Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Würt temberg – Drucksache 14/7309
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.
Herr Präsident, meine Da men und Herren! Der Gegenstand dieses Gesetzentwurfs ist die Parallelführung von G 8 und G 9 am Gymnasium. Die Ar gumente hierzu haben wir in der ersten Lesung und im Aus schuss zur Genüge ausgetauscht.
Es ist durchaus aufzuzeigen, dass wir nach der Grundschule ein Abitur nach neun Jahren haben, dass man also das Abitur
in neun Jahren erwerben kann. Das kann in der Hauptschule anfangen, geht über die Realschule bis in das berufliche Gym nasium hinein, und das endet mit der allgemeinen Hochschul reife, wenn der Schüler das will und durchhält.
Ich möchte dazu eigentlich nur noch ein Zitat des Städtetags anführen. Der Städtetag plädiert dafür, „diesen baden-würt tembergischen Weg kraftvoll fortzusetzen“. Weiter unten steht:
Die Option einer Bildungskarriere mit dem Ziel Abitur über die zweite Säule, also via Hauptschule, Werkreal schule oder Realschule und berufliches Gymnasium, muss als Pendant zum klassischen Weg über das allgemeinbil dende Gymnasium noch offensiver dargestellt und bewor ben werden.
Ich möchte ganz deutlich darum bitten, dass Sie nicht wieder in die alte Gewohnheit verfallen und diesen Weg schlechtre den.
Auch der Landkreistag und der Gemeindetag lehnen Ihren Ge setzentwurf ab. Sie haben zwei weitere Gründe dafür. Das sind zum einen die Kosten. Dazu schreibt bezeichnenderweise die GEW:
Bei einem Nebeneinander von G 8 und G 9 werden aber auch mehr Lehrerstunden verbraucht, die für die Senkung des Klassenteilers oder für Förderangebote der Schüle rinnen und Schüler fehlen werden.
Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf zu den Kosten: „Kei ne.“ Ich habe schon beim letzten Mal gesagt: So kann es nicht gehen. Wovon Sie dies bezahlen wollen, ist nicht klar.
Ein zweiter Punkt, gegen den sich der Gemeindetag wehrt, ist das Alleinentscheidungsrecht des Ministeriums für Kultus, Ju gend und Sport, wenn kein Einvernehmen mit dem Schulträ ger über die Einführung des zusätzlichen G 9 getroffen wer den kann. Das verstößt gegen die Rechte des Schulträgers. Dass Sie ein so wesentliches Recht des Schulträgers außer Acht lassen,
zeigt das ganze Ausmaß an Populismus, das diesem Antrag zugrunde liegt. Verweisen Sie ihn einfach in das Reich „Wünsch dir was“.
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Jahre spricht sich die Landesfachgruppe gegen die Doppelfüh rung von G 8 und G 9 aus.
Ja, auch ich finde das hochinteressant. In Abwandlung ei nes Satzes von Angela Merkel – er bezog sich allerdings auf die Rente mit 67 – könnte man sagen: Wenn Sie jemanden fin den, der für die Parallelführung von G 8 und G 9 ist, könnte der von der SPD sein; finden Sie jemanden, der dagegen ist, auch.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will nur noch kurz die verschiedenen Argumente wiederholen, die schon vielfach ausgetauscht wor den sind, und zunächst feststellen, dass das G 8 weiter in der Kritik ist, weiter in der Kritik bleibt und dass, liebe Frau Voss schulte, bei allen Umfragen 70 bis 80 % der Eltern angeben, dass sie sich eher einen neunjährigen Gymnasialzug wünschen und dass sie mit dem bisherigen G-8-Zug unzufrieden sind. Das ist bei allen Umfragen zu allen Zeitpunkten, seitdem das G 8 eingeführt wurde, der Fall.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: In meinem Wahlkreis nicht! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Stimmt doch nicht!)
