführt –, dass es zu einer reinen Formsache wird, die in Formularen abgehan delt wird, sondern das muss wirklich im schulpraktischen Le ben umgesetzt werden. Da ist sicherlich noch einiges zu tun. Deswegen wäre jetzt in diesem Punkt meine Bitte, auch von seiten des Kultusministeriums stärker hinzuschauen, was die flächenhafte Umsetzung dieses Konzepts angeht, und in die sem Bereich auch die Qualitätssicherung genauer zu beach ten.
Ein weiterer Punkt, der mir noch sehr wichtig ist und über den wir auch heftig gestritten haben, ist die Frage: Was ist im Be reich der Medienpädagogik wichtig? Es geht um Medienkom petenz.
Wir wissen es ja – das Wort „Medienkompetenz“ ist in aller Munde –: Nach dem Buchdruck ist die Digitalisierung der
Welt die Revolution schlechthin, und wir müssen die jungen Menschen darauf vorbereiten. Ich weiß als Lehrer, der in die sem Bereich unterrichtet, aber auch, dass das trotz Handlungs empfehlungen, trotz Bildungsplänen, die vorliegen, oft in den Lehrplänen stecken bleibt, dass die eigentliche Auseinander setzung mit den veränderten Realitäten in den virtuellen Wel ten, in denen junge Menschen heute aufwachsen, in keinem medienpädagogischen Konzept in den Bildungseinrichtungen vorgesehen ist und dass auch Eltern da große Probleme ha ben.
Ich glaube, das, was hier an Programmen vorgelegt wurde – auch darüber haben wir heftig diskutiert –, wird nicht ausrei chen. Wir haben auch die ersten Signale dazu bekommen, was sich in diesem Bereich in der Lehrerausbildung ändert. Ich glaube, wenn wir das Thema ernst nehmen, dann darf Medi enpädagogik nicht nach Belieben in der Lehrerausbildung vor kommen, sondern sie muss ein fester Bestandteil sein, sodass jeder, der solch eine Ausbildung durchläuft, wirklich verbind liche Module in diesem Bereich ableisten muss. Es reicht nicht, dies als eine Sache abzutun, die man zusätzlich anbie tet oder die irgendwo als Querschnittsausbildungsaufgabe mit läuft.
Die Dinge, die sowieso als Aufgabe mitlaufen, werden oft ver gessen, weil man in diesem Bereich eben nicht den ganz kon kreten Handlungsauftrag hat. Deswegen meine Bitte, was die Lehrerausbildung angeht – ich weiß, darüber wird zurzeit dis kutiert –: In diesen Bereich muss eine Verbindlichkeit kom men, die der Notwendigkeit, die Medienpädagogik hier zu stärken, wirklich gerecht wird. Denn ich glaube, gesellschaft lich wird es zu einer Spaltung kommen, wenn wir das nicht entsprechend aufnehmen und dafür Sorge tragen, dass die Kin der auf diese virtuellen Welten, die unsere Zukunft und die Lebensrealität der Kinder vollständig bestimmen werden, vor bereitet werden, damit sie wissen, was da auf sie zukommt.
Es reicht eben nicht, dass man die Schulen mit Computern, mit guter Software usw. ausstattet. Für einen Menschen, der in einer multimedialen Welt lebt, der diese Dinge wie selbst verständlich einsetzt, ist es unerlässlich, sich in diesem Be reich auch fortzubilden. Denn in Zukunft werden diese Gerä te in der multimedialen Welt grundlegend sein, und es ist wichtig, nicht von ihnen abhängig zu werden, sondern sie ins reale Leben zu integrieren. Das wird mit entscheidend bei der Frage sein, ob unsere Gesellschaft in der Zukunft noch funk tionieren kann. Da besteht wirklich noch viel Handlungsbe darf.
Ein letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist die Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern. Ich muss Ih nen sagen – da möchte ich Frau Altpeter beipflichten –: Ich glaube, dass das Programm STÄRKE – in dem Zwischenbe richt rankt sich sehr viel darum, was man da macht; darüber haben wir auch im Sonderausschuss gestritten – nicht aus reicht. Ich meine, wenn wir die Erziehungskompetenz der El tern stärken wollen, müssen wir auch in diesem Bereich die Netzwerke stärker aufbauen. Wir müssen in den Kindergär ten und Betreuungseinrichtungen die Servicefunktion, den Kontakt, die aufsuchenden Hilfen für die Eltern verstärken. Ich glaube, mit dem Ansatz, den man mit dem Programm STÄRKE hat, vor allem auch mit den finanziellen Ressour cen, die da gebunden werden, wird man das nicht schaffen. Das wird nicht ausreichen. Da brauchen wir mehr.
Wir brauchen mehr aufsuchende Hilfen. Diese müssen auch direkter bei den Familien, die wirklich große Probleme haben, ankommen. Da ist noch einiges zu tun. Unsere große Bitte ist, dass wir gemeinsam stärker in den Fokus nehmen, dass die Familien wirklich gestärkt werden und in den Bereichen Hil festellung erhalten, in denen sie diese brauchen.
Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Es ist ein bisschen bedauerlich, dass sich die Kollegin Altpeter diesen Seitenhieb auf den Justizminister und seinen legalen Waffenbesitz nicht verkneifen konnte.
Damit hat sie gleichzeitig alle, die legal eine Waffe besitzen und von denen diese Gefahren eben nicht ausgehen, noch ein mal als „Alibi-Schuldige“ dargestellt. Das halten wir für nicht richtig. Es widerspricht auch den Erkenntnissen, die wir bei der Arbeit des Sonderausschusses gesammelt haben.