Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich weiß, dass in den Reihen der CDU durchaus kontrovers darüber diskutiert wird,
Deswegen würde ich zum Schluss gern den Kollegen Kluck zitieren, der gestern in einem völlig anderen Zusammenhang gesagt hat, der Rechtsstaat dürfe keine rechtsfreien Räume dulden. Wenn wir die rechtsgültigen Tarifverträge inzwischen völlig durchlöchert vorfinden,
dann müsste es der FDP/DVP ins Stammbuch geschrieben sein, Rechtssicherheit in den Bereichen zu schaffen, in denen es rechtsfreie Räume gibt. Sprich: Ich fordere Sie, liebe Kol leginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/DVP, da zu auf, rechtsfreie Räume abzuschaffen. Die Unterstützung der Grünen unterstelle ich einmal. Unsere Unterstützung ha be ich gerade vorgetragen.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die SPD legt in dieser Legislaturpe riode erneut den Entwurf eines Tariftreuegesetzes vor.
Danach müssen sich Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge ab einem Volumen von 20 000 € bewerben, einem Tarifvertrag unterwerfen und ihren Arbeitnehmern einen Ar beitslohn von mindestens 8,50 € pro Stunde zahlen. Bei Nicht einhaltung drohen Vertragsstrafen. Damit sollen Billigkonkur renz aus Osteuropa abgeschreckt und – wie es in § 1 des Ent wurfs steht – Wettbewerbsverzerrungen um öffentliche Auf träge entgegengewirkt sowie Belastungen der Sozialsysteme gemildert werden.
Die Absicht mag löblich sein, allein die Ausführung ist es nicht. Lohndumping, Verdrängungswettbewerb oder andere Auswüchse bei öffentlichen Aufträgen will in diesem Haus niemand.
Wir wollen einen fairen Leistungswettbewerb. Dabei haben wir uns an die Vorgaben des europäischen Gemeinschafts rechts zu halten.
Ich komme gleich dazu. – Der EuGH hat es im Rüffert-Ur teil deutlich gesagt: Ein Mitgliedsstaat ist nicht berechtigt, Un ternehmen in anderen Mitgliedsstaaten einen nicht für allge mein verbindlich erklärten Tarifvertrag vorzuschreiben. Da die Dienstleistungsfreiheit ein Primärrecht ist, gilt dies auch unterhalb der Schwellenwerte des europäischen Vergabe rechts. Nur im Anwendungsbereich des Arbeitnehmer-Entsen degesetzes – im Baubereich, bei der Gebäudereinigung oder der Briefzustellung – sind Mindestarbeitsbedingungen oder allgemein verbindliche Tarifverträge nach der Rechtsprechung des EuGH bindend. Nur für diesen Marktsektor lässt sich ei ne Tariftreue durch den Landesgesetzgeber regeln. Allerdings überprüfen bereits Zoll und Finanzverwaltung die Einhaltung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes.
In Ihrem Entwurf gehen Sie über das Arbeitnehmer-Entsen degesetz hinaus und erstrecken die Pflicht zur Tariftreue auf alle öffentlichen Aufträge. Dabei müssen sich die Unterneh men an der intransparenten Kunstfigur eines repräsentativen Tarifvertrags orientieren. Niemand weiß, was das ist. Reprä sentativ ist nicht allgemein verbindlich, weil sich ein reprä sentativer Tarifvertrag nicht auf alle Arbeitnehmer erstreckt.
Wenn Sie den Vergabestellen ein Ermessen einräumen, wel cher Tarifvertrag für die Vergabe repräsentativ ist, ist das nichts anderes als Tarifzensur. Damit schwächen Sie die Ta rifautonomie. Kleinere Gewerkschaften werden an die Wand gedrückt – ver.di lässt grüßen.
Die Dienstleistungsfreiheit kann außerhalb des ArbeitnehmerEntsendegesetzes nach europäischem Recht nicht einge schränkt werden. Genau das will Ihr Gesetzentwurf. Das ist kleinstaatlicher Protektionismus.
Zudem würde Ihr Gesetz mit seinen bürokratischen Nachweis pflichten und Kontrollmechanismen unserer Wirtschaft mehr schaden als nützen. Unternehmen, die in wirtschaftlich schwieriger Lage aufgrund einer Öffnungsklausel in einem ergänzenden Haustarifvertrag einen zeitlich begrenzten Lohn verzicht vereinbaren, wären von der öffentlichen Auftragsver gabe faktisch ausgeschlossen.
ohne über die verfassungsrechtlichen Konsequenzen nachzu denken. Ein Landesvergabegesetz, Herr Kollege, kann Unter nehmen nicht zur Zahlung eines Mindestlohns an seine Ar beitnehmer verpflichten. Der Bund hat nämlich auf dem Ge biet der Mindestarbeitsbedingungen seine Kompetenz im Rah men der konkurrierenden Gesetzgebung nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes mit dem Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen bereits erschöp fend in Anspruch genommen.
Damit gilt die Sperrwirkung des Bundesrechts. Das Land hat keine Gesetzgebungskompetenz, was Mindestlöhne angeht.