Daher müssen Sie eigene Vorschläge bringen, statt einfach nur auf das einzuschlagen, was an Vorschlägen von der anderen Seite kommt.
Ein echtes Wahlrecht zwischen G 8 und G 9 wollen wir nicht für alle Bereiche, sondern wir wollen dort, wo es gewünscht wird, einen neunjährigen Zug an einem G-8-Gymnasium er möglichen.
Das ist auch keine Rückkehr zu dem früheren G 9, sondern – jetzt kommen wir zu den Kosten – es ist eine andere Vertei lung der 265 Wochenstunden, nämlich auf einen um ein Jahr längeren Zeitraum. Daher gibt es allenfalls zusätzliche Kos ten, weil Sie in dem Gymnasium möglicherweise einen zu sätzlichen Zug einrichten müssen. Das kann passieren. Das will ich gar nicht bestreiten. Aber es führt nicht per se zu hö heren Kosten. Wenn Sie darauf bestehen, dass es so ist, dann hätten alle Eltern recht, die bisher gesagt haben: Das G 8 war auch ein Einsparmodell, wenn jetzt das G 9 plötzlich mehr
kosten würde. Deswegen wäre ich an Ihrer Stelle sehr vor sichtig, dies als gravierendes Argument anzuführen.
Wir gehen nicht davon aus, dass es überall Gymnasien gibt, die einen neunjährigen Zug einrichten wollen. Das ist auch gar nicht unsere Absicht. Warum soll man es aber dort verbie ten, wo es gewünscht ist, wo sich der Schulträger, wo sich das Gymnasium einen neunjährigen Zug vorstellen und einen sol chen Weg entwickeln?
Die bisherigen Anträge dazu, Frau Vossschulte – dazu haben Sie bisher keine Antwort gegeben – kommen eher aus Regi onen, in denen festgestellt wird: Es gehen überproportional viele Kinder mit Gymnasialempfehlung auf die Realschule, und zwar nicht unbedingt deshalb, weil ihre Eltern ihnen den Weg über das Gymnasium nicht zutrauen würden, sondern weil sie sagen: „Die Belastung in der Unter- und Mittelstufe ist zu hoch, um die Schule mit dem langen Schulweg und dem Engagement der Kinder in den Vereinen, in den Musikschu len und anderswo vor Ort unter einen Hut zu bringen.“
Frau Gurr-Hirsch, daran ist zunächst einmal nichts schlecht. Denn Sie weisen zu Recht darauf hin – wir haben das beruf liche Gymnasium nie schlechtgemacht –, dass es eine Alter native gibt. Nur: Eine echte Alternative ist es nicht in der Tie fe des Unterrichtsstoffs, was die Fremdsprachen und andere allgemeinbildende Fächer betrifft. Denn am Ende wird auf ein beruflich orientiertes Abitur und nicht auf ein allgemeines Ab itur hingearbeitet, das die Voraussetzung z. B. für Fremdspra chenstudiengänge und anderes ist. Das ist gar keine Kritik. Die Werte sind vom Abschluss her gleichwertig, von den In halten her sind sie unterschiedlich.
Was spricht dagegen, dass diejenigen, die eine Gymnasial empfehlung haben, aber gern den neunjährigen Weg beschrei ten möchten, dieses Angebot in einem Gymnasium allgemei ner Art bekommen?
Die Wege wären dann im Hinblick auf die Wahrscheinlich keit, dass das Ziel erreicht wird, gleichwertig. Auch in dieser Hinsicht haben Sie etwas nachzuholen. Solange Sie nämlich nicht sichergestellt haben, dass es für jeden mit mittlerer Rei fe einen Platz in einem beruflichen Gymnasium gibt, können Sie natürlich die Gleichwertigkeit der Abschlüsse postulieren – das stimmt –, aber Sie können nicht die Gleichwertigkeit der Erreichbarkeit dieser Abschlüsse postulieren. Das stimmt eben nicht.